Stichprobenumfang berechnen2014-09-16T09:18:50+01:00

QM-Forum Foren Qualitätsmanagement Stichprobenumfang berechnen

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  • Anonym
    Gast
    Beitragsanzahl: 2122

    Hallo,

    ich scheitere gerade wieder an folgender Fragestellung:

    Wir haben einen Lötprozess. Dort werden standardmäßig 1% der Leiterplatten auf Durchgang geprüft (attributiv).

    Während einer der letzten Fertigungen wurde zusätzlich dazu (zur Datenerhebung) eine 100% Prüfung des Durchgangs von einem Praktikanten durchgeführt. Also 1% der Leiterplatten als Prozesskontrolle und unabhängig davon 100% für eine Praktikumsarbeit.

    Ergebnis: Die Prozesskontrolle hat keine fehlerhaften Leiterplatten gefunden, der Praktikant hat fast 8% fehlerhafte LPs gefunden (42190 geprüft / 3249 niO). Testmethode war identisch.

    Frage:
    Wie groß muss eine Stichprobe sein, damit ich einen Fehleranteil von 8% entdecken kann. Mir geht es nicht um die konkrete Zahl, sondern ich möchte gerne verstehen, wie sowas berechnet wird.
    Ich habe auch schon in Minitab 16 die Funktion „Stichprobenumfang für Parameterschätzung“ bemüht, bin mir aber nicht ganz sicher, ob ich das richtig angewendet / verstanden habe.

    Gruß,
    Benni

    xcurit
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 10

    Hallo Beni

    Schau mal hier im Forum den Beitrag https://www.roxtra.com/qm-forum/forum/topic.asp?TOPIC_ID=6260 an. Da ist schon viel Grundlegendes erklärt. Prinzipiel hast Du immer AQL, RQL, alpha und beta.

    AQL = annehmbare Qualitätsgrenzlage (akzeptierter Ausschussanteil), mit der Wahrscheinlichkeit alpha für eine ungerechtfertigte Rückweisung.
    RQL = rückzuweisende Qualitätsgrenzlage (nicht akzeptierter Ausschussanteil), mit der Wahrscheinlichkeit beta für eine ungewünschte Losannahme.

    So nun gehst du in Minatab 16, Statistik -> Qualitätswerkzeuge -> Annahmestichprobenpüfung nach Attributen. In der Maske beläst du „Plan für Stichprobenerstellung“ und „Gut/Schlecht…“ und „Prozent fehlerhafter..“ in den Feldern. Dann gibst Du AQL an. z.B. 1%. Damit Akzeptierst du 1% Fehlerhafter Teile mit einer Annahmewahrscheinlichkeit von z.B. 95% dann trägst du beim Lieferantenrisiko 0.05 ein. (wegen 1-alpha, also 1-0.95). Dann dein RQL da wolltest du ja 8% also trägst du 8 bei RQL ein und beim Abnehmerrisiko z.B. 5% also 0.05 in das Feld. Damit nimmst du Produkte mit einem Fehlerhaften Losanteil von 8% und mehr nur noch mit höchstens 5% Wahrschenlichkeit an. Den Losumfang kannste prinzipiel leer lassen. Trage aber mal die 42190 ein dann bekommst du in der Auswertung mehr Grafiken.

    Ergebnis ist dann Stichprobenumfang 77 bei einer annahmezahl 2.
    Für dich wichtig sollte noch sein die OC Kurve zu verstehen und die AOQ Kurve. Die minitab hilfe ist genial! Oder du googelst.

    Jetzt wirst du bestimmt sagen aber bei 1% habe ich ja 422 Stück geprüft und keine fehlerhafte Platte gefunden. Dies sind ja mehr als die 77. Die Statistik geht davon aus, dass alle Teile die du prüfst aus einem kontinuirlichen Prozess kommen. Und ich glaube da liegt der Hund bei euch begraben. Jetzt musst du auf den Prozess schauen und z.B. sagen ich fertige in 1h 500 Stück da bin ich mir sicher, dass der Prozess innerhalb dieser Zeit stabil und gleichmässig war. Weil z.B. keine Materialwechsel, keine Tempschwankungen, keine MA wechsel und und und. Dass musst du selbst an deinem Prozess rausfinden. Dann würdest du alle Stunde aus den 500 Stück mit n-c = 77-2 prüfen. Das wären dann 42190/500 = 84.38 –> 85 * 77 = 6545 teile die zu prüfen sind. Und ja, wenn du bei den 77 mehr als 2 schlechte Teile hast musst du dieses Teillos zu 100% prüfen.

