Positionstoleranzen Statistisch bewerten2013-07-09T08:47:41+01:00

QM-Forum Foren Qualitätsmanagement Positionstoleranzen Statistisch bewerten

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  • Athina
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    Hallo zusammen,

    ich hänge gerade über eine Auswertung der Positionstoleranzen und für mich ist das Ganze nicht wirklich verständlich. Vielleicht könnt ihr mir dabei helfen.

    Ich habe x-y-Koordinaten einer Bohrung und eine Positionstoleranz von 0,4. Für die Positionstoleranz erhalte ich Po=1,32 und Pok=1,24, als Model-Verteilung nimmt qs-stat die Mischverteilung, wobei jedoch alle Einzelwerte unter 0,2 liegen (50%der Toleranz).
    Als Berechnungsart ist MPo2 max. Wahrscheinlichkeitsellipse hinterlegt.

    Bei der x-Koordinate erhalte ich Pp=2,06 und Pok=1,86 und bei der y-Koordinate Pp=2,36 und Pok=2,28.
    Das kann doch nicht sein, oder? Ich würde erwarten, dass die Fähigkeit der Position auch größer 1,33 ist.
    Habe ich einen Denkfehler oder irgendwo eine falsche Einstellung?
    Ich weiß auch nicht wie ich dies der Fertigung erklären sollte. „Ihr liegt zwar unter der Hälfte der Toleranz, aber ihr müsst besser werden?!?“
    Bin dankbar für jede Hilfe und stehe kurz vor der Verzweiflung

    Gibt es den keinen der sich damit auskennt oder fehlen noch Informationen?
    Sorry, aber ich bin keine Statistikerin, würde es aber gerne verstehen
    Mfg Athina

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Athina,

    willkommen im Qualitäter-Forum [:)]

    Bei Positions-Toleranzen in x- und y-Richtung wird in der Statistik die Rayleigh-Verteilung (auch Betragsverteilung 2. Art) verwendet. Du solltest also zuerst mal schauen, ob die Eigenschaften Deiner Messdaten damit ausreichend gut beschrieben werden können. Ein einfacher Test ist, die Messwerte getrennt nach x- und y-Richtung auf Normalverteilung zu prüfen.

    Infos zur Rayleigh-Verteilung gibts z. B. bei Wikipedia:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Rayleigh-Verteilung
    Für die Rayleigh-Verteilung kannst Du zuerst die Summe der quadrierten x- und y-Werte berechnen und anschließend die Wurzel aus dieser Summe ziehen. Damit hast Du dann auch 1 Merkmal (= Abstand = Wurzel(x^2+y^2)) und kannst mit 1 Toleranz (OSG=0,4) eine Fähigkeit berechnen.

    Es ist für zuverlässige Prozessfähigkeits-Kennzahlen immer besser, mit GMV (Gesundem MenschenVerstand) eine sinnvolle Verteilung auszuwählen als zu versuchen, aus Messdaten die „passende“ Verteilung berechnen zu lassen. Keine Software dieser Welt kann Dein Wissen zur Mess-Situation ersetzen.

    Die Verteilungen sehen sich so ähnlich, dass echte Messwerte zu unterschiedlichen Verteilungen passen können (und es gibt eine sehr, sehr große Menge von Verteilungen). Bei der Prozessfähigkeit ist eine Verteilungsauswahl über die Messwerte nicht empfehlenswert, weil auch sehr ähnlich aussehende Verteilungen sehr unterschiedliche Kenngrößen liefern können. Diese unterschiedlichen Kenngrößen ergeben dann auch unterschiedliche Werte für die Prozessfähigkeit.

    Ein anderer Ansatz für die Prozessfähigkeits-Bewertung bei mehr als 1 Merkmal (z. B. x-Richtung = Merkmal 1 und y-Richtung = Merkmal 2) sind multivariate Prozessfähigkeits-Werte. Ich vermute mal, dass Du bei denen gelandet bist, weil da die Ellipsen verwendet werden. Das erklärt auch, warum Du für jede Richtung einzelne Toleranzen eingeben musst, denn da werden alle Merkmale separat bewertet und die Bewertungen dann kombiniert.

