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Hallo zusammen,
in unserem Unternehmen wurde bzgl. des AQL in der Produktion eine riesen Diskussion losgetreten.Aus diversen anderen Beiträgen weiß ich, dass der AQL nicht mehr wirklich aktuell ist und man diesen auch eher nicht nehmen sollte.
Der Meinung bin ich auch, jedoch gibt es bei uns Einige, unter anderem auch eine FDA-Beauftragte, welche nur den AQL im Kopf haben und sich auf keine Diskussion einlassen.
Wir benutzen den AQL in der Produktion. D.h. wir müssen eine bestimmte Menge bei einer bestimmten Chargengröße prüfen. Da die Teile aber teilweise im Minutentakt aus der Maschine kommen, sind die Messung einfach sehr aufwendig und zeitraubend.
Ich bin der Meinung, wir validieren die Maschinen, beweisen also, dass der Prozess fähig ist und müssen diesen Stand dann nur halten. Das machen wir, in dem wir zwar auch Stichprobenartig prüfen, jedoch nicht in so einem Ausmaß. Es geht ja letztendlich nur noch darum, den Prozess zu überwachen.
Die Teile gehen anschließend noch durch die Endkontrolle und werden erneut geprüft.
Jetzt wird bei uns dann auch noch Panik gemacht, damit da endlich eine Lösung herzu kommt und prompt wird ein Buch bestellt, obwohl keiner weiß, dass das auch ausreichend ist. (Zero Acceptance Number Sampling Plan – von Nicholas L. Squeglia)
Was meint ihr dazu? Was habt ihr für Erfahrungen? Reicht sowas dann auch der FDA?
Ich hoffe wirklich, dass Ihr mir helfen könnt.
Vielen Dank
furyDIBUGA – Effekt
Hallo Fury!
Interessant wäre erst mal: Macht Ihr eine attributive oder eine messende Prüfung? Und zweitens: Wie waren denn die Prüfergebnisse bisher? Es ist ja normal, daß man bei einer frisch eingerichteten Prozeßkontrolle zuerst in kurzen Abständen prüft und dann mittels der Ergebnisse (hoffentlich) begründen kann, daß der Prozeß stabil läuft und man die Stichproben zurücknehmen kann.
Ganz wichtig in dem Zusammenhang: Das Du alles, was den Prozeß stört oder ändert, sicher im Griff hast. Meiner Erfahrung nach liegt das Gefahrenpotential gerade bei stabil laufenden maschinellen Prozessen nicht im Prozeß an sich, sondern in der Umgebung. Beispiel Spritzguß: Entweder ein Witzbold fährt die Taktfrequenz hoch, ohne nachzuqualifizieren oder nach einem Stillstand wird beim Wiederanlaufen nicht lange genug gewartet, bis alles stabil läuft und die Anfahrteile landen teilweise mit beim Kunden.
Schöne Grüße
Frank
„and pray that there’s intelligent life somewhere up in space,
‚cause there’s bugger all down here on earth!“ (Monty Pythons / Galaxy Song)Hallo Frank,
größtenteils haben wir nur messende Prüfungen. Hin und wieder gibt es auch eine Funktionsprüfung, dass ist aber häufig dann nur in der Endkontrolle der Fall.Unser Problem ist leider auch, dass wir zu viele Maschinen und zu wenig Mitarbeiter haben, diese kommen dann bei dem jetzigen AQL einfach nicht hinterher. Aber dieses Problem zu beheben ist keine Option. Leider.
Unsere Maschinen laufen stabil und unsere Umgebungsbedingungen haben wir auch im Griff.
Wenn wir jetzt den Prozess regelmäßig überprüfen (aber nicht nach AQL) und dann zusätzlich noch in der Endkontrolle eine 100% Prüfung machen, dann müsste das doch ausreichen.
Der Mitarbeiter an der Maschine muss doch nur Prüfen, ob das richtige Teil aus der Maschine kommt.
Dieses Thema macht mich noch wahnsinnig, da jeder am meckern ist, nur keiner bis jetzt eine ausreichende Lösung hat.
Lg
furyDIBUGA – Effekt
Hallo fury!
Wie macht Ihr denn die 100%-Endkontrolle? Messend??? Normalerweise ist die Prozeßkontrolle doch billiger.
