Log-Normalverteilung, Prozessfähigkeit2012-12-26T21:32:13+01:00

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  • Stefan741
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    Beitragsanzahl: 46

    Eine Frage zum R-Paket „tolerance“. Das Paket bietet ja Toleranzvorschläge für verschiedenste Verteilungsformen, z.B. Normalverteilung, LogNV sowie verteilungsfreie Toleranzvorschläge. Könnte man dies nutzen, um einen Fähigkeitindex abzuschätzen, wenn keine NV vorliegt?

    Ich sehe hier den Vorteil, dass ich eine Aussage bekomme wie „mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% liegen 99% der Messwerte innerhalb der berechneten Toleranz“. Dann den Tol.-Vorschlag ins Verhältnis zur Vorgabetoleranz setzen und schon hat man einen Fähigkeitsindex, kombiniert mit einer Aussage zum Unsicherheitsfaktor.

    Mit den allgemeinen Formeln für Prozessfähigkeit bin ich nicht klar gekommen:
    Cp = (OSG-USG)/(Q99,865%-Q0,135%)
    Cpku = (Q50%-USG)/(Q50%-Q0,135%)
    Cpko = (OSG-Q50%)/(Q99,865%-Q50%)
    Cpk = min(Cpku , Cpko)
    Grund: Dadurch, dass sie nicht alle Abweichungen der Einzelwerte in Relation zum Mittelwert oder Median betrachten, kommen oft keine brauchbaren Toleranzvorschläge oder Fähigkeitsindizes raus.

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Stefan,

    es gibt keine Berechnungsmethode, die unabhängig von der Art der Messdaten, des Prozesses und der Einflüsse im Prozess belastbare Fähigkeitskennzahlen liefert. Auch die nicht-parametrischen Fähigkeitswerte aus dem R-package „tolerance“ funktionieren nur dann zuverlässig, wenn die Prozess-Ergebnisse in jeder Stichprobe dieselbe Verteilung haben. Es ist nur unwichtig, wie genau diese Verteilung aussieht, solange sie immer gleich aussieht.

    Sobald wichtige Einflüsse im Prozess die Messwerte verändern, so dass sie schief werden, mehrere Häufungspunkte / Gipfel haben, über die Zeit Trends / Hüpfer / Sprünge auftreten, müssen die Einflüsse gefunden und mathematisch erfasst werden, um die Prozessleistung beurteilen zu können. Eine zuverlässige Bewertung von Prozessen mit Einflüssen ist mit keiner der heute gängigen Berechnungsmethoden für Prozessfähigkeitswerte möglich.

    Kennzahlen mit wenig bis keiner Aussagekraft gibt es natürlich immer. Und klar kennt die Statistik auch Möglichkeiten, Prozesse mit Einflüssen hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit zu bewerten, nur eben nicht mehr über 1-3 Formeln. (Kurzer Werbeblock: In meinem Buch steht eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie das geht. Infos dazu NOT-Statistik. Nachweise führen, Optimierungen finden, Toleranzen berechnen mit Minitab und R. )

    Auch bei den Toleranzberechnungen ist für Kennzahlen nach den verwendeten Formeln in „tolerance“ ein Prozess ohne relevante Einflüsse Voraussetzung. Im Unterschied zu Prozessfähigkeitswerten gibt es für die Toleranzrechnungen Formeln, mit denen für Prozesse mit Einflüssen die Toleranzgrenzen ermittelt werden können. Dafür müssen die Einflüsse zuerst über ein statistisches Prozess-Modell (z. B. ANOVA, Regression,…) beschrieben werden.

    Diese Formeln sind allerdings nicht Excel-tauglich und ich kenne kein Programm, in dem die hinterlegt sind. Beschrieben werden die Formeln in

    Krishnamoorthy, Kalimuthu; Mathew,Thomas (2009). Statistical Tolerance Regions: Theory, Applications, and Computation.
    Wiley. ISBN: 9780470380260.
    Achtung: Das ist ein Statistik-Fachbuch und auch mit mathematischem Hintergrundwissen eine Herausforderung (s. Blick ins Buch bei Amazon).

    Letztlich ist die Prozessfähigkeitsbewertung auch mit statistischen Methoden davon abhängig, wie gut Du Deinen Prozess und die Einflüsse im Prozess kennst, nur dass bei der Statistik eben noch ein paar mehr Verfahren dazu kommen, sobald es relevante Einflüsse im Prozess gibt (was meiner Erfahrung nach so gut wie immer der Fall ist). Wenn Du wenig bis kein greifbares Wissen über die Einflüsse und Wirkstrukturen im Prozess hast, kann kein Prozessfähigkeitswert bzw. keine Formel eine belastbare Bewertung liefern.

    Viele Grüße

    Barbara

    ————
    Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
    (Ernest Rutherford, Physiker)

    Stefan741
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 46

    Hallo Barbara,

    vielen Dank für deine Ausführungen. Das hilft mir schon sehr weiter.

    Auslöser für das Ganze sind neue Kundenanforderungen, wodurch seit Jahrzehnten gängige Toleranzen stark eingeschränkt werden. Die Messwerte können nicht normalverteilt sein, das liegt in der „Natur der Sache“.
    Jetzt habe ich über ein Jahr verteilt rund 1200 Werte stichprobenartig ermittelt und ausgewertet. Bis auf Ausreißer (Ursache bekannt, unser Fehler) ähneln die einzelnen und die gesamte Verteilung einer linksschiefen Normalverteilung (es ist einfach, kleinere Werte zu erhalten, als größere).

    In die mathematischen Tiefen werde ich nicht weiter vordringen. Die Auswertungen mittels R und der GMV müssen reichen.
    Ich denke, damit jetzt eine Toleranzabschätzung treffen können, mit der wir die nächsten Jahre das Bauteil ohne relevanten Ausschuss fertigen können.

    Viele Grüße

    Stefan

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