QM-Forum › Foren › Qualitätsmanagement › Stichprobengröße – Wareneingangsprüfung
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Nachdem wir bisher keine vernünftige Wareneingangsprüfung haben und bei verschiedenen Lieferanten stark schwan kende Anlieferqualität haben, sollen jetzt die Lieferungen systematisch überwacht werden.
Die Frage die nun auftaucht ist natürlich, welche Stichprobengrößen sind sinnvoll und nötig um das auch recht zuverlässig zu kontrollieren.
Ein paar Daten
– Lieferlose sind meist zwischen 100 und 1000 Stück
– fehlerhafte Teile in den letzten Lieferchargen waren <10 bis >50 %
– typische Messung würde über geometrische Daten (z.B. Durchmesser, Rundlauf) erfolgenIch habe jetzt schon ne ganze Zeit gegoogelt, aber die diversen Formeln, mit verschiedenen Parametern sind nicht unbedingt leicht zu verstehen und anzuwenden.
Wer kann aus der Praxis berichten, was sinnvoll und möglich ist. Welche (leichtverständlichen) Formeln anwendbar sind …Gruß aus Austria
WolfgangHallo Wolfgang
Versuche es nebenbei auch mal von der anderen Seite anzugehen. Lasse Dir vom Lieferanten die Teile mit Messprotokoll anliefern. (Der Stichprobenmessung vom Lieferant).
Folgende Gründe sprechen dafür:
– Der Lieferant muss sowieso messen, also kann er die die Ergebisse gleich geben.
– Wenn Du es erst beim Wareneingang ein Problem erkennst ist schon wieder Zeit vergangen und es wird schwieriger zu reagieren für den Lieferanten und in Folge für Euch.
Der Lieferant wird Dir dann sicher nicht Teile mit N.i.O. Ergebniss schicken, falls doch kannst Du ihn fragen warum.
Ich habe damit gute Erfahrungen gemacht. Ist zwar am Anfang mehr Arbeit aber nachher läuft es „fast“ von selbst mit einer stetig besser werdenden Qualität.
mfg
RobertWer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten ;-)
Das verfolgen wir sowieso parallel.
Ich bin gerade dabei eine Liste zu erstellen, an welchen Stellen im Produktionsprozess er welche Messprotokolle zu liefern hat.
Aber auch da kann man von ihm nicht fordern eine 100%-Prüfung zu machen sondern eine qualifizierte Stichprobe von X Teilen aus Losgröße Y.Hallo Wolfgang,
die Formeln für die Berechnung der notwendigen Stichprobengröße *sind* unschön. Dafür gibt es verschiedene Gründe, u. a. müssen die unterschiedlichen Anforderungen aus Kunden- und Lieferanten-Sicht bewertet werden.
Du hast deshalb neben der Losgröße auch noch Risiken dafür, die Lieferung irrtümlich abzulehnen obwohl sie insgesamt gut ist bzw. die Lieferung irrtümlich anzunehmen obwohl sie insgesamt schlecht ist (Produzenten- und Konsumentenrisiko, alpha und beta).
Je größer Du das Risiko wählst, eine falsche Entscheidung zu treffen, desto kleiner ist Deine Stichprobe, weil Du mit einer schmaleren Informationsbasis auskommst.
Und dann muss natürlich noch berücksichtigt werden, wie genau die Prüfung sein soll. Eine Unterscheidung, ob 0,6 % in der Stichprobe verglichen mit 0,5% Anforderung zu viel ist braucht deutlich mehr Informationen als eine Entscheidung, ob 10 % in der Stichprobe verglichen mit 5 % Anforderung zu viel Ausschuss sind.
Grundsätzlich gilt bei allen Prüfmethoden, dass attributive (gut-schlecht) Prüfungen erheblich weniger Informationen über die Lieferung enthalten als variable (messende) Prüfungen. Deshalb muss die Stichprobengröße bei einer attributiven Prüfung auch deutlich größer sein.
Und diese ganzen Anforderungen angemessen zu berücksichtigen, braucht es eben etwas komplexere Formeln. Da kommst Du nicht drum herum, es sei denn, Du prüfst nicht selbst sondern lässt das den Lieferanten machen, wie Robert vorgeschlagen hat.
Viele Grüße
Barbara
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Wenn es keinen Sinn macht, macht es Unsinn.
Hallo,
im Grunde ist das aber eine hohe Fehlerquote. Da würde ich dem Lieferanten mal auf die Füsse treten.
Doch zum Thema: Die DIN ISO 2859 (Annahmestichprobenprüfung) stellt entsprechende Stichprobenpläne unter Berücksichtigung des Prüfniveaus und der AQL zur Verfügung.
Gruß Stefan
geändert von – 2001step on 21/04/2006 23:31:02
Hallo Stefan,
die Stichprobenpläne gibt es zwar, aber das Prüfniveau hat nur sehr, sehr wenig mit dem oben beschriebenen Risiken zu tun.