Wenn ihr messende Prüfungen in der Produktion macht, sollten doch auch die Meßergebnisse vorliegen. Dann kannst Du doch prima über Verteilung / Regelkarten nachweisen, daß der Prozeß stabil läuft. Dann noch eine Regelung für Prozeßunterbrechungen / -veränderungen und das Thema ist INHALTLICH in trockenen Tüchern.
Wenn sich einer quer stellt, der entweder unfähig oder unwillig ist, sich mit Inhalten zu beschäftigen, hast Du natürlich immer ein Problem….
Schöne Grüße
Frank
„and pray that there’s intelligent life somewhere up in space,
‚cause there’s bugger all down here on earth!“ (Monty Pythons / Galaxy Song)Hallo fury,
ob Eure Vorgehensweise für die FDA ausreicht, lässt sich nicht allgemein beantworten. Ich kenne sowohl Firmen, bei denen AQL durch die FDA-Inspektoren (noch) akzeptiert wird als auch Firmen, deren Produktion stillgelegt wurde, weil die Begründungen für die AQL-Verwendung zu schmal war.
Die heute wichtigste Frage bei der Wahl der Stichprobenprüfung ist: „Können wir damit ZUVERLÄSSIG Risiken (möglichst frühzeitig) erkennen?“
Beim AQL-System ist nach Durchsicht der benötigten Stichprobenumfänge um 1940 entschieden worden, dass die Kosten-Nutzen-Relation unwirtschaftlich ist (meine Vermutung), und es wurden Stichprobenumfänge nach dem Motto „Hab ich viel prüf ich viel, hab ich wenig prüf ich wenig“ erstellt. Das hat mit Absicherung und Risikomanagement nur am Rande zu tun, deshalb haken FDA-Inspektoren und andere Auditoren auch gerne mal nach, was hinter der Prüfung steckt und wie die Rationale aussieht.
Die zero-acceptance-Pläne von Squeglia sind schon etwas näher an berechneten Stichprobenplänen dran, d. h. hier wird echt gerechnet und damit zumindest ein Teil des Risikos bei statistischen Tests berücksichtigt. (Genauer: Risiko für Fehler 1. Art alpha bzw. Vertrauensniveau wird vorgegeben.) Bei den Stichprobenplänen von Squeglia fehlt allerdings genauso wie bei AQL die Bewertung bzw. Berücksichtigung des zweiten Risikos „Wie hoch ist das Risiko zu übersehen, dass der Prozess schlecht läuft?“ (beta-Risiko, auch Konsumentenrisiko, 1-beta = Trennschärfe, Güte, Power).
In Deutschland sind diese Pläne u. a. beim VDA (Band 3.2) unter dem Stichwort „Success Run“ oder „0-failure-plan“ zu finden, alternativ in dem von Dir angesprochenen Buch von Squeglia (Beschreibung Squeglia Buch 5. Edition bei ASQ.org). Allerdings sind die Pläne von Squeglia nur und ausschließlich für die prüfende/attributive Prüfung gedacht, d. h. für messende Prüfungen ungeeignet. Wenn Ihr also überwiegend Messwerte habt (was immer mehr Informationen als Attribut-Prüfungen liefert und deshalb bevorzugt verwendet werden sollte), kommt ihr mit Squeglia nicht weiter.
Ein kleines Beispiel dazu: Auf der Seite http://www.sqconline.com gibt es neben vielen Informationen zu Stichproben-Normen und -Plänen auch einen Stichproben-Rechner für Squeglias Pläne. Als Beispiel habe ich AQL = 1,0% gewählt für eine Lot-Größe von 51 bis 90. Hier sollen 13 Teile geprüft werden (mit Annahmezahl c=0 natürlich).
Was für eine Informationsgehalt hat diese Prüfung? Frank Hergt hatte hier mal eine sehr schöne Daumenregel für die attributive Prüfung beschrieben, sinngemäß: Deine Stichprobe sollte mindestens so groß sein, dass Du eine Chance auf mindestens ein Ausschussteil hast. Bei einem AQL-Wert von 1,0% (= 1% Ausschuss ist AKZEPTABEL!!!) müssen mindestens 100 Teile geprüft werden, damit die Chance auf 1 Ausschussteil besteht. (Tatsächlich muss der Stichprobenumfang noch sehr viel höher sein, damit auch eine sichere Entscheidung getroffen werden kann, nur weniger als 100 Teile sind in jedem Fall zu wenig.)