    Das tatsächliche Rechnen ist ein ganzes Stück komplizierter. Mehr Infos findest Du z. B. hier:
    Santoz-Fernandes, Edgar; Scagliarini, Michele [2012] MPCI: An R Package for Computing Multivariate
    Process Capability Indices
    ). American Statistical Association, Journal of Statistical Software, Vol. 47, Issue 7, p. 1-15
    Pn, Jeh-Nan; Lee, Chun-Yi [2010] New Capability Indices for Evaluating the Performance of Multivariate Manufacturing Processes. John Wiley and Sons, Quality and Reliability Engineering International, Vol. 26, p. 3-15

    Hilfreicher als die Formeln dürften die Bilder sein [;)]

    Da ich Deine Messwerte nicht habe, hab ich mal versucht mit den Beispielwerten aus
    Dietrich, E.; Schulze, A. [2009] Statistische Verfahren zur Maschinen- und Prozessqualifikation. Hanser Fachbuchverlag, S. 357
    Po und Pok nachzurechnen. Im dem Beispiel im Buch errechnet sich Po=1,68 und Pok=1,56. (Die Abbildung 9.13-3 passt so überhaupt gar nicht zu der Höhe der Fähigkeitswerte, aber das ist ein anderes Thema.) Leider fehlt jeglicher Hinweis auf den Ursprung der verwendeten Formeln.

    Die Bezeichnungen sind auf jeden Fall schon mal andere als die, die in der Statistik-Fachliteratur zu finden sind. Nach der Beschreibung im Text werden die multivariaten Fähigkeitswerte über einen Vergleich der Toleranzregion mit dem Prozessbereich ermittelt (Volumen-Methode). Eine andere Möglichkeit wäre mit Hauptkomponenten (PCA principal component analysis) zu arbeiten; davon steht im Buch aber nichts.

    Bei den Volumen-Vergleichen gibt es drei Ansätze von Shahriari, Taam und Pan & Lee und alle drei liefern nur jeweils 1 Fähigkeitswert:
    CpM = 1,64
    MCpm = 2,41
    NMCpm = 2,40

    Mit den drei Hauptkomponenten-Verfahren von Wang & Chen, Xekalaki & Perakis sowie Wang werden jeweils ein MCp und ein MCpk (ähnlich wie Cp und Cpk) berechnet:
    Wang & Chen: MCp = 1,25, MCpk = 1,09
    Xekalaki & Perakis: MCp = 1,63, MCpk = 1,52
    Wang: MCp = 1,31, MCpük = 1,16

    Am nächsten liegen damit die Werte von Xekalaki & Perakis (1,63/1,52) an Po und Pok aus dem Dietrich/Schulze-Buch (1,68/1,56), aber der Abstand ist so groß, dass das wahrscheinlich keine Rechengenauigkeits-Unterschiede sondern eher andere Formeln sind.

    Eventuell findest Du diese Formeln in dem Norm-Entwurf E DIN 55319-2:2007-09 „Statistische Verfahren – Teil 2: Qualitätsfähigkeitskenngrößen zur Beurteilung von Prozessen bei multivariat normalverteilten Merkmalswerten“. Ob das wirklich mal eine echte Norm wird ist zweifelhaft, weil das auch das Thema der ISO 22514-6:2013 „Statistische Verfahren im Prozessmanagement – Fähigkeit und Leistung – Teil 6: Prozessfähigkeitskennwerte für mehrdimensional normalverteilte Merkmale“ ist. (Da ich beide Normen nicht habe, kann ich wenig zum Inhalt sagen.)

    Eins passt jedenfalls nicht zu den Normen und üblichen multivariaten Prozessfähigkeits-Kenngrößen: die Mischverteilung. Sowohl die Normen als auch die multivariaten Prozessfähigkeits-Kenngrößen nehmen immer an, dass die Messwerte jedes einzelnen Merkmals normalverteilt sind.

    Bei ISO.org findet sich zur ISO 22514-6 der Hinweis, dass nur verschiedene Formeln vorgestellt werden, aber keine Empfehlung gegeben wird welche Formel „die beste“ ist. Die Unterschiede mit den sechs Methoden sind schon erheblich mit MCpk nach Wang & Chen von 1,09 und MCpm nach Taam von 2,41. Vermutlich ist das mit ein Grund, warum multivariate Fähigkeitskennzahlen weniger gebräuchlich sind.

