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Hallo zusammen,
heute hab ich für alle Statistiker eine Frage:
Ich habe ein Excel-Sheet, welches aus einer aufgenommenen Messwertreihe den Mittelwert, die Standardabweichung und andere Grössen berechnet. Anhand dieser wird unter Berücksichtigung eines K-Wertes ein Kennwert bestimmt.
Mein Problem ist nun, dass ich die Formel zur Berechnung des K-Wertes nicht wirklich nachvollziehen kann und diese gern mit Minitab überprüfen will.Bei dem K-Wert handelt es sich um eine Näherung nach Natrella für einseitige Toleranz (http://www.itl.nist.gov/div898/handbook/mpc/section7/mpc7.htm#Natrella).
Auch nach langem Googlen bin ich zu keiner zufriedenstellenden Antwort gekommen. Kann mir jemand sagen, ob ich in Minitab diese Berechnung nachvollziehen/ kontrollieren kann und was hier es alternativ im Minitab gibt?
Vielen Dank an Alle. Ich freu mich über eure Hilfe.
Die Berechnung des genäherten K-Faktors erfolgt nach folgender Formel:
http://www.itl.nist.gov/div898/handbook/prc/section2/prc263.htm
zu finden unter ‚Calculation of a one-sided tolerance interval for a normal distribution‘Hallo Reticent,
bitte gedulte Dich noch ein wenig.
Die Sadistik-Expertin, unsere Barbara, ist gerade beruflich on Tour bzw. kommt ab heute zu unserem UT 2013.
Bestimmt wird Sie Dir auf Deine Frage eine außerordentlich professonelle Antwort liefern können.
„Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand.“
(Arthur Schopenhauer – deutscher Philosoph, 1788-1860)Gute Zeit!
Qualyman – Ex-Qualitäter aus Überzeugung und Leidenschaft, auch wenn´s mal Leiden schafft!
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Hallo reticent,
wenn Toleranz-Intervalle auf Basis einer Stichprobe berechnet werden, wird die Unsicherheit durch die Stichprobe (=Teil des großen Ganzen) durch die Unsicherheit der berechneten Kennzahlen berücksichtigt. Allgemein ist das eine Formel nach dem Muster
Mittelwert + (k Faktor)*Streuung
für ein einseitig nach oben toleriertes Merkmal
bzw.
Mittelwert – (k Faktor)*Streuung
für ein einseitig nach unten toleriertes MerkmalFür die Berechnung des k-Faktors wird die Verteilung des Stichproben-Mittelwerts xquer verwendet. Wird die Standardabweichung ebenfalls aus der Stichprobe berechnet, ist auch die Standardabweichung S nur die ungefähre Größe der tatsächlichen Standardabweichung. Damit gibt es zwei Unsicherheits-Teile in der Verteilung des Mittelwerts: der Mittelwert xquer selbst und die Standardabweichung S.
In dieser Situation ist die Verteilung des Mittelwerts eine nicht-zentrale t-Verteilung (wie auch im NIST-handbook unter der Näherungsformel von Natrella angegeben). Der Streubereich berechnet sich auf Basis der nicht-zentralen t-Verteilung. Die kennen Tabellenkalkulations-Programme wie Excel auch heute oft nicht und in der prähistorischen Zeit vor den PCs war das Berechnen von solchen Verteilungskennzahlen wahnsinnig aufwändig.
Deshalb gibt es aus den Jahren vor 1990 einen ganzen Haufen von Annäherungsformeln, mit denen diese Kennzahlen ungefähr bestimmt werden können. Die Veröffentlichung von Natrelle (1963) gehört auch in diese Kategorie. Da die nicht-zentrale t-Verteilung sehr kompliziert ist, kann ich Dir leider auch nicht genau sagen, wie Natrella auf diese Formel gekommen ist. Vermutlich gibt es da geschickte Abschätzungen, die für mehr als eine Handvoll Messwerte (NIST handbook: mehr als 10 Werte) halbwegs brauchbare Ergebnisse liefert.