    Du kannst auch noch in Minitab ein wenig rumprobieren und z.B bei beta 0.001 eintragen. Also lediglich 0.1% fälschliche Annahme bei RQL von 8%. Dann bekommst du n-c=180-4. Das bewahrt dich aber nicht davor deinen Prozess besser zu beurteilen. ;-)

    So ich hoffe das hilft nen bisle.

    Gruss
    xcurit

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Benjamin,

    xcurit hat eine schöne Erklärung geschrieben. Reicht Dir das so?

    Bei der Parameterschätzung kriegst Du auch einen Stichprobenumfang. Der bezieht sich allerdings nur auf das alpha-Risiko (Risiko für Fehlalarm). Das Risiko für schlechte-Qualität-übersehen (beta-Risiko) bleibt bei der Parameterschätzung unberücksichtigt.

    Das mit dem stabilen Prozess ist ein ganz wichtiger Punkt. Ich würd das neben dem Produktionsprozess auch auf den Messprozess erweitern und fände es auch etwas merkwürdig, wenn in der Produktion so gar kein niO-Teil aufgetreten ist und in der Praktikanten-Prüfung 8%.

    Theoretisch ist die Chance für 0 niO-Teile in einer Stichprobe mit n=4219 und einer Gesamt-Fehlerrate von 8% ziemlich klein, genauer 1,662814e-153. Das spricht dafür, dass entweder die Prüfschärfe bei den beiden Prüfungen sehr unterschiedlich war („passt schon“ vs. „Korinthenkacker“) oder sich die Leiterplatten-Lötstellen zeitlich stark verschlechtert haben (was Eure Kunden vermutlich nicht glücklich machen würde). Für mich wäre das auf jeden Fall etwas zum intensiver Nachhaken.

    Grundsätzlich: Wenn Du einen Fehleranteil von 8% absolut zuverlässig (=100%-ig) finden willst, brauchst Du eine 100%-Kontrolle. Sobald Du weniger prüfst, hast Du ein Risiko dafür schlechtere/höhere Fehleranteile zu übersehen. Und dann bist Du bei den vier von xcurit genannten Parametern.

    Viele Grüße

    Barbara

    ————
    Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
    (Ernest Rutherford, Physiker)

    JürgenG
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 1

    Hallo Barbara,

    bin neu hier und bei einer Recherche zum Thema AQL „zwangsläufig“ auf Dich und Deine für mich sehr wertvollen Beiträge gestoßen.
    Bei Deinem Beitrag hier gehe ich davon aus, dass die kumulierten IPC-Stichproben „n“ laut Prüfplan nicht 4.219 sondern 422 groß war, oder?
    Wie genau hast Du dazu die Wahrscheinlichkeit für x=0 in der Stichprobe berechnet bei einem „p“ in der Fertigung von 8%?
    Gruß
    Jürgen

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo JürgenG,

    willkommen im Forum [:)] Freut mich, dass Dir meine Beiträge weiterhelfen.

    quote:


    Ursprünglich veröffentlicht von Barbara
    Theoretisch ist die Chance für 0 niO-Teile in einer Stichprobe mit n=4219 und einer Gesamt-Fehlerrate von 8% ziemlich klein, genauer 1,662814e-153.


    Das Ergebnis stimmt so, nur werden bei Benjamin n=422 Teile prozessbegleitend untersucht und nicht 4219.

    Für n=422 bei einer tatsächlichen Ausschussrate von 8%=0,08 ist die Chance 0 niO-Teile zu finden etwas größer: 5.229536e-16 und immer noch verschwindend gering: 1 Mal in 2 Billiarden (10^15) Prüfungen.

    Gerechnet hab ich das mit R (Statistik-Software):

    pbinom(0,422,0.08)

    pbinom ist die Verteilungsfunktion der Binomialverteilung (gut-schlecht-Verteilung), 0 die Anzahl niO-Teile in der Stichprobe, 422 der Stichprobenumfang und 0.08 die Ausschussrate (8% mit Punkt als Dezimaltrennzeichen).

    Viele Grüße

    Barbara

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