Prozeßfähigkeit/ Ausreißer2005-06-21T07:38:02+01:00

QM-Forum Foren Qualitätsmanagement Prozeßfähigkeit/ Ausreißer

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  • Tolk
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    Hallo zusammen,

    zur Ermittlung eines Toleranzfeldes wurde aus dem Prozeßvorlauf eine Stichprobe von n=10 entnommen. Hierbei stellten wir fest das wir, bis auf ein Maß eine geringe Streuung haben.
    Meine Frage: Ist es bei der Berechnung des Toleranzfeldes, bzw. der Spannweite üblich diese Ausreißer nicht in die Bewertung mit einfließen zu lassen? Soll heißen: Einfach den oberen und unteren Wert ignorieren, um eine Aussage über die mögliche und nicht über die tatsächliche Prozeßfähigkeit zu treffen.

    Gibt es hierzu einen entspr. Link?

    Danke für die Antworten

    Tolk

    Carlos
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 417

    Hallo Tolk,
    mit der Statistik kannst du meiner Meinung nach kein Toleranzfeld ermitteln, dieses ist durch die Konstruktion des Produktes bzw. Merkmals gegeben.
    Was du mit Statistik ermitteln kannst sind die Eingriffsgrenzen (aber nicht mit n=10).
    Du kannst keine statistische Auswertung machen, wenn du nicht weisst, wie viel dein Prozess streut (Pp, Cp, Cm)und um was der Prozess streut (xquer)Ppk, Cpk, Cmk), dazu brauchst du ein Toleranzfeld als Bezug.

    Gruss Carlos

    Tolk
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 55

    Hallo Carlso,

    ersteinmal danke für die Antwort!

    Das Produkt ist nun schon sehr lange auf dem Markt und hat noch keine Schwierigkeiten bereitet, dennoch sind wir gezwungen einzelne Merkmale festzulegen und zu tolerieren.

    Mir ging es aber eigentlich nur um die übliche Handhabung in der Praxis:
    Werden Ausreißer mit in die Prozeßfähigkeitberechnung eingeschlossen? Ist es „legitim“, den obersten und untersten Wert bei einer Stichprobe entfallen zu lassen?

    Gruß

    Thomas

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Tolk,

    grundsätzlich brauchst Du als erstes Toleranzen um dann anschließend Fähigkeiten berechnen zu können. Toleranzen werden *nicht* aus den Merkmalswerten heraus festgelegt, sondern auf Grund der späteren Verwendung (z. B. Länge eines Rohres muss zwischen 3,95 und 4,05 liegen, in der Mitte 4,00, da es sonst nicht weiterverarbeitet werden kann).

    Bei der Berechnung von Fähigkeiten vergleichst Du dann die Toleranzen/Anforderungen mit den Messwerten/Prozessleistung.

    Grundsätzlich sind 10 Werte auch bei einem sehr stabilen Prozess viel zu wenig, eben weil Du so keine Aussagen machen kannst, ob ein Messwert zufällig so groß ist oder ob er aus dem normale Wertespektrum kommt.

    Für das obige Beispiel mit der Rohrlänge heißt das: Wenn Du einen Messwert von 3,97 hast, dann ist das innerhalb der Toleranz. Wenn Deine Rohre aber üblicherweise Längen von 4,01 bis 4,04 haben, dann ist der Wert 3,97 ziemlich weit weg vom normalen Wertebereich. Wenn Deine Werte üblicherweise zwischen 3,97 und 4,03 liegen, dann ist der Wert 3,97 im normalen Wertebereich.

    Es gibt keine Entscheidungsregel, wann ein Wert zu groß oder zu klein ist. Das kannst Du *immer* nur im Vergleich mit den üblichen Werten sehen. Absolut falsch ist es daher auch, einfach so 2 von 10 bzw. 20%(!) der Werte wegzulassen, nur weil sie der größte bzw. der kleinste Wert sind.

    Eine solide Basis um Aussagen über „normale“ und „nicht-normale“ Werte machen zu können, sind n=100 Werte. Dann kannst Du Dir schon mal anschauen, wo Dein üblicher Wertebereich ist.

    Und wenn dann da ein Wert deutlich größer oder kleiner als die anderen ist, dann kannst Du schauen, ob Du eine Ursache dafür findest, von der Du weißt, dass sie in Zukunft nicht mehr auftritt bzw. entdeckt und beseitigt wird. Wenn Du den Wert nicht erklären kannst, dann gehört er erstmal zum normalen Wertebereich und *muss* auch bei den Berechnungen mit berücksichtigt werden. (Ja, ich weiß, das ist blöd.)

    Viele Grüße

    Barbara

    ~~~ Der Sinn des Lebens ist 42. ~~~

    Black
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 28

    Hallo,
    Barbara hat schon sehr gut erklärt!
    Wir legen über wichtige Messwertreihen mit potentiellen Ausreißern immer einen passenden Außreißertest (numerisch mittels Software aber auch numerisch manuell)
    Gruß Black

    QM-Planer
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 73

    Hallo Tolk,

    euer Produkt ist schon seit längerem ohne Probleme auf dem Markt, das ist schon mal prima. Der Kunde (oder die Norm) fordert verständlich nun Kenngrößen für den Prozess (Merkmale, Merkmalswerte und Toleranzen).

