MSA Verfahren I und III2012-11-26T10:51:28+01:00

QM-Forum Foren Qualitätsmanagement MSA Verfahren I und III

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  • flipper
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    Hallo,

    da ich mit MSA noch keine Erfahrung habe, wollte ich über diesen Weg nachfragen ob ich das alles richtig verstanden habe.

    Verfahren I: Ich nehme mir ein Normal, in meinem Beispiel ein Einstellring Ø87,004, gebe als Toleranz ±0,05 an und vermesse dieses Bauteil 50x auf der Meßmaschine.
    Zwischen den Meßungen nehme ich das Bauteil immer wieder aus der Vorrichtung heraus und zentriere es wieder neu.
    Aus meinen 50 Meßwerten errechne ich anschließend meinen cgk Wert.

    Verfahren III: Ich nehme mir 25 Bauteile, zentriere diese in der Vorrichtung, markiere eine Stelle und führe meine Messung durch.
    In meinem Fall einen Ø 94 ±0,1.
    Nach den 25 Meßungen fange ich wieder mit dem ersten Bauteil an, zentriere es mit der Markierung in der Vorrichtung und messe alle 25 Bauteile nochmals.

    Mit den insgesamt 50 Bauteilen errechne ich mir meinen cgk Wert erneut.

    Ist dieser Ablauf so ok ?

    Ich bin mir nicht so sicher, da ich den Zusammenhang der ersten 50 Messungen des Einstellringes und den zweiten Messungen des „gedrehten“ Bauteiles nicht so recht verstehe.
    Beim Drehprozeß habe ich doch teilweise eine größere Streuung die mein Ergebnis doch wieder verfälscht, oder ?

    Für eure Hilfe wäre ich dankbar.

    Gruß Thorsten

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Thorsten,

    es gibt das Verfahren 1 NICHT in der MSA4 „Measurement System Analysis MSA“, sondern nur und ausschließlich in VDA5 „Prüfprozesseignung“.

    Nach MSA4 stellt diese Art der Messmittelbeurteilung nur einen sehr kleinen Teil der Messunsicherheit dar und ist deshalb allenfalls als kurzfristiges Bewertungskriterium verwendbar, weil lediglich 1 Teil ohne weitere Veränderungen verwendet wird.

    In der Messprozess-Norm ISO 22514-7 (die ist neu, kam im Oktober 2012 raus) gibt es eine Messsystem- und eine Messprozess-Fähigkeit. Die errechnet sich allerdings aus diversen Unsicherheitskomponenten des Mess-Systems bzw. des Mess-Prozesses und nicht allein aus der Wiederholstreuung an 1 Teil (u_EVO bzw. u_EVR). Außerdem kennt die Norm keinen Cgk, da nur die Streuung in Bezug zur Toleranzbreite gesetzt wird (heißt dann C_MS oder C_MP).

    Ansonsten ist Deine Zusammenfassung von Verfahren 1 nach VDA5 ist korrekt. Du könntest zusätzlich zum Cg und Cgk noch ein paar andere Kennzahlen aus den Daten berechnen (z. B. absolute Höhe der systematischen Abweichung).

    Verfahren 3 gibt es unter der Bezeichnung auch nur in VDA5. Die Auswertungsmethoden (ANOVA mit zufälligen Effekten / Varianzkomponeten) finden sich so auch in MSA4 und ISO 22514-7. Die Fähigkeitskennzahlen Cg und Cgk werden hierbei NIE verwendet, die beziehen sich IMMER auf 1 Teil und Verfahren 3 braucht immer mehrere Teile.

    Warum ist Deine Toleranz eigentlich in Verfahren 1 ±0,05 und in Verfahren 3 ±0,1? Das müsste doch eigentlich die gleiche Toleranz sein, oder?

    Du solltest einen Prüfereinfluss wirklich sicher ausschließen können, wenn Du auf eine Untersuchung des Prüfereinflusses verzichtest. Z. B. könnten verschiedene Prüfer die Teile unterschiedlich einlegen/einspannen/zentrieren. Wenn Du den Prüfereinfluss NICHT SICHER ausschließen kannst, mach lieber Verfahren 2 (bzw. die Standard Gage R&R).

    Bei der Messdatenaufnahme zu Verfahren 3 gibt es zwei wichtige Punkte:

    1. Die ausgewählten Teile müssen die gesamte Bandbreite (der Toleranz/des Prozesses) abdecken. Sie müssen deutlich unterschiedlich sein, je unterschiedlicher desto besser.

    2. Die Messreihenfolge sollte IMMER ZUFÄLLIG sein, um in der Auswertung zeitliche Veränderungen von Teile-Unterschieden trennen zu können (so genannte randomisierte Reihenfolge, kennst Du vielleicht aus der Versuchsplanung / DoE).

    Zu 2. steht in VDA5, dass die Teile immer in der gleichen Reihenfolge aufgenommen werden sollen. Das ist NICHT EMPFEHLENSWERT!!!

    Ein kleines Beispiel, warum Messungen immer in verschiedener Reihenfolge aufgenommen werden sollten:

    Stell Dir vor, Du sollst die Weinqualität bewerten. Du hast 25 Weine, die verkostet werden (natürlich nicht getrunken). Ich würde in jedem Fall davon ausgehen, dass Deine Bewertungen der ersten 5 Flaschen anders sind als die Bewertung der letzten 5 Flaschen, einfach weil sich Dein Geschmacksempfinden mit der Zeit verändert (auch mit zwischendurch ausspülen, usw.) Es gibt also – unabhängig von der Weinqualität selbst – einen zeitlichen Effekt.

    Um Dein Bewertungsergebnis von diesem zeitlichen Effekt zu trennen, werden die Flaschen also in zufälliger Reihenfolge verkostet. Damit hat jede Flasche die gleiche Chance, als erstes, zweites, drittes, usw. in der Reihe zu stehen. Insbesondere ist die Reihenfolge bei der zweiten Verkostung eine neue (zufällige) und Du kannst dann in der Auswertung die Qualitätsbewertung von dem zeitlichen Effekt trennen.

    Verkostest Du die 25 Weine immer in derselben Reihenfolge, sind die zeitlichen Effekte mit der Bewertung überlagert (vermischt, confounded).

    Solche zeitlichen Effekte können auch in Mess-Prozessen auftauchen, z. B. durch Erwärmung oder Verschleiß oder ansteigende Streuung je länger die letzte Zentrierung zurückliegt, usw. Deshalb sollten Versuche immer in zufälliger Reihenfolge durchgeführt werden.

    Und auch bei Verfahren 3 sollte nach jedem Bauteil eine neue Messung gemacht werden (mit ein- und ausspannen), wenn das auch im normalen Prüfprozess gemacht wird.

    So, genug geschwätzt ;)

    Viel Spaß mit den Versuchen!

    Barbara

    _____________________________________

    Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
    (Ernest Rutherford, Physiker)

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