QM-Forum › Foren › Qualitätsmanagement › Stichprobengröße und Probenplan
-
AutorBeiträge
-
Hallo zusammen,
nach dem Eintreten eines Schadenfalles wurde eine 100%ige Prüfung der noch vorhandenen 1000 Teile durchgeführt. Diese Menge wiederum entspricht etwa einem Zehntel der bisher produzierten Teile.
Es gibt nur eine 0/1-Entscheidung. Die Quote der Durchfaller in der Stichprobe beträgt acht Prozent.
Wie kann ich nun
a) feststellen was dieses Ergebnis für die anderen Teile bedeutet – sprich ist die Stichprobe ausreichend um mit einer Sicherheit von 95 Prozent die Vorhersage für die retlichen Teile zu treffen?
b) einen sinnvollen Probenplan ableiten, da eine weiterführende 100%ige Prüfung aller in Zukunft zu produzierenden Teile sowohl den Zeit- als auch den Geldrahmen sprengt?Hoffentlich klar ausgedrückt;-)
Gruß,
Frederick…ähhhmmmm….
das ist nicht zufällig eine Hausaufgabe oder Prüfungsfrage???
Denn die Antwort aus der Praxis lautet: Wenn Du von 10.000 Teilen 1.000 prüfst und hast 8% schlechte, wird der Rest nie im Leben so gut sein, daß der Kunde sie akzeptiert (nebenbei, WAS der Kunde akzeptiert, hast Du nicht geschrieben). Und einen Probenplan kannst Du auch vergessen: Bring‘ Deinen Herstellprozeß in Ordnung und bis dahin hängst Du halt auf der 100%-Prüfung. Ist billiger, als den Kunden zu verlieren.
Schöne Grüße
Frank
„Mother, should I trust the government?“ (Pink Floyd / THE WALL)
Hallo Frederick,
willkommen im Qualitäter-Forum :)
Die Antwort auf Deine Frage ist: Es kommt darauf an.
Wenn die jetzt geprüften 1000 Teile genauso gefertigt worden sind wie die 9000 ausgelieferten Teile, kannst Du davon ausgehen, dass die 8% auch für die 9000 Teilen gelten. Wenn Ihr allerdings zwischendrin immer mal wieder am Prozess rumgeschraubt habt, kann die Ausschussrate in den 9000 Teilen sowohl kleiner als auch größer sein.
Bei der Frage wie viele Teile geprüft werden müssen, um eine ausreichende Absicherung zu bekommen, brauchst Du zwingend eine Definition von „ausreichende Absicherung“.
Verwendet werden hier zwei Kennzahlen:
1. Wo ist die Grenze, d. h. ab welcher Ausschussrate müsst Ihr eingreifen (z. B. 9%, 10%, 12%,…)? Dieser Wert ist auf jeden Fall größer als 8%, denn Du kannst nur eine Verschlechterung absichern und nie mit einer Stichprobenprüfung eine bessere Ausschussrate im Prozess erreichen. (Du kannst theoretisch auch eine Veränderung nach unten absichern, aber das ist für Deine Aufgabenstellung vermutlich weniger sinnvoll.)2. Wie sicher muss Eure Entscheidung sein, d. h. wie groß darf das Risiko für „Ausschussanteil ist größer als magische Grenze X und das wird bei der Stichprobenprüfung übersehen“ sein (Risiko für Fehler 2. Art beta)? Übliche Werte für Nebenfehler ist ein maximal tolerierbares Risiko von 10-20%, bei Hauptfehlern von 5% und bei kritischen Fehlern von 1%.
Nehmen wir mal ein paar Beispielzahlen:
Ausschussrate 8%
Grenzwert für Ausschussrate 10%
maximal tolerierbares Risiko für Fehler 2. Art beta=1%
maximal tolerierbares Risiko für Fehler 1. Art alpha=5% (Risiko für Fehlalarm)notwendiger Stichprobenumfang zur Absicherung
n = 3273Ups.
Das ist übrigens der Grund, warum es deutlich effizienter ist mit messbaren Größen zu arbeiten als mit 0/1-Merkmalen.
