Natürliche Toleranzgrenzen und cpk2017-04-13T12:04:24+01:00

QM-Forum Foren Qualitätsmanagement Natürliche Toleranzgrenzen und cpk

Ansicht von 8 Beiträgen – 1 bis 8 (von insgesamt 8)
  • Autor
    Beiträge
  • 19dreas70
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 40

    Hallo,

    vorab schon einmal Danke für Eure Hilfe!

    Ich habe ein kleines Verständnisproblem hinsichtlich nullbegrenzter Merkmale. Ich habe eine qs-stat Auswertung zum Thema Rauhigkeit vorliegen. Diese weist einen fähigen Prozess durch einen cpK von >1,33 aus. Die untere Grenze ist nullbegrenzt.

    Theoretisch würde ja ein größer werdender cpK bedeuten, dass die Fläche immer glatter wird. Jetzt sollte man darüber ja eigentlich froh sein, denn je glatter desto besser.

    In unserem Fall ist das aber gar nicht gut. Wenn ich als Lösung untere Toleranzgrenzen einziehe, führt das zwangsläufig zu schlechten cpks an der unteren Grenze!

    Jetzt weiß ich nicht, wie ich das richtig händle, denn ein cpk <1,33 ist schlecht an der oberen Toleranzgrenze, da der Mittelwert zu ihr hindriftet. Ein cpK von > dem derzeitigen 1,33 ist aber (entgegen der Definition) auch schlecht., da die Oberfläche Richtung spiegelglatt tendiert.

    Danke nochmal und frohe Ostern!

    Andreas

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Andreas,

    bei den Prozessfähigkeitskennzahlen ist die Unterscheidung zwischen technischer Grenze und Toleranzgrenze extrem wichtig, um solche seltsamen Ergebnisse zu vermeiden.

    technische Grenze = Wert, unter (oder über) dem aus technischen Gründen keine Messwerte liegen KÖNNEN
    Toleranzgrenze = Wert, unter (oder über) dem keine Messwerte liegen SOLLEN

    Prozessfähigkeitskennzahlen werden ausschließlich mit Toleranzgrenzen ermittelt (s. DIN ISO 22514-1, DIN ISO 22514-2 oder auch die zurückgezogene DIN ISO 21747).

    Wenn Du nur eine obere Toleranzgrenze hast, wird auch nur bewertet, wie das Verhältnis zwischen Prozessstreubereich nach oben (z. B. Mittelwert + 3*Standardabweichung bei der Normalverteilung) und dem Abstand Prozessmitte zu oberer Toleranzgrenze (z. B. obere Toleranzgrenze – Mittelwert) ist.

    Bei einer einseitigen Toleranz ist es völlig egal, was auf der anderen Seite der Prozessmitte passiert. Das gilt auch für 0-begrenzte Merkmale genauso wie für Merkmale, die eine andere technische Grenze haben, und auch für Merkmale, die einfach nur auf einer Seite toleriert sind. Technische Grenzen sind keine Toleranzgrenzen, deshalb lässt sich bei einseitiger Tolerierung auch kein Cp oder Pp berechnen (s. o. a. Normen).

    Natürlich gilt wie immer:
    *Prozessfähigkeitswerte sind nur für stabile Prozesse belastbar.
    *Die Mess-Unsicherheit muss klein genug sein.
    *Die Messwerte müssen mit einer sinnvoll ausgewählten Verteilung beschreibbar sein.
    *Es muss ausreichend viele Messwerte geben (mindestens 100).

    Viele Grüße
    Barbara

    ————
    Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
    (Ernest Rutherford, Physiker)

    19dreas70
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 40

    Hallo Barbara,

    Danke dir für die schnelle Antwort. Sorry, dass die Antwort verspätet kommt. Ich war leider „etwas“ krank. Normalerweise antworte ich immer schnell, weil ich ein neugieriger Mensch bin [:)].

    So ähnlich wie du beschrieben hast, habe ich es mir schon gedacht oder befürchtet. Das Befürchten bezieht sich auf die ideal glatte Oberfläche, welche nicht gewünscht ist.

    Werte ich den Prozess aus und schaue mir das Ergebnis hinsichtlich der oberen Toleranz an, dann müsste ich bei Fähigkeit einen maximalen Rauheitswert definieren. Sagen wir mal Ra max = 0,4. Solange die Verteilung und der Mittelwert der Probe ähnlich zum Prozess ist ist alles okay!

    Jeder Prozess wird (augenscheinlich) besser, wenn der cpk steigt. Die Oberfläche wird glatter. Normalerweise eher ein Grund zur Freude nur ist dieser Idealzustand nicht gewünscht.

