QM-Forum › Foren › Qualitätsmanagement › Risikoanalyse f. Medizinprodukte – Risikoschätzung
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AutorBeiträge
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Hallo allerseits,
seit kurzem bin ich mit der Durchführung einer Risikonanalyse für ein Medizinprodukt beauftragt. Meines Erachtens geht aus den Normen (DIN 14971, DIN 60601-1-4) eindeutig hervor, dass eine Auftrittswahrscheinlichkeit für eine Gefährdung oder einen Schaden zu berechnen ist. Allerdings habe ich auch von verschiedener Seite gelesen, dass die Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten für Gefährdungsursachen ausreichend ist (z.B. Qware RiskManager).
Ein Beispiel:
Nehmen wir an die Gefährdung heißt Fehldiagnose und ihr Auftreten wird als „kritisch“ (Ausmaß) und „wahrscheinlich“ (Häufigkeit) bewertet. Als Ursache kommen folgende Ereignisse in Frage:
Ursache1: Fehlbedienung Maus; Gefährdung: Fehldiagnose; Wkt: gelegentlich
Ursache2: Fehlbedienung Tastatur; Gefährdung: Fehldiagnose; Wkt: gelegentlichDurch geschickte Zerlegung der Ursachen konnte hier also ein Eintrag [kritisch, wahrscheinlich] im Risiko-Graphen vermieden werden, der im nicht-akzeptablen Bereich gelegen hätte. Dafür wurden zwei Einträge im ALARP-Bereich [kritisch, gelegentlich] erzeugt. Durch weitere Ursachenzerlegung könnte man sogar den „grünen“ Bereich erreichen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass dadurch die Norm erfüllt wird, oder?
MFG
SteffenHallo Steffen,
verlass Dich nicht auf den Qware Riskmanager. Der deckt die Norm nicht hundertprozentig ab!
Bei der Risikoanalyse geht es um die kritische Auseinandersetzung mit den Risiken, die vom Medizinprodukt ausgehen. Mit einer „geschickten Zerlegung“ und der Vermeidung ungünstiger Einträgen würdest Du das Produkt nur schönreden. Du würdest vielleicht damit der Norm entsprechen, aber die Risiken hast Du damit nicht gemindert bzw. Dein Produkt ist nicht sicherer geworden. Eine einfache Abschätzung der Wahrscheinlichkeiten reicht m. E. nicht aus.
Der Risiko-Graph beim Qware-Riskmanager ist nur ein Beispiel. Du selbst kannst für Eure Belange einen eigenen Risiko-Graphen definieren; inlusive der Auftrittswahrscheinlichkeit und des Schweregrades.
Nach der Risikoabschätzung werden Maßnahmen zur Verringerung der Risiken durchgeführt.
Die Risiken sollten nach den durchgeführten Maßnahmen soweit minimiert werden, dass sie vertretbar sind. Zur Vertretbarkeit eines Risikos: siehe Kapitel E.3 der EN ISO 14971Abschluss der Risikoanalyse mit einer Begründung, dass der medizinische Nutzen des Produkts überwiegt. Achtung: eine derartige Formulierung ist (derzeit) nicht im Riskmanager enthalten!
Gruß
g.Hallo Steffen,
wenn Du die Fehldiagnose mit ‚kritisch‘ bewertest, dann bleibt das auch immer so, es sei denn, Du würdest eine konstruktive Maßnahme dagegen in Dein Gerät einbauen.
Ein Bedienfehler durch den User wird allerdings in aller Regel von der FDA nicht mit ‚gelegentlich‘ akzeptiert, wenn nicht massive Warnmeldungen dagegen gesetzt werden. Ohne diese Maßnahmen wird da eher ‚wahrscheinlich‘ als richtige Bewertung stehen. – Damit wirst Du allerdings dann kaum noch im ALARP-Bereich landen, egal, wie Du Deinen Graphen gestaltet hast!