Du kannst aber auch anders herum rechnen. Nehmen wir mal an, Ihr prüft n=1000 Teile:
Ausschussrate 8%
maximal tolerierbares Risiko für Fehler 2. Art beta=1%
maximal tolerierbares Risiko für Fehler 1. Art alpha=5% (Risiko für Fehlalarm)
Stichprobenumfang n=1000Sicher identifizierbarer Ausschussrate:
Ausschussrate > 11,78%Je kleiner der Stichprobenumfang ist, desto später merkst Du erst eine Prozessverschlechterung (zu hohe Ausschussrate). Wenn Du z. B. nur 500 oder 100 Teile prüfst, steigt die sicher identifizierbare Ausschussrate an:
Ausschussrate 8%
maximal tolerierbares Risiko für Fehler 2. Art beta=1%
maximal tolerierbares Risiko für Fehler 1. Art alpha=5% (Risiko für Fehlalarm)a) Stichprobenumfang n=500
Sicher identifizierbarer Ausschussrate:
Ausschussrate > 13,56%b) Stichprobenumfang n=100
Sicher identifizierbarer Ausschussrate:
Ausschussrate > 22,12%Du kansnt natürlich auch nach Norm prüfen (AQL DIN:ISO 2859-1). Die Anwendung dieser Norm ist aus statistischer Sicht nicht empfehlenswert (da findest Du über die Suche-Funktion ganz viel zu in diesem Forum). Du kriegst für einen Losumfang von 10000 Teilen mit AQL=10% für normales Prüfniveau einen Stichprobenumfang von n=315. Bei denselben Kennzahlen wie oben für alpha=5%, beta=1% und die Ausschussrate bekommst Du dann:
Stichprobenumfang n=315
Sicher identifizierbarer Ausschussrate:
Ausschussrate > 15,22%Ich befürchte, keine dieser Zahlen macht Dich so richtig glücklich.
Vielleicht ist es sinnvoller, anstatt über die Prüfungen über eine Prozess-Optimierung nachzudenken, damit Ihr von den 8% runterkommt? Denn wenn Ihr nur Gutteile liefern wollt, müsst Ihr sowieso 100% prüfen, um den Ausschuss rauszusortieren (wie Frank auch gerade schon geschrieben hat).
Viele Grüße
Barbara
_____________________________________
Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker)Hallo Frank,
…ähhhmmmm….
das ist nicht zufällig eine Hausaufgabe oder Prüfungsfrage???
nein, leider real life.
Denn die Antwort aus der Praxis lautet: Wenn Du von 10.000 Teilen 1.000 prüfst und hast 8% schlechte, wird der Rest nie im Leben so gut sein, daß der Kunde sie akzeptiert (nebenbei, WAS der Kunde akzeptiert, hast Du nicht geschrieben).
Wir setzen uns hier selbst unter Druck, wie gesagt nach einem Schadensfall beim Kunden Die Bauteile werden bei einem Druck geprüft, der dem 2,5fachen des Betriebsdruckes entspricht. Dabei kommt es zur Zerstörung oder nicht – daher die 0/1-Entscheidung.
Und einen Probenplan kannst Du auch vergessen: Bring‘ Deinen Herstellprozeß in Ordnung und bis dahin hängst Du halt auf der 100%-Prüfung. Ist billiger, als den Kunden zu verlieren.
Wäre es nicht sinnvoller dem Kunden die Grenzen der Einsatzbarkeit des Produktes nahe zu bringen als Zeit und Produkte zu vernichten ohne Aussicht auf Ausfallsicherheit? Denn das Bestehen des Drucktestes garantiert eben diese nicht – mußten wir gerade schmerzhaft feststellen. Und daher die Frage nach der Bewertbarkeit meiner Ergebnisse. Diese bilden schließlich nur die tatsächlichen Verhältnsse ohne Aussicht auf Änderung durch mich ab. Denn die Qualität des Bauteiles liegt leider nicht in meiner Hand. Diese werden zugeliefert, ich bearbeite diese.
Gruß,
FrederickHallo Frederick,
ja, es wäre defintiv sinnvoll mal mit dem Kunden über die Anwendung und die Grenzen zu sprechen.
Solange es da keine Veränderung gibt, könnt Ihr aber auch schon etwas machen: Nehmt Euch ein paar Teile (gerne auch ein paar mehr) und prüft, bei welchem Druck sie ausfallen. Daraus könnt Ihr dann berechnen, wie haltbar die Dinger sind.
