Maschinenfähigkeit?2004-04-22T10:43:39+01:00

QM-Forum Foren Qualitätsmanagement Maschinenfähigkeit?

Ansicht von 10 Beiträgen – 1 bis 10 (von insgesamt 10)
  • Autor
    Beiträge
  • Martin_B
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 4

    Hallo.
    Ich bin bei uns nicht der QM-Freak, muß es aber ausbaden, was die Kollegen sich ausdenken. Wir stehen kurz vor dem Hochlauf des neuen Produktes und sollen jetzt für jeden(!!) der 550 Schweißroboter eine Maschinenfähigkeit nachweisen. Zu diesem Zweck sollen 50 komplette Fahrzeuge aufgebaut und zerstörend geprüft werden. Kann das richtig sein? Meiner Meinung nach genügt es doch, die meßbaren Parameter beim Schweißprozess eines Roboters über 50 Fahrzeuge zu erfassen und entsprechend auszuwerten – besser noch sogar ohne den Einfluß des Produktes d.h. nur zu untersuchen, ob die Maschine in der Lage ist 50 mal die Meßwerte innerhalb ihrer Toleranzen zu erreichen. Wie müßte denn dann eigentlich die Prozessfähigkeit nachgewiesen werden? Bin für jede Hilfe dankbar. Gruß Martin

    Frank_Hergt
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 1530

    Hallo Martin!

    Rein mal vom grundsätzlichen technischen Verständnis, ohne jetzt in die Statistik und in die Schweißtechnik zu gehen, gedacht:
    Die Maschinenfähigkeit kannst Du sicher untersuchen, indem Du überprüfst, mit welcher Streuung und welchem Mittelwert der Roboter das tut, was er soll. Ich würde aber auch dabei die Parameter (Strom über Zeit, mechanische Stellgenauigkeit z.B.) unabhängig gemessen haben wollen und mich nicht nur auf die Werte verlassen, die der Roboter und die Schweißsteuerung selber ausgeben.
    Für die Prozeßfähigkeit brauchst Du aber das Produkt. Frage ist dabei dann noch, wie viele Versuche Du machen mußt, um die vom Produkt hineingebrachte Streuung (Lage der Fügestelle, Genauigkeit der Fügung (also, wie sauber liegen die Bleche), Blechdicken, Schwankungen der Legierungsbestandteile) sauber zu ermitteln. Um die Kosten in Grenzen zu halten, würde ich ermitteln, ob die Prüfungen nicht zerstörungsfrei (Röntgen, Wirbelstrom, Ultraschall) durchgeführt werden können. Das müßten Dir Eure Schweißexperten sagen können. Dann kannst Du die Qualifikation während des Serienanlaufs durchführen und die Karossen anschließend verkaufen (oder für Crashtests verwenden ;-).
    Ich würde mich aber auf jeden Fall nie mit der Maschinenfähigkeit alleine zufrieden geben. Dabei kannst Du üble Überraschungen erleben.

    Schöne Grüße

    Frank

    PS: Was sagt die Literatur eigentlich darüber, wie Toyota das macht? Die haben immer noch die sauberste Automobilfertigung der Welt.

    Martin_B
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 4

    Hallo, Frank.
    Danke für die schnelle Antwort. Der Schweißfachingenieur bei uns im Werk bin ich selbst, das wäre nicht das Problem. Aber warum sollte ich die Meßwerte aus dem System anzweifeln? Eine externe Meßeinrichtung wäre nicht weniger Fehlerbehaftet. Was die Prozeßfähigkeit angeht: 5000 Schweißpunkte X 50 Karossen = 250000 Schweißpunkte. Zerstörende Prüfung geht nicht – wer sollte das leisten? Ultraschall o.Ä. funktioniert nicht immer Prozesssicher und ist Werkerabhänig. Wie kann ich außerdem alle Einflußgrößen (Temperaturen, Schichtdickenschwankungen, Blechdickenschwankungen, Legierungsveränderungen……….) innerhalb einer doch so begrenzten Untersuchung erfassen? Das geht nicht! Ein so komplexer Serienprozess hat eine Unmenge von Einflußgrößen.
    Was Toyota macht weiß ich leider nicht, aber zu verdanken haben wir´s denen ja (SABOTAGE!?).
    Gruß Martin

    Martin_B
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 4

    …und noch ´ne Frage:
    Muß ich die Prozessfähigkeit für jeden der 550 Roboter nachweisen, oder genügt es, den Nachweis an einem zu erbringen (dann könnte man nämlich gut eine aussagefähige zerstörende Prüfung über eine größere Anzahl von Teilen durchführen. Die Ausrüstung der Roboter ist ja gleich.