    Aus Prozesssicht verbessert man sich aber für die Funktion ist die Verbesserung gleichzeitig eine Verschlechterung.

    Ich befürchte, dass man in der Fertigung keinen Anlass hat, eine Info zu geben, wenn der cpk steigt (das Delta von Mittelwert zur oberen Toleranzgrenze steigt).

    Wie man hier geschickt eine Regel definiert, die den Fertiger erkennen lässt, dass ein steigender cpk nicht unbedingt eine Funktionsverbesserung bringt ???

    Vielleicht hast Du eine Idee??

    Auf alle Fälle schon einmal Danke!

    Liebe Grüße

    Andreas

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Andreas,

    in dem Fall würde ich eine untere Toleranzgrenze definieren, z. B. USG = 0,1 und OSG = 0,4. Dann würde der Cpk nur hoch werden, wenn der Prozess mittig in der Toleranz mit möglichst kleiner Streuung läuft.

    Viele Grüße
    Barbara

    ————
    Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
    (Ernest Rutherford, Physiker)

    Frank_Hergt
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 1530

    Hallo Andreas!

    Noch mal zurück auf Los:

    So, wie Du den Fall schilderst, ist schlicht und einfach die Bemaßung / Tolerierung falsch bzw. entspricht nicht den tatsächlichen Anforderungen. Wenn Du wie normalerweise eine Ra-Angabe in der Zeichnung machst, ist die ja immer eine Obergrenze. D.h. rauher ist schlecht, glatter ist gut, spiegelglatt ist auch gut. Für Dich (oder Deinen Kunden) aber anscheinend nicht. Also sind in dem Fall obere und untere Toleranzgrenze festzulegen. Und dann müßte auch Deine cpk-Berechnung wieder etwas ergeben, was Dir tatsächlich nützt.

    Schöne Grüße

    Frank

    „and pray that there’s intelligent life somewhere up in space,
    ‚cause there’s bugger all down here on earth!“ (Monty Pythons / Galaxy Song)

    19dreas70
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 40

    Hallo Frank, hallo Barbara,

    Danke für die Information. Ich muss dass einfach mal in qs-stat ausprobieren. Ich befürchte jedoch, dass der Prozess bei natürlicher Grenze „Null“ als fähig interpretiert wird und bei Null als Toleranzgrenze „nicht fähig“.

    Der Hinweis mit Rauhigkeitskenngrößen und deren üblicher Angabe als Maximalwert ist gut! Vielleicht ist die Lösung ganz einfach nur die, dass ich das Fertigungsverfahren festschreibe.

    Sory, wenn das Alles etwas trivial erscheint. Ich bin Entwickler mit Spaß an Qualitätsthemen, wobei der Spaß hier einen zu lösenden Fall beinhaltet.

    Liebe Grüße

    Andreas

    Frank_Hergt
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 1530

    Hallo Andreas!

    Nur die Ruhe wegen „trivial“! „Scheitern beim Einfachen“ ist eine Spezialität vieler Firmen. Dein Fall ist ein Musterbeispiel dafür, wie eine nicht ausgesprochene Annahme (hier: glatter ist immer besser) oder eine nicht ausgesprochene Forderung (hier: Es gibt auch eine Untergrenze für die Rauhigkeit) alles durcheinanderbringen.

    Ich bin Qualitäter. Und ich hätte Verhaltensforschung oder Psychologie studieren sollen, statt was technisches…

    Schöne Grüße

    Frank

    „and pray that there’s intelligent life somewhere up in space,
    ‚cause there’s bugger all down here on earth!“ (Monty Pythons / Galaxy Song)

    19dreas70
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 40

    Hallo Frank,

    danke für Deine Nachricht. Da steckt viel Wahres drin! Ich habe gerade die Excel Daten angefordert und schau mal, ob qs-stat von fähig zu nicht fähig umschlägt, wenn ich die untere Toleranz einziehe. Optisch sieht die Datenanalyse schon danach aus. Ja und wenn ich dann zusätzlich das Fertigungsverfahren verbindlich festlege, muss dieses halt auch so durchgeführt werden.

    Wenn ich mich recht entsinne gab es bei uns schon unterschiedliche Lieferanten ein und desselben Rohteiles, welche zwar die Werte innerhalb der Spezifikation lieferten aber unterschiedliche Verfahren nutzten. Das war aber da ein optisches Problem und führte beim Kunden zu Nachfragen. Warum sieht Teil A anders als Teil B obwohl es die gleiche Materialnummer hat.

    Liebe Grüße

    Andreas

Ansicht von 8 Beiträgen – 1 bis 8 (von insgesamt 8)
  • Sie müssen angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.
Nach oben