Die Statistik liefert nicht nur seltsame Formel-Zeichen, sondern kann auch dabei helfen einzuschätzen, wie sinnvoll ein Stichprobenplan ist bzw. wie viel Sicherheit die Prüfung liefert.
Attributive Prüfung mit AQL = 1%, Losumfang 51 bis 90 Teile
0-acceptance Plan nach Squeglia: n=13 prüfen, c=0 AnnahmezahlFall 1: Im Los sind tatsächlich 1% Schlecht-Teile
Annahmewahrscheinlichkeit für dieses Los = 99,9% (scheint ok zu sein, denn AQL=1% wurde angenommen)Fall 2: Im Los sind tatsächlich 5% Schlecht-Teile (= 5 mal so viel wie akzeptabel)
Annahmewahrscheinlichkeit für dieses Los = 99,4%. Ups.Je kleiner die AQL-Werte werden, desto weniger Sicherheit kann mit einer Handvoll Prüfergebnissen (attributive Prüfung) erreicht werden.
Was für ein Glück, dass Du überwiegend messende Prüfungen hast [:D]
Hier funktioniert das Rechnen deutlich besser als das Ablesen aus Normen oder Büchern (besser = gezieltere Auswahl & Vorgabe der Absicherung bei angemessenem Stichprobenumfang). Das Berechnen selbst ist ein schrittweises Verfahren, deshalb ist die Verwendung einer Statistik-Software sehr sinnvoll, z. B. GPower oder Minitab. Um die Stichprobenumfänge zu berechnen, brauchst Du Kennzahlen aus dem Prozess und Prozess-Wissen. Nach meiner Erfahrung wird diese Vorgehensweise von Auditoren und der FDA akzeptiert, wenn die Begründungen nachvollziehbar sind.
Hope this helps,
Barbara
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Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker)Hallo Barbara,
was soll ich sagen, du bist eine Göttin auf diesem Gebiet. Ich ziehe meinen Hut vor dir.Ich habe es mir fast gedacht, dass das Buch von Squeglia uns nicht wirklich nutzen wird. [:D]
Das Gute ist, Minitab kann ich nutzen, jetzt habe ich Stichprobenumfänge nur noch nie mit Minitab berechnet, hast du da vielleicht eine kleine Hilfestellung für mich?
Ich danke dir für deine Hilfe.
Lg
furyDIBUGA – Effekt
Hallo fury,
hach, Göttin – ick fühl ma geschmeichelt [:D]
In Minitab findest Du Stichprobenumfänge bzw. Prüfpläne für die messende Prüfung unter
Statistik > Qualitätsmanagement > Annahmestichprobenprüfung nach Variablen > Erstellen/Vergleichen
Dafür brauchst Du folgende Kenngrößen:
AQL (akzeptable Ausschussrate)
LQ/RQL (Ausschussrate, die gefunden werden soll)Lieferantenrisiko alpha: max. Risiko für Fehler 1. Art (Fehlalarm), typischerweise 5% = 0,05
Abnehmerrisiko beta: max. Risiko für Fehler 2. Art (Nicht-Entdecken schlechter Qualität), keine typischen Werte, Festlegung nach Risikobewertung, z. B. 1% = 0,01 für kritische FehlerSpezifikationsgrenze oder Spezifikationsgrenzen (je nach Vorgabe)
historische Standardabweichung (immer sinnvoll, wenn Du einen belastbaren Wert aus der Fertigung dafür hast)Losumfang kann leer bleiben (wird NICHT für die Berechnung des Stichprobenumfangs benötigt, sondern nur für die Prüfung, ob genügend Teile für die Prüfung vorhanden sind)
> OK
In dem Menü kannst Du auch die Risiken und Annahmewahrscheinlichkeiten von verschiedenen Plänen miteinander vergleichen. (Liefert oft sehr interessante Ergebnisse, wenn Du den berechneten Plan mit dem AQL-Plan nach DIN 3951 vergleichst.)
Wenn Du die benötigte Anzahl Werte zusammen hast, kannst Du über
Statistik > Qualitätsmanagement > Annahmestichprobenprüfung nach Variablen > Los annehmen/zurückweisen
die Entscheidung treffen oder auch mit dem angegebenen k-Faktor aus der Berechnung des Stichprobenumfangs.
Viele Grüße
Barbara
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Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker) -
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