Nachteil: Zerstörende Prüfung
Vorteil: Messdaten über die DruckbelastungsfähigkeitDas dürfte allerdings keine wirklich zielführende Prüfung sein, jedenfalls dann nicht, wenn das Teil in der Anwendung dauerhaft Druck ausgesetzt ist. Das könnte nur dann ansatzweise funktionieren, wenn das Teil 1 Mal im Betrieb belastet wird und dabei einen Druck von 1,0bar zuverlässig aushalten soll.
Ansonsten bist Du mit dieser Aufgabenstellung nämlich nicht im Bereich der üblichen Stichprobenprüfung, sondern im Bereich der Lebensdauerprüfung. Da gelten andere Konzepte und Anforderungen, z. B. eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 99,9999% nach 10000 Betriebsstunden unter 1,0bar Druck.
Da Ihr nur 1 Schadensfall bislang habt, könnte es sein, dass Eure Teile besser sind als die Prüfergebnisse in der 2,5bar-Prüfung vermuten lassen (jedenfalls wenn die Dinger schon länger beim Kunden verbaut wurden, der Prozess stabil ist und es bislang keine Probleme gab).
Wenn Ihr die 9000 Teile erstmalig geliefert habt, könnte aber auch eine Schadensfall-Welle auf Euch zukommen, wenn die Bauteile im Betrieb nach und nach (und viel zu früh) ausfallen.
Deshalb wäre es sinnvoll, mehr über die Belastungsfähigkeit Eurer Bauteile zu wissen. Das würde dann auch wieder bei den Gesprächen mit dem Kunden helfen, weil Ihr belastbare Daten hättet. Und Ihr könntet abschätzen, wie groß das Risiko für einen weiteren Schadensfall ist, und wenn es zu groß ist, weitere Maßnahmen umsetzen (Rückrufaktionen, etc.) Das wäre sicherlich unschön, aber immer noch besser als weitere Schadensfälle.
Viele Grüße
Barbara
_____________________________________
Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker)Hallo Frederick!
Das hört sich für mich nach entweder mieser Anwenderberatung oder einem ziemlich üblen Konstruktionsfehler an. Je nach Druckbereich (?) sollte man das vielleicht schnell abstellen, bevor jemand zu Schaden kommt.
Achtung:
1. Statische Belastbarkeit ist nicht Dauerbelastbarkeit. Du mußt für Lastwechsel ca. den 4-fachen Wert des Nominaldrucks vorhalten. Oder halt eine Typprüfung über Lastwechsel: 1 Mio Stück.
2. Hast Du Dich mit dem Fertigungsprozeß und seinen möglichen Streuungen beschäftigt? WAS genau versagt? Schweißnaht? Wenn ja: Hat die Konstruktion jemals ein Schweißfachingenieur gesehen?
Schöne Grüße von einem einschlägig vorgeschädigten!
Frank
Hallo Barbara,
zuerst einmal vielen Dank für Deine vorhergehenden Ausführungen. Meine Erfahrungen in anderen Foren waren bisher die, theoretisch mit viel Mathematik abgespeist zu werden. Deine Beispiele und Vergleiche sind einfach goldwert!
Die zerstörende Prüfung meiner Keramikteile habe ich parallel zu der Ausgangsprüfung „Drucktest“ bereits angestoßen. Das Ergebnis dieser Probekörper ist noch auf die Bauteile umzurechnen. Aus meinen ersten untauglichen Schritten auf diesem Gebiet – Weibull war mir bisher völlig fremd – weiß ich, daß ich genau in die von Dir beschriebene Lebendauerbetrachtung geraten werde. Leider gibt es bei Keramik nur den katastrophalen Schadensfall ohne Vorwarnung. Der Einsatzfall selbst sieht eine bestimmte Druckbelastung vor. Wenn ich also mit einer Versagenswahrscheinlichkeit von einem Promille diese Druckbelastung unterschreite, dann … ist das Produkt tot.
Diese Versagenswelle steht nicht zu befürchten. Bisher war es jedem Kunden klar, daß die Teile nur einen bestimmten Druck aushalten und dieser auch nicht kurzfristig überschritten werden darf. Im vorliegenden Fall gibt es keine Informationen zum Schadenshergang, nur eben die Vermutung eines zu hohen Druckes. Daraufhin sprangen wir über das Stöckchen des Kundens und begannen mit der 100%-Prüfung…
Tja, und diese kann doch nicht der Weisheit letzter Schluß sein, oder?