    Frank_Hergt
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 1530

    Hallo Martin!

    Externe versus interne Meßeinrichtung: Bei der externen gehe ich davon aus, daß sie kalibriert, damit auf internationale Normale rückführbar ist und damit die Fehlergrenzen bekannt sind. Wenn Du das für die internen Geber und Strommesser (viele Schweißmaschinen haben gar keine!!!) auch schaffst, geht das in Ordnung. Eigentlich müßten die Hersteller entsprechende Untersuchungen haben. Automobilindustrie ist doch gut im Lieferanten-zwiebeln, oder? ;-)
    Prozeßfähigkeit für jeden Roboter: Halte ich nicht für notwendig. Da reicht die Maschinenfähigkeit, die ja beweisen muß, daß die Dinger innerhalb gewisser Grenzen gleich sind.
    Einflußgrößen abtesten: Vom Prinzip her, indem man sie bewußt steuert. Überlegen, welcher Parameter in welche Richtung geht, und dann die, die in die gleiche Richtung gehen, zusammenfassen und möglichst noch überfahren. Z.B.: In Richtung zu stark geschweißt gehen sicher: Hoher Schweißstrom, hohe Hallentemperatur, dünnes Blech. Also: Halle volles Rohr heizen (oder Heizstrahler lokal aufstellen, Autos oder Probekörper vorwärmen), Schweißstrom etwas über die zu erwartende Obergrenze hochdrehen, für Probekörper Blech an die untere Toleranzgrenze abschleifen lassen.
    Kosten: Welche Einfluß hat es, wenn Du statt Autos Probekörper nimmst?
    Prüfungen: Wie stellt Ihr in der Serie fest, ob eine Schweißnaht ok ist? Irgendwelche Kriterien muß es doch geben. Und die quantifizierst Du, so gut wie möglich.
    Toyota: Über die gibt’s Bücher. Die schreiben sogar selber welche. Frag‘ Deine QM-Kollegen, ob sie die haben. Wenn nicht: selber kaufen! Kannst Du bei Q-Leuten gut mit Eindruck schinden…..

    Viel Glück

    Frank

    Martin_B
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 4

    Hallo, Frank.
    Das mit dem Lieferanten zwiebeln scheint nicht mit allen zu funktionieren, da diese Nachweise eigentlich im Lieferumfang entalten sein müßten. Wir haben an unseren Schweißrobotern eine integrierte Primärstromüberwachung sowie externe Drucksensoren um die Kraft der Schweißzange zu kontrollieren. Der von mir vorgeschlagene Roboter verfügt außerdem im Rahmen eines Betriebsversuches über eine Prozessüberwachung, die den zeitlichen Verlauf von Strom und Spannung aufzeichnet.
    Wenn Du jetzt sagst, dass ein Roboter für den Nachweis der Prozessfähigkeit genügt ist das zwar schön (ich seh´s ja auch so…) aber als Argument für unsere selbsternannten Zertifizierer wird das nicht genügen. Gibt es da verbindliche Vorgaben, die sich etwas genauer auf meinen speziellen Fall beziehen (Wenn die Kollegen ein Buch dazu haben, müßten sie ja auch wissen was drin steht, aber die verhandeln mit uns wie auf dem Basar…“na gut, dann zerstört ihr eben nur 6 Fahrzeuge….“!???)?
    Mit dem Prüfkörper habe ich nichts anderes als einen Teilaufbau des Fahrzeuges (z.B. einen Längsträger – eines der schwierigeren Bauteile) gemeint um die Ergebnisse auf den Rest der Fabrik zu übertragen.
    Danke übrigens für Deine Hilfe!

