SiFA-Frage2009-10-21T11:52:35+01:00

QM-Forum Foren Qualitätsmanagement SiFA-Frage

Ansicht von 13 Beiträgen – 1 bis 13 (von insgesamt 13)
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  • Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo zusammen,

    ich hab mal eine Frage an die SiFas unter Euch: Darf man an einer „gefährlichen“ Maschine alleine in der Halle arbeiten?

    Hintergrund: In einer Firma wird in der Produktion mit Schneidemaschinen gearbeitet. In der Vergangenheit gab es mehrere Unfälle, bei denen Finger abgetrennt, Arme gequetscht, usw. wurden. (Ursache war Unachtsamkeit des Maschinenbedieners.)

    Auf Grund der momentanen Auftragslage kommt es häufiger vor, dass ein Werker in der Spät-/Nachtschicht alleine in einer Werkshalle ist. Die offizielle Vorgabe ist, dass jeder ein Handy mit sich führt, über das er im Notfall den Pförtner erreichen kann.

    Es kann allerdings vorkommen (ist auch schon passiert), dass der Griff in die Tasche & das telefonieren bei einem Unfall nicht möglich war (ungünstige Körperhaltung die alleine nicht beendet werden konnte, Bewusstlosigkeit nach Schlag gegen den Kopf).

    Der (bisher zum Glück noch nicht eingetretene) Worst-Case wäre, dass ein verunfallter Maschinenbediener erst mit Beginn der nächsten Schicht gefunden würde. Bisher war die maximale Wartezeit bis Hilfe gerufen werden konnte 30 Minuten (was meiner Meinung nach auch deutlich zu lange ist).

    Deshalb würde ich gerne Eure Einschätzung dazu haben: Ist diese Sicherheitsregelung mit dem Handy in der Hosentasche Eurer Meinung nach ausreichend?

    Viele Grüße

    Barbara

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    Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
    (Ernest Rutherford, Physiker)

    qualitaet-2006
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 93

    Hallo,

    nein. Es greift BGV A1 §25, BGR 139 „Einsatz von Personen-Notsignal-Anlagen“.

    Viele Grüße
    Stefan

    — Auf der Straße zum Erfolg sind immer wieder Baustellen —

    evereve99
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 1038

    Hallo Barbara,

    letztlich werden die Maßnahmen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festgelegt, für die der Betrieb alleine verantwortlich ist (Gibt es diese für diesen Arbeitsplatz und was sagt diese aus?).

    Das von dir beschriebene Unfallgeschehen lässt mich aufhorchen, mich wundert, dass sich da noch niemand von der BG interessiert und evtl. weitere Schutzmaßnahmen angeordnet hat.

    Gibt es eine Möglichkeit, den Bediener wirkungsvoll von der Gefahrenstelle abzuschirmen, in dem man die Maschine umrüstet (immer die erste Wahl der Maßnahmen)?

    Grundsätzlich verboten ist es nicht, an diesem Arbeitsplatz alleine zu arbeiten, um etwas zu deiner Eingangsfrage zu sagen.

    „Deshalb würde ich gerne Eure Einschätzung dazu haben: Ist diese Sicherheitsregelung mit dem Handy in der Hosentasche Eurer Meinung nach ausreichend?“

    Du gibst dir die Antwort eigentlich ja schon selber, wenn ich nicht telefonieren kann nutzt mir das schönste Jamba-Sparabo auch nix mehr.

    Aus meiner Sicht und per Ferndiagnose: Nicht aktzeptabel. 30 Minuten mit abgerissenen Gliedmaßen, ne, ohne mich….

    (Evereve, der am Wochende mit dem rot-weissen Auto fahren durfte und jetzt mit genähter Risswunde am Arm am Schreibtisch sitzt…..)

    Gruß

    Evereve99

    „Hast Du die ganzen Ausrufezeichen bemerkt? Fünf? Ein sicheres Zeichen für jemanden, der seine Unterhose auf dem Kopf trägt.“
    – TERRY PRATCHETT, MUMMENSCHANZ

    Michael
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 1490

    Hallo!

    Ebenfalls ganz klar: Nein und auch nicht zulässig. z. B. Ersthelfer nicht vorhanden, der Mitarbeiter kann ja auch „nur“ Ohnmächtig werden und wird nicht gefunden.

    Gruß
    Michael

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Ihr Drei,

    super, super, super! Ich liebe dieses Forum :)

    In weniger als 1 h drei hervorragende Beiträge, die meine Frage beantworten.

    Danke sagt

    Barbara

    PS: Wer das nochmal nachlesen möchte, hier der Link zur BG-Regel 139.