Kurz, ich habe zwei Datenhaufen: die 0/1-Entscheidung aus der Druckprüfung am Bauteil und die Berstdruckfestigkeit aus den Probekörpern. Beides soll nun sinnvoll verknüft werden zu einer Prüfvorschrift. Verrückt, oder?
Nicht aus den Augen lassen darf ich nämlich den finanziellen Aufwand: Die Vernichtung von vergegenständlichter Arbeit kann nicht sinnvoll sein wenn ich dazu zusätzlichen personellen Aufwand habe – und der Preis des Produktes in Zukunft eher sinken als steigen soll.
Also, Quadratur des Kreises!
Vielen Dank an alle für die herzliche Aufnahme.
Gruß,
FrederickDas Problem liegt bei Euch aber wohl etwas tiefer im Detail und ist ziemlich komplex:
Zerstörende Prüfungen schreien stets nach „Validierung“.
Dazu muss man eine Reihe von Produkten bis über die Belastungsgrenze hinaus „zerschießen“, was Ihr offensichtlich gemacht habt.
Offensichtlich geht Ihr mit Eurem Produkt auch an die „natürlichen“ Belastungsgrenzen.Eine 0/1 Aussage bedeutet jedoch eine erhebliche Datenreduktion (gegenüber dem jeweiligen, einzelnen Bruchfestigkeitswert).
Anders ausgedrückt: Bestimmt und wertet die Drücke / Kräfte aus, bei denen die vermeintlichen Gut-Teile brechen / bersten.
Bei zensierten Daten (wenn also nur bis zu einer bestimmten Grenze belastet wird) wird’s ’ne Schippe schwieriger, aber nicht unmöglich.Es geht um das Zusammenspiel von Biegefestigkeit, Bruchzähigkeit, Elastizitätsmodul etc, bei einer Mischung aus Material- und Designeinflüssen.
Bei Keramiken sollten die Belastungsgrenzen über die „Wöhlerkurve“ bestimmt werden, welche anhand von praxisnahen, üblicherweise dynamischen Belastungssimulationen bestimmt wird (mit Druckwechsel).
Letztlich geht’s um die Bestimmung der Ausfallwahrscheinlichkeit und um die Akzeptanzgrenzen.
Und dann müssen die Herstellungsprozesse über die allgemeine QS in einen reproduzierbaren Zustand versetzt werden.
Viele Grüße
QM-FK
—
Don’t think it – ink it.Hallo zusammen,
ich bin neu hier und habe eine Frage, die ganz ähnlich zu der von Frederick ist.
Es geht um produzierte Teile, die nur attributiv (und dabei zerstörend) geprüft werden können. Ziel ist eigentlich eine Null-Fehler-Produktion.
Habe durch Minitab schon über „Trennschärfe und Stichprobenumfang für Test von Anteilen“ unglaublich hohe Stichprobenumfänge ausgerechnet.
Meine Frage ist nun: der Stichprobenumfang bezieht sich doch auf die Grundgesamtheit? Welchen Schluss kann ich daraus ziehen, wenn ich aber pro Stunde aus der laufenden Produktion Teile prüfen möchte? Die Parameter ändern sich ja leider während der laufenden Produktion aufgrund verschiedener Einflüsse immer. Kann man überhaupt eine Stichprobengröße pro Stunde angeben? Oder evtl. pro Tag? Oder zumindest sagen, wie viele Teile nach einem bestimmten Zeitraum geprüft werden sollen?Besten Dank schonmal
Willkommen im Forum, Wiesel.
Welche(n) Parameter misst Ihr denn?
Reißfestigkeit o.ä.?
Dann kann man das Vorhergesagte auf solche Werte übertragen.Wie gesagt: Attributive Aussagen benötigen den größten Stichprobenumgang, um statistisch signifikante Aussagen zu treffen.
Besser sind schon rangskalierte Daten (Noten). Aber wenn möglich, nehmt ein Messverfahren und ein Ereignis (Bruch, Verbiegen, Widerstand oder was auch immer) und arbeitet mit den Rohdaten.