    Frank_Hergt
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 1530

    Hallo Martin!

    Prozeßüberwachung über Sensoren: Wie gesagt, Grundfrage ist, ob die Dinger kalibriert sind. Wenn nicht: Entweder machen oder vergessen.
    Einzelne Roboter: Nein, definitive Vorgaben gibt’s da nicht. Aber den gesunden Menschenverstand. Wenn einer wie der andere schweißt, sind sie austauschbar. Wenn Du ohnehin die Maschinenfähigkeit bei allen nachweist, würde ich für die Prozeßfähigkeit die nehmen, die an den Enden der Verteilung liegen. Also den mit dem größten und den mit dem kleinsten Zangendruck und den mit dem größten und kleinsten Strom. Könnte sich lohnen, alle zusammen graphisch als Punkteschwarm darzustellen und dann die vier zu nehmen, die in den vier Ecken am weitesten draußen liegen. Das sollte auch den Qualitätern gefallen, Grafik kommt immer gut ;-)
    Basar: Sei doch froh, ich neige eher zur absoluten Diktatur…..
    Stückzahlen: Könnte sich lohnen, noch mal mit den Statistikern zu reden. Entweder Deine oder hier im Forum Barbara und Florian Padrutt. Aber die wollen immer quantitative Aussagen, nicht nur gut/schlecht. Und unter 25 Stück wirft da keiner sein Excel an.
    Prüfmethoden: Ist das, wo ich noch mal am massivsten ansetzen würde. Eine quantitative Aussage ist um so vieles stärker als eine qualitative, das spart einen Haufen Prüflinge. Und eine Frage hast Du mir noch nicht beantwortet: Wie überwacht Ihr die Nähte nachher in der Serie?
    Nochmal Toyota: Ich kenne zwar nicht die Details, aber eins weiß ich: Die stecken einen Riesenaufwand in ihre Serienanläufe und fahren ihre Linien erst auf Tempo, wenn sie alle, aber auch alle Kinken draußen haben. Erstens werden sie so insgesamt billig und zweitens merkt man’s deutlich in der Pannenstatistik. Kannst Du jeden Deutschen gegen vergessen. Auch und gerade S-Klasse, 7er und A8!

    Schöne Grüße

    Frank

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Martin,

    eins ist mir absolut unklar: Welcher Zweck hat Untersuchung der Maschinenfähigkeit? Hat sich das „nur“ jemand ausgedacht oder gibt es eine konkrete Vorgabe?

    Ich würde erstmal eine grobe Überschlagsrechnung machen, was diese Untersuchung kostet und welchen Nutzen sie hat. Dieses Verhältnis scheint mir bei Euch nicht wirklich ausgewogen zu sein…

    Wenn das Ziel ist, die Maschinenfähigkeit zu untersuchen, dann wird überprüft, ob die Maschinen das machen, was sie sollen. Bei der Prozessfähigkeit wird untersucht, ob das Ergebnis den Vorgaben entspricht. Bei beiden Fähigkeitsuntersuchungen werden gewisse Streuungen als „normal“ bezeichnet; ist die Streuung „zu groß“, ist die Maschinen- oder Prozessfähigkeit nicht gegeben.

    Um die Fähigkeit beurteilen zu können, brauche ich also eine Basis, die mir sagt, was normal oder tolerierbar ist. Auf dieser Basis wird dann ein statistisches Modell konstruiert, wo die Grenzen von normal oder tolerierbar sind (z. B. 3-Sigma-Grenzen bei Normalverteilung).

    Bei der Prozessfähigkeitsuntersuchung ist es wegen der Vielzahl von möglichen Einflussfaktoren erstmal wichtig diejenigen zu finden, die einen signifikanten Einfluss auf das Ergebnis haben. Im zweiten Schritt wird die Höhe dieses Einflusses quantifiziert (wenn z. B. die Temperatur 5 Grad über dem Mittel liegt, dann wird die Ergebnisqualität um 2% gemindert o. ä.) Im nächsten Schritt werden dann die wichtigen Einflussfaktoren optimal eingestellt und in der laufenden Produktion überwacht, ob das Modell funktioniert oder (ärgerlicherweise) wichtige Einflussgrößen vernachlässigt wurden. Und ganz am Ende dieser Untersuchung steht dann die Aussage, ob ein Prozess fähig ist oder nicht.