    Es greift bei der beschriebenen Situation schon die „Gefährdungsstufe: kritisch (Im Notfall ist die Person nicht mehr handlungsfähig)“, da in dieser Situation entweder eine zweite Person oder eine Personen-Notsignal-Anlage oder ein Monitor eingesetzt werden *muss*. Das Mobiltelefon ist explizit als Personen-Notsignal-Anlage ausgeschlossen, da kein willensunabhängiger Alarm (z. B. bei Ohnmacht) ausgelöst wird.

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    (Ernest Rutherford, Physiker)

    geändert von – Barbara on 21/10/2009 15:02:25

    hccv
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 314

    ach menno,

    n paar stunden ein internes audit machen, und prompt kommt ne frage im forum, auf die ich depperl auch mal hätte antworten können.. :-)

    Schönen Abend,
    Christoph

    Sapere aude! Kant den schon jemand? :-)

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Und hier noch ein Beitrag von Heinrich Schrenker (Profil), der mich per Mail mit der Bitte um Veröffentlichung erreicht hat:

    >>>Hallo Barbara,

    ich setze sogar noch eins drauf ;-)

    Die Sicherheitsregelung mit dem Handy in der Hosentasche ist keine solche, sondern Augenwischerei, eine Maßnahme nach „P“, siehe unten.

    In dem beschriebenen Unternehmen scheint kein ASM – System installiert zu sein.

    Ansonsten hätte jeder einzelne Unfall bereits über jeweils eine interne Unfallmeldung jeweils eine Einzelunfalluntersuchung ausgelöst. –> Kopie für Vorgesetzten + UL + SiFa + BA + ASA, –> Unfalluntersuchung, –> Input für nächsten ASA

    Das hat mit der externen Unfallmeldung ab 3. Tag an die BG nix zu tun, die werden dort vermutlich eh nicht zu dem Zweck der präventiven Unfallverhütung ausgewertet.

    Die von evereve99 genannte Gefährdungsbeurteilung ist im Regelfall eine vorausschauende ~, keine wie hier notwendig, rückschauende ~. Wenn die vorausschauende tatsächlich durchgeführt wurde, muss sie nicht unbedingt was ergeben haben.

    Der Sprachgebrauch (Ursache war Unachtsamkeit des Maschinenbedieners.) lässt schwer darauf schließen, daß der disziplinarisch Vorgesetzte herunterspielt und sich über die Konsequenz seiner wiederholten Unterlassung des sofortigen Eingreifens nicht bewusst ist.

    Ein Staatsanwalt leitet daraus Vorsatz ab.

    Die bei einem ASM abgeleiteten Maßnahmen TOP (Technik, Organisation, Persönliches) von oben nach unten scheinen nicht zu greifen.

    Und die summierte Behandlung aller Untersuchungsergebnisse über den vierteljährlichen ASA (ArbeitsSicherheitsAusschuss) scheint ebenfalls nicht zu klappen.

    Muss denn der Worst-Case wirklich erst eintreten, bevor Menschen zu lernen und zu denken beginnen?

    Gruß

    Heinrich Schrenker<<<

    Edit: Unteren Abschnitt beim Kopieren vergessen.
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    Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
    (Ernest Rutherford, Physiker)

    geändert von – Barbara on 22/10/2009 09:14:03

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Heinrich und Ihr anderen,

    an dieser Firma hätte Potemkin seine wahre Freude: Alles glänzt und nichts funktioniert. Und selbstredend sind die auch TS-zertifiziert…

    Da gibt es bestimmt eine SiFa, die genauso wie alle andere Funktionsträger nach dem Prinzip „der/die hält die Schnauze“ ausgewählt wurde. (Ich kenn die Firma schon länger und die ist kein Kunde von mir.)

    Selbstredend haben die Maschinenbediener schon versucht, die Maschinen sicherer zu machen. Die Vorgesetzten sind daran nur mäßig interessiert. An der einen oder anderen Stelle geht das nur leider nicht. Das läuft dann nach dem Motto „Wenn man aufpasst, passiert schon nichts.“

    Ich finde es auch erstaunlich, dass trotz diverser Unfälle noch keine entsprechende Anweisung gemacht wurde. (Wenn ich zynisch wäre könnte ich sagen, dass ja noch niemand gestorben ist.)

    Manchmal bin ich wirklich entsetzt über Produktionsbedingungen in Deutschland und das bezieht sich nicht nur auf diese Firma. Irgendwie scheint das System noch deutlich zu viele Lücken zu haben…

    @evereve: Gute Besserung!