Lediglich die Skalierung der Rohdaten verändern (z.B. durch die Verwendung der Logarithmen der Werte), wenn man die Auswertetools verwendet, welche auf der Normalverteilung beruhen.Viele Grüße
QM-FK
—
Don’t think it – ink it.Hallo Wiesel,
attributiv zu prüfen ist immer mit einem hohen Stichprobenumfang verbunden, wenn Du eine kleine Veränderung in der Ausschussrate absichern willst oder eine hohe Trennschärfe (1-beta) brauchst.
Hast Du einen Prozess, bei dem die tatsächliche Ausschussrate bei p0=100ppm = 0,01% liegt und willst eine Absicherung für p1=20%, brauchst Du nur 23 Teile zu prüfen.
Hast Du eine Ausschussrate von p0=0,01% und willst p1=5% absichern, brauchst Du nur 17 Teile, um eine Trennschärfe von 1-beta=80% zu erreichen.
Dummerweise sind in der Praxis weder die kritische Differenz so groß noch die Trennschärfe-Mindestwerte so niedrig. Und ja, der Stichprobenumfang gilt für die Grundgesamtheit.
Du kannst Deine Stichproben-Teile natürlich auch aufteilen, also z. B. jede Stunde 5 Teile prüfen. Bei einem Gesamt-Prüfaufwand von 500 Teilen bedeutet das, dass Du nach 100h (entspricht insgesamt 5*100=500 Teilen) eine abgesicherte Entscheidung zur Ausschussrate bekommst, also nach ca. 6 Werktagen, wenn im 2-Schicht-Betrieb gearbeitet wird (16 Prüfungen pro Tag). Wenn das ausreicht, kannst Du das so machen.
In der Konsequenz heißt das aber, dass Du bei einer zu hohen Ausschussrate die gesamte Wochenproduktion wegwerfen/nacharbeiten/sortieren müsstest und vorsichtig mit der Auslieferung VOR erfolgreich bestandener Prüfung sein solltest.
Allerdings gelten die berechneten Stichprobenumfänge (und auch die AQL-Werte) für die attributive oder variable Prüfung immer nur für stabile Prozesse, nie für instabile / nicht-vorhersehbare Prozess-Ergebnisse. Denn eine Stichprobenprüfung kann immer nur Absichern, nie verbessern/stabilisieren.
Um den Prozess vorhersagen zu können, müsstest Du als erstes ein funktionierendes mathematisches Modell für den Prozess haben. Bei attributiver Prüfung ist das ein (binäres) logistisches Regressionsmodell (oder auch Logit-Modell), in dem der Einfluss von Prozess-Parameters auf die Wahrscheinlichkeit für Ausschuss beschrieben wird.
Bekannte Beispiele für logistische Modelle kennen wir alle aus der Medizin: Regelmäßiger Sport senkt das Risiko für einen Herzinfarkt (Herzinfarkt ja/nein = attributive Prüfung) oder auch gesunde Ernährung schützt vor Diabetes Typ II (Diabetes ja/nein = attributive Prüfung). Ein logistisches Modell liefert dann Ergebnisse wie beispielsweise „Bewegungsmuffel haben ein 5fach höheres Risiko für einen Herzinfarkt“ oder „Wer 1 Mal pro Woche Fast Food isst, erhöht sein Diabetes-Risiko um den Faktor 1,5“ (Beispielwerte).
Dieses Prinzip lässt sich auch direkt auf Prozesse anwenden, um den Effekt von Prozess-Parametern auf die Auschussrate zu beschreiben. Z. B. könnte eine Erhöhung der Temperatur um 1°C mit einer Reduzierung des Risikos für Ausschuss um den Faktor 2 verbunden sein oder die Verwendung von Material B (statt A) mit einer Erhöhung des Risikos um den Faktor 4. Neben den direkten Effekten durch Prozess-Parameter lassen sich in einem solchen Modell auch Wechselwirkungen und/oder quadratische Einflüsse untersuchen, also z. B. den Effekt durch die Temperatur*Material-Kombination oder der Einfluss durch die Temperatur^2.
Solange Du einen instabilen Prozess hast und das Ergebnis nicht mathematisch beschreiben kannst, brauchst Du Dir über Stichproben-Pläne zur Absicherung keine Gedanken zu machen. Hier ist erstmal Verstehen und Beschreiben des Prozesses dran, eventuell gefolgt von einer Optimierung.
Viele Grüße
Barbara
_____________________________________
Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker) -
AutorBeiträge
- Sie müssen angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.