Ansonsten muss ich sagen, dass der RiskManager bisher immer alle Prüfungen durch Benannte Stellen etc. bestanden hat, da man die abschließende Einschätzung des Restrisikos sehr wohl beim Abschließen der Version einbringen kann.Wenn Du weitere Fragen hast, dann melde Dich…
Gruß
Der BeraterHi Steffen,
kann mich meinem Vorredner nur anschließen. Durch eine Ursachenzerlegung wirst du keine Risikominderung bei deiner benannten Stelle durchbekommen. Ich habe mittlerweile schon über 16 Produkte zertifizieren lassen, wenn das so einfach wäre könnte ich mir nächste Woche einen neuen Job suchen…
Übrigens arbeiten wir auch mit dem Qware Riskmanager und hatten nie Probleme mit der Zertifizierung, im Gegenteil wurde die Risikomanagement Akte von unserer benannten Stelle immer gelobt.
Gruß
SamuelHallo zusammen,
hier geht es ja immer mehr um den Risk-Manager. Ich verwende ihn auch, aber bisher war das, was ich aus diesem Programm rausholen konnte noch unvollständig und musste lt. unserer Benannten Stelle nachgebessert werden.
Dazu ist das mitgelieferte Beispiel (Kaffeemaschine) eher eine FMEA als eine Risikoanalyse. Die von (Eurospec + Nachfolger) gebotene Methode, um eine Risikoanalyse zu erstellen, wird so nicht in der Norm gefordert. Man denkt dadurch in die falsche Richtung (in das Gerät! Nicht vom Gerät weg, wie es sein sollte). Dies wurde mir auch von einem Mitglied des DIN ISO 14971-Normenausschusses bestätigt.
Aber trotzdem: Der Q-Ware Riskmanager ist ein brauchbares Tool zur Erstellung und Verwaltung der Risikoanalyesen für Medizinprodukte.
Gruß
g.geändert von – generaldirektor on 01/06/2005 15:53:27
Hallo nochmal,
also wenn Ihr mich fragt, wird von einem Tool immer nur eine Methode gegeben. Was ich damit anstelle, bleibt dann mir überlassen: Ob ich das Innere eines Produktes betrachte, oder aber die Auswirkungen auf Patienten, Anwender und Dritte, oder aber intern meinen Validation-Master-Plan damit erarbeite…
Im Ernst, die Methode ist ziemlich universell, die Kreativität bleibt aber bei uns. Schließlich wollen wir doch alle noch was zu tun haben, oder?Viel Spass noch beim Analysieren…
Hallo allerseits,
erstmal vielen Dank für eure Hilfe.Natürlich möchte ich die Risiken nicht durch Ursachenzerlegung möglichst klein rechnen. Mich wundert nur, dass die Norm die Abschätzung der Auftretenswahrscheinlichkeit für einen Schaden verlangt, sich gängige Tools allerdings mit der Abschätzung der Wahrscheinlichkeiten von Schadensursachen begnügen.
Wieder mal ein Beispiel:
Schaden: Datenverlust; Ausmaß: „kritisch“
Ursache1: Hardware-Fehler; Wkt: „selten“
Ursache2: Fehlbedienung; Wkt: „gelegentlich“
Ursache3: Software-Fehler: Wkt: „vorstellbar“Muss ich nun zur Erfüllung der Norm eine Gesamt-Auftrittswahrscheinlichkeit für den Schaden „Datenverlust“ angeben? Wenn ja, wie ist das möglich? Oder reicht es aus die (unabhängigen) Ursachen (beispielsweise im Risiko-Graphen) zu bewerten?
Vielen Dank, Steffen
Hallo Steffen,
die Norm definiert eine Gefährdung als potentielle Schadenquelle. Der Eintritt eines Schadens lässt sich immer auf zugrundeliegende Gefährdungen zurückführen.
Gefährdungen haben jeweils eine oder mehrere Ursachen. Bewertest Du also die Auftretenswahrscheinlichkeiten differenziert nach den möglichen Ursachen, so ergibt sich im Gesamtkontext eine realistische Einschätzung des Risikos.So in der Art ist das Konzept auch im Riskmanager umgesetzt, den wir bei uns einsetzen. Wie andere Tools das abbilden, kann ich leider nicht sagen.
Viele Grüße
Jens -
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