Einen Vergleich der k-Faktoren für 3-15 Messwerte hab ich hier hochgeladen: Vergleich k-Faktoren einseitige Toleranzen und der Unterschied ist für mehr als 10 Werte kaum erkennbar.
Falls Du die genaue Entwicklung der Formel nachlesen willst, hilft vermutlich nur ein Blick in die Originalveröffentlichung von Natrella. Das Buch steht in verschiedenen Uni-Bibliotheken (zu finden über Karlruher Virtueller Katalog über Autor und Titel). Vielleicht hilft auch ein Blick in die relative neue Veröffentlichung
Krishnamoorthy, K. ; Mathew, T.: Statistical Tolerance Regions : Theory, Applications, and Computation.
1. Auflage. New York: Wiley, 2009. -ISBN 978-0-470-38026-0, 461 SeitenViele Grüße
Barbara
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Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker)Hallo Barbara, vielen Dank für deine Erklärung.
Für mich stellt sich die Frage, ob ich die Berechnung in irgendeiner Form auch in Minitab oder SPSS finden kann? Oder gilt es anstatt dieser altmodischen Näherungsformel eine der jetzigen Zeit angemessene Berechnung zu wählen. Und wenn ja, welche wäre dies? [?]
Hallo reticent,
immer gerne [:)]
In Minitab wird die einseitige Tolerierung direkt über die nicht-zentrale t-Verteilung berechnet:
Statistik > Qualitätswerkzeuge > Toleranzintervalle
Dafür brauchst Du nur die Daten, die Abdeckung für den Prozess (z. B. 99,73%) und das Vertrauensniveau (voreingestellt 95%, andere Werte über Optionen im Toleranzintervalle-Menü).Ob es so etwas bei SPSS gibt, weiß ich nicht. Du könntest es auf jeden Fall mit den exakten Formeln selbst basteln, denn SPSS kann die nicht-zentrale t-Verteilung.
Viele Grüße
Barbara
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(Ernest Rutherford, Physiker)Moin Barbara, vielen Dank für deine Antwort.
Ich habe die Berechnung der Excel-Tabelle mit den Werten von Minitab verglichen und das Ergebnis ist nahezu identisch. Unglaublich. Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet!
Nun habe ich zusätzlich die Toleranzgrenzen händisch mit den K-Werten aus der DIN ISO 16xxx berechnet und diese ebenfalls mit den Minitab-Ergebnissen gegenüber gestellt. Dabei habe ich festgestellt, dass die neu berechneten Werte weitaus höher sind?!
Gibt es hierfür eine Begründung? Ich hätte eher vermuted, dass die Näherungsformel eine signifikant höhere Abweichung hat. Wo liegt hier die Krux?
Danke.
Hallo reticent,
ohne Deine Rechnung genau nachvollzogen zu haben würde ich vermuten, dass die K-Werte aus einer Norm schon wegen ihrer Rundung eine gewisse Ungenauigkeit aufweisen und das Rechnen mit Software um einiges genauer ist.
Die Näherungsformeln aus den 60er und 70er Jahre sind oft ganz schön genau, weil damals einfach ein viel höherer Druck für berechenbare Annäherungen da war. (Ich kann mich auch noch an die Zeit Anfang der 90er Jahre erinnern, wo Du bei einer einfachen Mittelwert & Standardabweichungs-Berechnung zwischendurch in aller Ruhe einen Kaffee trinken gehen konntest.)
Die Normen sind meiner Erfahrung nach bei der Kombination Deutsche Norm & Statistik oft ein bisschen weniger genau, deshalb würd ich bei den Abweichungen eher auf die Norm als Ursache tippen. Wenn Du ganz sicher gehen willst, kann Du das noch mit R nachrechnen und wenn dann Excel, Minitab und R ziemlich gute Übereinstimmungen zeigen und nur die Werte mit den Norm-Kennzahlen abweichen, würde das meine Vermutung bestätigen.
