QM-Forum › Foren › Qualitätsmanagement › Lieferantenbewertung – alle oder nur wichtige?
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Hallo QM-FK,
es scheint ein typisch deutsches Problem zu sein, auf Skandale und Probleme mit noch mehr Bürokratismus zu reagieren. Überbordender Bürokratismus sorgt letztlich wiederum für Lücken, weil er in der Praxis nicht umsetzbar ist, da dies keine Kontrollinstanz leisten kann oder Lücken schafft, weil man halt nicht alles bis ins kleinste Detail regeln kann.
Beim ersten Aspekt, kann der gewillte Unternehmen ganz einfach damit rechnen, dass er von Behörden nicht behelligt wird, weil diese das einfach personell nicht schafft.
Für den letzten Aspekt kann man gut das Steuerrecht betrachten. Wir haben zig Tausende Steuergesetze und Regelungen und doch Lücken groß wie Scheunentore für diejenigen, die diese zu nutzen verstehen.
Das naheliegende, die einfache und doch umfassende Lösung, wie z. B. eine Haftung des Verkäufers gegenüber dem Endverbraucher und eine Verpflichtung zur Prüfung der von ihm verkauften Lebensmittel, ist zu hart und zu trivial.
Schöne Grüße
Vivian
Hallo Vivian:
(Sorry Pranne, wenn wir Dein Thema als Anlass für eine ausschweifende Diskussion nehmen.)
Im Bereich Medical existiert genau diese Haftung und sie funktioniert:
Wer sein Label auf die Packung macht, ist Hersteller im Sinne der Gesetzgebung und haftet voll gegenüber dem Kunden.
Er kann sich lediglich über QSV und sonstige Verträge versuchen, abzusichern. Tritt der Schaden ein, wird der „Labeler“ zur Kasse gebeten. Er kann sich hiervon getrennt per Regress an seinen Lieferanten wenden. Das ist simple und einfach geregelt.
„Ich bin nur Händler, will aber durch eine Umetikettierung verschleiern, wer wirklich Hersteller ist“, funktioniert da nur mit voller Haftungsübernahme.
Verwende ich Zukauf-Komponenten, muss ich als Hersteller sicherstellen, dass die OK sind. WE-Prüfungen sind überall angesagt.Lebensmittel können – im Fehlerfalle – so kritisch sein wie Arzneimittel. Ich kann hier nämlich mit wenig Aufwand und mit einer Charge große Bevölkerungsteile massiv schädigen.
Was ist daran zu hart?
Warum muss man als Konsument von sehr bekannten deutschen „Markenprodukten“ hinnehmen, dass die Ware trotzdem aus Fernost oder sonst wo herkommt? Warum müssen wir Erdbeeren aus China essen und bekommen vorgegaukelt, sie kämen aus Deutschland oder der EU?Unsere Bauern sind wieder bei 25 ct / Liter Milch angelangt; wenn ich aber die native Milch direkt beim Bauer meiner Wahl kaufen will, macht der sich strafbar, weil er nicht die volle Batterie an Prüfkosten für seine 25 Liter Tagesausbeute stemmen kann und daher nicht an privat verkaufen darf.
Das sind die gleichen Kosten wie für 25000 Liter in der Großmolkerei.In Deutschland darf jeder, der einen Kochlöffel halten kann und einen IHK-Kurs besucht hat, für andere kochen.
-> http://www.muenchen.ihk.de/de/recht/Gewerberecht/Gaststaettenrecht/Gastwirteunterrichtung
Um ein sterilisiertes Pflaster zu verkaufen, muss man i.d.R. bereits eine Ausbildung in einem naturwissenschaftlichen, medizinischen oder technischen Beruf erfolgreich abgeschlossen haben und auf die jeweiligen Medizinprodukte bezogen geschult worden sein. -> § 31 MPG
Der Hersteller dieser Pflaster wird regelmäßig, d.h. jährlich überprüft. -> 93/42/EWG. Künftig auch unangekündigt.
Für Betriebe, welche Lebensmittel verarbeiten, braucht man – korrigiere mich, wenn ich mich irre – keinerlei Ausbildung.
Die staatliche Überprüfung ist, wie die Bio-Eier aktuell zeigen, auch ziemlich für die Tonne.Ich finde – da ist noch einiges an Potential für Ausgleich und Verbesserungen.
Die gleiche Diskussion über Zertifizierung und Überwachung oder nicht, wie sie jetzt bei den Lebensmitteln geführt wird, wurde 1994 – 1999 im Bereich der Medizinprodukte geführt. Und es hat nicht zu dem groß angelegten Sterben der Kleinstbetriebe geführt. Nur die „Hinterhof-Manufakturen“, welche sich schon mit einfachsten Q-Nachweisen schwer getan hatten, haben damals gleich aufgegeben. Die Reihe der schwarzen Schafe wurde ausgedünnt …Viele Grüße
QM-FK
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Don’t think it – ink it.Hallo QM-FK,
du musst meinen letzten Beitrag mit einem Schuss Sarkasmus lesen. Dann bin ich komplett bei Dir.
Ich finde es schon lange skandalös, wie mit Lebensmitteln umgegangen wird und wie die Lebensmittelüberwachung in Dtl. gehandhabt wird.