    Um über den Prozess repräsentative Aussagen machen zu können, ist eine Stichprobe von n=10 viel zu wenig. Beobachtet den Prozess über einen längeren Zeitraum (Wochen, Monate). Ab 100 Werten kannst du schon wesentlich mehr Vertrauen in deine statistischen Auswertungen legen. Vielleicht könnt ihr auch Werte aus der Vergangenheit heranziehen.

    Im Folgenden gehe ich davon aus, dass ihr mit dem Produkt keine Probleme habt:
    1.) warum dann unnötig selbst einschränken? Also „Ausreißer“ bzw. Peeks in der Betrachtung auf jeden Fall berücksichtigen.
    Berechne dann wie groß dein 6s-Bereich ist (gehen wir einfach mal von einer Normalverteilung „NV“ aus).

    Den Ausreißer habe ich in Anführungszeichen gesetzt, weil du bei 10 Werten gar nicht weisst, ob es wirklich ein Ausreißer ist! Es gibt übrigens auch statistische Verfahren, mit denen du einen Test auf Ausreißer durchführen kannst. Und je mehr Werte du hast, desto weniger fällt ein „Ausreißer“ ins Gewicht.

    2.) Deine Toleranzbreite sollte nun mindestens so groß sein wie der 6s-Bereich.
    Damit kannst du dann schon sagen, dass 99,73% der Merkmalswerte innerhalb der Toleranzen liegen.

    3.) Gehe davon aus, dass irgendwann die Forderung nach Maschinen- oder Prozessfähigkeit folgt. Der Maschinenfähigkeitsindex Cm wird in der Reger größer 1,67 gefordert, der Prozessfähigkeitsindex größer 1,33.
    Die Gleichung ist für beide (bei NV) Cm,Cp>=T/6s.
    Jetzt würde ich die Toleranzen wie folgt ganz „stumpf“ berechnen, soweit das keinen Einfluß auf die weiter Verwendung des Produkts hat*:

    T>= Cm,Cp*6s.

    Dann bist du auf der sicheren Seite.

    *Erfrage bei deinen Kunden, welche Toleranz-Anforderungen sie an Euer Produkt haben.

    Gruß

    Arne

    Tolk
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 55

    Hallo Babara,
    vielen lieben Dank für deine ausführliche Erklärung! Ja Du hast mich überzeugt, an dieser Stelle noch umfangreicher Messungen zu veranlassen, um daraus entsprechende Statistiken zu ziehen. Doch diese „blöden“ Ausreißer, sind schwer in die ach sonst so „schönen“ Statistik einzugliedern. Und da bin ich schon bei Black.

    Hallo Black,
    ich wäre dir sehr zu Dank verbunden, wenn du mir einen Link senden würdest, wo ich die Formeln für ein s.g. „Ausreißertest“ finden kann. Im Buch von W. Timischl „Qualitätssicherung- Statistische Methoden“ und anderer Literatur wurde ich leider nicht fündig.

    Gruß

    Thomas

    Tolk
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 55

    Hallo Arne, hallo Forumsteilnehmer,

    nur zur Info:
    an dem komplexen Produkt sind 50 Merkmale die einzelnd gemessen und geprüft, die meisten stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang, andere wieder sind separat anzusehen. Da nun zehn Produkte vermessen wurden, sind schon 500 Einzelmessungen erfolgt. Um also auf die geforderte Zahl n=100 zu kommen müßten wir 5000 Einzelmessungen durchführen. Puhhh….

    Ich zitiere einfach mal meinen Chef: „Was stehst du denn hier noch rum?!?!“

    Grüße aus der Meßzelle

    Thomas

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Thomas,

    für einen Ausreißertest brauchst Du *immer* normalverteilte Daten. Du schaust dann, ob ein Wert zu diesen Daten passt oder ein Ausreißer ist. Sprich: Du musst als erstes die Normalverteilung überprüfen, sonst nützt Dir das alles nix, Verteilungsüberprüfung siehe:
    http://www.bb-sbl.de/tutorial/verteilungen/ueberpruefungnormalverteilung.html

    Teststatistiken und Infos zu den Voraussetzungen findest Du hier:
    http://www.quantlet.com/mdstat/scripts/estat_uat/uat/estat/bpreview/toclong.html

    Beispiele:
    Dixons-r-Statistiken:
    http://www.quantlet.com/mdstat/scripts/estat_uat/uat/estat/bpreview/023_univariateausreissertests.html
    David-Hartley-Pearson-Test:
    http://www.quantlet.com/mdstat/scripts/estat_uat/uat/estat/bpreview/030_univariateausreissertests.html
    Grubbs-Test:
    http://www.quantlet.com/mdstat/scripts/estat_uat/uat/estat/bpreview/011_univariateausreissertests.html
    Grubbs-Beck-Test:
    http://www.quantlet.com/mdstat/scripts/estat_uat/uat/estat/bpreview/017_univariateausreissertests.html

    Viele Grüße

    Barbara

    ~~~ Der Sinn des Lebens ist 42. ~~~

    Tolk
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 55

    Guten morgen Babara,

    die Seiten sind wirklich genial! Jeder Statistikintressierte sollte sie sich unbedingt einmal anschauen.

    Danke an alle Forumteilnehmer die einem hier so kompetent und gut weiterhelfen!

    Gruß aus der Morgensonne

    Thomas

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