Viele Grüße
Barbara
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(Ernest Rutherford, Physiker)Hallo Barbara,
ich bin ein neues Mitglied hier im Forum und wollte zu den Toleranzgrenz faktoren oder k-Werten noch ne Fragen los werden.
Im Bereich von Medical Devices wird die DIN EN ISO 11608-1 zur Bewertung u.a. der Dosiergenauigkeit herangezogen dort werden für 1- und 2-seitige Betrachtungen k-Faktoren angegenen, die aus der rückgezogenen ISO 16269-6:2005 kommen.
Möchte man hingegen mit einem messenden Verfahren nach 3159 bewerten, werden dort k-Faktoren benutzt die vom AQL Level und der Sample Size abhängen.
Dort wird nur die ISO 3534-2 referenziert. Gibt es auch für diese k-Faktoren eine Herleitung bzw. haben die k-Werte der beiden ISOs etwas miteinader zu tun?Viele Grüße & Danke
Der WaellerDer Waeller
Hallo Der Waeller,
willkommen im Forum [:)]
Die k-Werte bzw. -Faktoren aus der Toleranzberechnung und der variablen Annahmeprüfung (z. B. DIN ISO 3951) haben nichts miteinander zu tun. Es ist nur zufällig derselbe Buchstabe verwendet worden.
Bei der Berechnung der Toleranz wird über k abgesichert, dass Du ein ausreichend hohes Vertrauensniveau (1-alpha) in den Grenzwerten hast.
Bei der Berechnung des Stichprobenumfangs wird bei der Berechnung von k das Vertrauensniveau (1-alpha) bzw. das Risiko für einen Fehlalarm (alpha) berücksichtigt UND die Trennschärfe (1-beta) bzw. das Risiko für Nicht-Entdecken (beta).
Die Normen habe ich nicht und kann deshalb auch nicht nachvollziehen, welche Formeln dort aufgeführt sind, allerdings macht es keinen Sinn wegen der unterschiedlichen Anwendungen dieselben Formeln zu nehmen. Der einfachste Weg die gängigsten Formeln zu diesen und anderen Themen zu finden ist sich eine Minitab-(Demo-)Version zu besorgen und in der hervorragenden Hilfe bei „Methoden und Formeln“ nachzuschauen wie die k-Werte berechnet werden.
Alternativ gibts die gebräuchlichsten Formeln in
Mathews, Paul (2010). Sample Size Calculations: Practical Methods for Engineers and Scientists.
Mathews Malnar und Bailey, Inc. ISBN 9780615324616.
und eine extrem umfassende Sammlung in
Krishnamoorthy, Kalimuthu und Thomas Mathew (2009). Statistical Tolerance Regions: Theory, Applications, and Computation.
Wiley. ISBN 9780470380260.Die ISO 16269-6:2005 ist zurückgezogen und durch die ISO 16269-6:2014 ersetzt worden. Auf der ISO-Seite http://www.iso.org gibt es eine wunderbare Vergleichsfunktion für die alte und neue Variante (leider nur vollständig nutzbar wenn Du die Normen bei der ISO gekauft hast). Die Vorschau-Funktion liefert immerhin für die ersten paar Abschnitte einen schicken Vergleich und meistens steht im Vorspann einiges dazu drin, was sich in der neuen Version geändert hat.
Den Versionsvergleich gibts so:
- Seite zur ISO 16269-6:2014 aufrufen
- Knopf „Preview ISO 16269-6:2014“ anklicken
- Das Redlines-Icon finden (schwarzes Symbol grau hinterlegte Leiste über dem Normtext) und anklicken
- „Compare ISO 16269-6:2014 with previous edition ISO 16269-6:2005“ auswählen und schon wird die Welt bunt
Viel Spaß mit der Anwendung & viele Grüße
Barbara
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