Irgendwann um 1940 gab es mal Stichprobenpläne, die auf statistischen Überlegungen basierten. Und dann kamen die Kunden (in diesem Fall Bells Lab.) und haben die Pläne nach ihren Vorstellungen abgeändert.
Dummerweise haben sie nirgends beschrieben, was sie wie geändert haben und somit haben die heute verwendeten Stichprobenpläne nach 2859 auch nur sehr wenig mit Statistik zu tun und viel mehr mit „das machen alle so“.
Viele Grüße
Barbara
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Fakten hören nicht auf zu existieren, wenn man sie absichtlich übersieht. (Aldous Huxley)
Hallo Barbara,
anscheinend können alle mit der Norm leben, zumal sie sich auch gerade wieder in der Überarbeitung befindet. Ich denke auch, dass sich diese Norm in der Praxis bewährt hat.
Ferner gibt es noch die DIN ISO 3951: Verfahren und Tabellen für Stichprobenprüfung auf den Anteil fehlerhafter Einheiten in Prozent anhand quantitativer Merkmale (Variablenprüfung.
Gruß Stefan
Hallo Stefan,
da kaum jemandem klar ist, welches Risiko er durch die Verwendung der AQL-Tabellen eingeht und die Formeln zur Berechnung etwas sperrig sind, gehen viele den scheinbar einfachen Weg. (Übrigens gilt für die variablen Tabellen genau dasselbe wie für die attributiven Tabellen: Das Risiko ist nicht einschätzbar.)
Die meisten können sich unter dem statistischen Risiko wenig vorstellen, deshalb versuch ich das mit einem Beispiel deutlich zu machen:
Stell Dir vor, Du hast einen Feuermelder. Der soll Dir anzeigen, ob es brennt oder nicht. Dann hast Du auf der anderen Seite die reale Situation: Es brennt oder es brennt nicht.
Alles ist gut, wenn:
Der Feuermelder keinen Alarm gibt und es nicht brennt.
Der Feuermelder Alarm gibt und es brennt.
So soll das sein.Unschön ist das Ganze, wenn:
1. Der Feuermelder Alarm gibt, obwohl es nicht brennt. (Fehler 1. Art alpha)
2. Der Feuermelder keinen Alarm gibt, obwohl es brennt. (Fehler 2. Art beta)Der Feuermelder entspricht der statistischen Prüfung, das Feuer ist die zu prüfende Lieferung.
Natürlich will *niemand* einen Fehler 1. oder 2. Art begehen. Wenn ich aber nur einen Ausschnitt aus der Gesamtheit sprich eine Stichprobe anschaue, dann habe ich *immer* das Risiko für eine Fehlentscheidung. Um bei dem Feuermelder zu bleiben: Der könnte an der falschen Ecke vom Raum hängen und deshalb nicht reagieren, obwohl es brennt.
Deshalb ist es auch sinnvoll, sich erst über das akzeptable Risiko für eine Fehlentscheidung Gedanken zu machen und dann die Stichprobenplanung. Wie schon gesagt, mit AQL-Tabellen bist Du im Blindflug unterwegs und hast keine Chance, die Risiken zu wählen oder überhaupt anzugeben (jedenfalls nicht mit den Tabellen und Normen).
Ich glaube kaum, dass irgend jemand einen Feuermelder verwendet, der sehr ungenau angibt, ob es brennt oder nicht. Nur wissen leider die wenigsten, warum es sinnvoll ist, sich über die Qualität von Feuermelder sprich statistischen Risiken Gedanken zu machen.
Viele Grüße
Barbara
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Fakten hören nicht auf zu existieren, wenn man sie absichtlich übersieht. (Aldous Huxley)
Hallo Babara,
Deinen Beitrag „Feuerlöscher“ finde ich suuuuuper!
Gute Zeit!
Qualyman – Qualitäter aus Überzeugung und Leidenschaft, auch wenn´s mal Leiden schafft!
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Hallo, Barbara,
dieser Beitrag ist wirklich einleuchtend, darum sollten wir ihn zusammen mit Giovannis Pizzeria zum Grundwissen aller QM’s küren.
Grüße
Heike
Hallo Heike, hallo qualyman,
danke für die Blumen :-)
Ich hab das Beispiel aus einem Buch:
Beck-Bornholdt, Dubben [2005]: Der Hund der Eier legt. Erkennen von Fehlinformationen durch Querdenken. Rowohlt, ISBN 3-499-61154-6, 9,90 €Das kann ich jedem empfehlen, der sich auf unterhaltsame Art mit statistischen Begriffen beschäftigen mag und ganz nebenbei sehr viel zum Thema „So lügt man mit Statistik“ erfahren möchte. (Einziger Nachteil: Sehr viele medizinische Beispiele, kein QM).
Viele Grüße
Barbara
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Fakten hören nicht auf zu existieren, wenn man sie absichtlich übersieht. (Aldous Huxley)
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