    @hccv: Es ist wirklich ärgerlich, dass man durch so unwichtige Nebensächlichkeiten wie interne Audits vom Forum abgelenkt wird ;)

    Viele Grüße

    Barbara

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    (Ernest Rutherford, Physiker)

    evereve99
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 1038

    „Die von evereve99 genannte Gefährdungsbeurteilung ist im Regelfall eine vorausschauende ~, keine wie hier notwendig, rückschauende ~. Wenn die vorausschauende tatsächlich durchgeführt wurde, muss sie nicht unbedingt was ergeben haben.“

    Stimme ich zu. ABER: Wenn in einer Gef.-beurteilung an einer solchen Maschine KEIN Gefahrenpotential entdeckt worden sein sollte, will ich aber diese Beurteilung doch ganz schwer anzweifeln!

    Hier wären wir dann zwischen Fahrlässig oder Unfähig!

    Dass hier keine Unfallanalysen stattfinden scheint mir auch korrekt zu sein.

    Gruß

    Evereve99

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    QMarc
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 925

    Moin zusammen,

    das wichtigste scheint gesagt zu sein.
    Was mich wundert ist,
    – dass Unfälle ohne weitere Maßnahme toleriert wurden und
    – dass weder die BG noch die Behörde dazu Auflagen gemacht haben.

    Schwere Unfälle sind meldepflichtig und bei den beschreibenen Verletzungen kann es unmöglich sein, dass diese der BG verborgen geblieben sind.
    Die BG hätte Maßnahmen vorschreiben müssen!

    Mir scheint es so, als ob die Anlage selber umgerüstet werden muss und nicht nur annähernd den Forderungen der Maschinenrichtlinie entspricht. Auch dies wäre ein Thema für die BG.

    Noch eine Anmerkung legaler Art:
    Eine BGR gibt den Stand der Technik wieder, ist also ein Hilfsmittel um BGV sowie Gesetze und Verordnungen umzusetzen. Sie entspringt dem Präventionsauftrag der technischen Aufsichtsbeamten.

    Als solche sind sie keine „muss“-Regelung, sondern eher eine „kann“- oder „nach-Möglichkeit-umzusetzen“-Regel.

    Das Unternehmen kann von den Angaben in der BGR abweichen, so es denn den gleichen (!) Schutzstatus herstellt. Das Mittel um dieses zu prüfen ist (es wurde bereits gesagt) die Gefährdungsbeurteilung.
    [Diese Anmerkung an dieser Stelle für Auditoren, die sich nicht der rechtlichen Relevanz von BGR und BGI sicher sind].

    In diesem Sinne, frohes und vor allem sicheres Schaffen,
    Qmarc

    Frank_Hergt
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 1530

    … und bei uns fliegt ein potentieller Lieferant in China durch’s Raster, nur weil dort jemand mit einer langen Zange von Hand glühende Flanschrohlinge in die Schmiedepresse einlegt.
    Bei den Fertigunsbedingungen in Deutschland, die hier geschildert werden, brauche ich mir über Verschlechterungen durch Verlagerungen nach Südostasien wirklich keine Gedanken mehr zu machen…

    Schöne Grüße

    Frank

    „There’s no problem too great for running away from it.“ (Charlie Braun)

    Anonym
    Gast
    Beitragsanzahl: 2122

    Hallo,

    das ist zwar etwas drastisch – trotzdem hier ein Video zu diesem Thema „Alleine an einer gefährlichen Maschine arbeiten“:

    http://www.liveleak.com/view?i=a96_1256201352

    Der Mann hätte überlebt, wenn er nicht alleine in dem Raum gearbeitet hätte !

    Es gibt im Internet jede Menge anschauliches Videomaterial für Schulungszwecke im Umgang mit gefährlichen Stoffen / gefährliche Arbeiten.

    Ich selbst hab mir dazu eine kleine Linksammlung angelegt, die ich für Schulungszwecke einsetze – so als Tipp !

    Hier z.B. das Thema „Umfüllen von brennbaren Flüssigkeiten“ : Was passieren kann, wenn die Gefässe nicht geerdet sind:

    http://www.liveleak.com/view?i=9bd_1247024161

    Gruß,

    Martin S

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Martin,

    danke für die beiden Links. Die Videos zeigen wirklich sehr klar, was passieren kann wenn Arbeitsschutz vernachlässigt wird. Und sind beide nichts für schwache Nerven.

    Viele Grüße

    Barbara

    _____________________________________

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    (Ernest Rutherford, Physiker)

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