    Erst wenn ich weiß, welche Faktoren mein Ergebnis maßgeblich beeinflussen, kann ich diese Einflussgrößen auch steuern. Es ist viel zu aufwändig, in komplexen Prozessen alles unter Kontrolle haben zu wollen – wichtig ist das zu kontrollieren und zu steuern, was das Ergebnis beeinflusst.

    Also hier die konkreten Fragen an Dich:
    *Welches Ziel soll mit der Maschinenfähigkeitsuntersuchung erreicht werden?
    *Habt Ihr die Maschinen und den Produktionsprozess schon mit statistischen Verfahren nach relevanten Einflussgrößen und diese quantifiziert?

    Viele Grüße

    Barbara

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Frank, hallo Martin,

    hier noch etwas zur Gut-Schlecht-Prüfung (qualitativ) gegenüber der quantitativen Prüfung:
    Bei der qualitativen Prüfung werden die Informationen sehr hoch verdichtet (es ist entweder hopp oder topp). Das kann sinnvoll sein, wenn die qualitative Prüfung zu aufwändig ist oder der Prozess relativ robust im Bezug auf das geprüfte Teil ist (wenig Streuung durch Unterschiede).
    Vorteil der quantitativen Prüfung: Die Untersuchung ist sehr viel detaillierter, Qualitätsminderungen im Endergebnis können auf Streuungsschwankungen beim Input zurückgeführt werden. Nachteil: Häufig sehr viel aufwändiger.

    Ab wann statistische Verfahren sinnvoll sind, hängt vom untersuchten Prozess und den verwendeten Methoden ab. 25 ist ein Grenzwert für Normalverteilungsmethoden, bei sehr instabilen Prozessen mit vielen Störgrößen ist das aber deutlich zu wenig. Es gibt andere Verfahren, die schon für sehr kleine Stichprobengrößen anwendbar sind. Grundsätzlich werden statistische Verfahren mit zunehmender Stichprobengröße besser; es muss allerdings immer berücksichtigt werden, welcher Aufwand für die Messung anfällt und wie hoch der (voraussichtliche) Nutzen ist.

    Viele Grüße

    Barbara

    QM-Planer
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 73

    Hallo Martin,

    50 Karossen zu zerstören, ist sicherlich nicht der richtige Weg.
    Bei Nutzung der normalerweise vorhandenen Kapazitäten (Festigkeitslabor) wärt ihr 1/2 bis 3/4 Jahr mit der Untersuchung beschäftigt. Die Frage ist auch, wer diese Karossen bezahlen soll. Denn der Stückpreis ist in der frühen Phase doch sehr hoch.

    Üblich ist eigentlich während der Anlaufphase die optimalen Schweissparameter zu ermitteln. Den Nachweis kann man nur durch zerstörende Prüfung (z.B. Linsendurchmesser) ermitteln. Dazu knüpft man ca. 7 bis 10 Karossen auf. Diese Angabe kann natürlich varieren. Um die Parameter für die einzelnen Schweissroboter zu ermitteln, reicht es auch je nach Operation/Arbeitfolge die entsprechenden Untergruppen zu prüfen.
    Im Prozess erfolgt dann normalerweise die Überwachung der Schweissparameter (Schweissstrom). Liegt der Schweissstrom ausserhalb des Toleranzfeldes, sollte die Steuerung eine Fehlermeldung geben bzw. den Prozess anhalten.
    Sind alle Parameter definiert und bestätigt, erfolgt in der laufenden Serie eine Stichproben-Überwachung mit Ultraschallgeräten. In definierten Zeitabständen werden zusätlich Karossen bzw. Untergruppen zerstörend geprüft.

    mfg

    Arne

Ansicht von 10 Beiträgen – 1 bis 10 (von insgesamt 10)
  • Sie müssen angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.
Nach oben