    So richtig kann ich Deine Frage also auch nicht beantworten. Ich hoffe es hilft Dir trotzdem ein Stückchen weiter.

    Viele Grüße

    Barbara

    ————
    Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
    (Ernest Rutherford, Physiker)

    Athina
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 3

    Hallo Barbara,

    danke fürs Willkommen-heißen und für die ausführliche und verständliche Antwort.

    Wenn ich mal deine Antwort interpretieren darf: die x-y-Koordinaten sind nicht gerade der HIT um Aussagen über die Fähigkeit zu bekommen, da hier nicht wirklich ein klar definiertes Vorgehen vorhanden ist. Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.
    Sinnvoller wäre es wahrscheinlich die Position an sich zu bewerten, wahrscheinlich mit einer Betragsverteilung 2. Art (Faltung bei Null) oder einer Normalverteilung.
    Wobei, wenn ich richtig informiert bin (und das weiß ich nicht), darf ich auch nur den Ppk nehmen zur Beurteilung und nicht den Pp, da es eine natürliche Toleranz gibt.
    Ich habe weiter unten die Daten – vielleicht hast du ja Zeit und Muse [:I] Einen Anhang konnte ich nicht erstellen [xx(]
    Bei NV bekomme ich Pp=2,16 und Ppk=3,16 bei Betragsverteilung Pp=2,3 und Ppk=2,1 – bei einem gleitenden Stichprobenumfang=3.

    PS: Bei der Hotline habe ich auch nachgefragt und warte auf Rückmeldung
    Von der gelisteten Literatur habe ich nur den Dietrich, E.; Schulze, A. – 5. Auflage: ich habe auch versucht das Beispiel zu rekonstruieren, bin aber nicht wirklich weitergekommen [:(!]

    Mfg Athina

    DIN Position Kreis z-Koordinate x-Koordinate
    0,0957776 88,834145 23,4664224
    0,0516564 88,7963604 23,4744295
    0,1361871 88,8410966 23,4457064
    0,1761016 88,733205 23,4426296
    0,1359225 88,7461848 23,4584951
    0,1852423 88,7194641 23,4542546
    0,070064 88,7801287 23,5288509
    0,1044013 88,7625412 23,5363558
    0,0727438 88,7870084 23,5339725
    0,0521123 88,7854589 23,4783787
    0,0410885 88,8049555 23,4800624
    0,0545042 88,8202731 23,4817879
    0,1402434 88,8701034 23,5016005
    0,1465628 88,87322 23,4970021
    0,1258199 88,8592242 23,4787832
    0,1077392 88,7498356 23,4803665
    0,1141749 88,7560265 23,4635952
    0,1076363 88,7582188 23,4660777
    0,1300833 88,8194473 23,5620662
    0,1047961 88,8201127 23,5483842
    0,0994085 88,7879904 23,5482315
    0,1189881 88,8554985 23,521435
    0,1132411 88,8525928 23,5209734
    0,1018449 88,85024 23,5083088
    0,1071247 88,8534633 23,4967434
    0,0667832 88,8333505 23,5016564
    0,1218115 88,8603543 23,5081774
    0,1022369 88,7546857 23,4763417
    0,1152247 88,7469657 23,4774935
    0,0843251 88,7643363 23,4775104
    0,1359488 88,804428 23,56783
    0,1215412 88,8075817 23,5602958
    0,0915787 88,794952 23,5455102
    0,1161134 88,8541475 23,5209435
    0,0934636 88,8346556 23,5313504
    0,0934636 88,8326556 23,5293504
    0,0964787 88,8396092 23,5275344
    0,1115406 88,850533 23,5235953
    0,0885106 88,8437081 23,4930624
    0,0648072 88,7697796 23,4883071
    0,0988236 88,7506206 23,4982098
    0,0848557 88,7643614 23,476978
    0,1292075 88,8115772 23,5635579
    0,1515792 88,7921955 23,5753867
    0,1509994 88,8178779 23,5733525
    0,1141892 88,8547 23,5163615
    0,1109283 88,8497247 23,5245709
    0,1361675 88,8578266 23,5359372

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