Man möchte sich nicht vorstellen, was sonst noch so ungeprüft und unterkannt auf unserem Teller gelandet ist, nur weil Missstände nicht zufällig aufgefallen sind oder ein Insider geplaudert hat.
Schöne Grüße
Vivian
Tschuldigung Vivian,
hatte tatsächlich den Schuss Sarkasmus ins falsche Ohr bekommen.
Jetzt: oh je: der Staat will’s jetzt durch Kontrollen richten.
Also, liebe Futtermittel- und Lebensmittelverarbeitungsindustrie:
Es wird hart durchgegriffen – wohl ab 2019 [:D], denn staatliche Umsetzungen sind i.A. kobüwelt[;)].(„kompliziert, bürokratisch, wenig effizient, langsam, teuer“).
Die aktuelle Skandalliste zeigt’s ja (Q.e.d.)
Viele Grüße
QM-FK
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Don’t think it – ink it.AnonymGast4. März 2013 um 12:47 UhrBeitragsanzahl: 2122Allein die Nennung der Hersteller, der Produktnamen, insbesondere aber auch der Gastronomiebetriebe mit Ekelfaktor wäre eine qualitätsfördernde Maßnahme, bei dem der mündige Verbraucher entscheiden kann, ob er weiterhin dort Kunde sein möchte.
Martin S
Kennt eigentlich jemand die Begründung, warum Verstöße nicht öffentlich gemacht werden?
Gruß
Evereve99
„Hast Du die ganzen Ausrufezeichen bemerkt? Fünf? Ein sicheres Zeichen für jemanden, der seine Unterhose auf dem Kopf trägt.“
– TERRY PRATCHETT, MUMMENSCHANZHm, Google findet nicht das, was ich meine gelesen zu haben, aber das hier scheints zu treffen:
Kippt der Lebensmittelpranger?
–Rainaari
Es gibt Gerichtsurteile gegen Behörden, weil diese die Klappe zu weit aufgerissen hatten:
Zitat:
„Das Birkel-Urteil des OLG Stuttgart
Als Ausgangspunkt für eine Analyse der Rechtsprechung bietet sich schon aus chronologischer Sicht das sogenannte „Birkel-Urteil“ des OLG Stuttgart aus dem Jahr 1990 an. Diesem lag ein Lebensmittelskandal, der sogenannte Flüssigeiskandal, zu Grunde. Mitte der achtziger Jahre hatten Laboruntersuchungen und andere Überwachungsmaßnahmen aufgedeckt, dass Teigwaren auch in Deutschland zum Teil mit Flüssigei insbesondere aus den Niederlanden hergestellt worden waren, zu dessen Produktion angebrütete Eier verwendet und in dem Spuren von Kükenembryonen und Darmbakterien vom Huhn festgestellt worden waren. Auf der Grundlage von Analysen des chemischen Untersuchungsamts der Stadt Hamm gab das Regierungspräsidium in Stuttgart am 15.08.1985 eine Pressemitteilung heraus. Darin wurde neben Produkten und Herstellern mit Sitz in Baden-Württemberg, die unzweifelhaft derart verunreinigtes Flüssigei verwendet hatten, auch ein Unternehmen genannt, die Firma Birkel, in dessen Teigwaren zwar ebenfalls mikrobielle Verunreinigungen festgestellt worden waren, bei denen aber nach dem Bericht des Untersuchungsamtes in Hamm bislang unklar war, woher diese Verunreinigungen rührten. Trotz dieser nicht eindeutigen Ursachen- ermittlung wurde die Firma in der Pressemitteilung und weiteren öffentlichen Äußerungen des Regierungspräsidiums in einem Atemzug mit den Produzenten genannt, die nachgewiesenermaßen gepanschtes Flüssigei verwendet hatten.
Das OLG Stuttgart sah in dem nachfolgenden Schadensersatzanspruch in den Verlautbarungen des Regierungspräsidiums einen Eingriff in den durch Art. 12 GG geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Firma Birkel.
Dieser Eingriff war als Amtspflichtverletzung auch rechtswidrig und führte zum Schadensersatz in Höhe von über mehr als 40 Millionen DM.“
Dieses und weitere Urteile können nachgelesen werden in:
http://www.hfv-speyer.de/HILL/Lehrangebot/Wintersemester-2004/Instrumente/Referate/Semmann,%20Philipp/Seminararbeit.pdfViele Grüße
QM-FK
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Don’t think it – ink it.Mal zurück zum Thema…..
Die Frage ist grundsätzlich legitim. Welche Lieferanten muss ich bewerten, welche muss ich auditieren.
Ich habe mich immer geweigert, den Lieferanten für das Toilettenpapier oder die Büroklammern zu bewerten. Macht auch nicht viel Sinn.
Macht auch nicht viel Sinn, einen Lieferanten zu bewerten, bei dem man 1x im Jahr für 100 Euro bestellt, ausser diese Lieferung hat einen direkten Einfluss auf die Produktqualiät.
Auch beim Auditieren ist das so eine Sache.
Es ist bestimmt lustig, eine Anfrage an EON oder RWE zu senden bzgl. Auditierung. Vor allem, wenn man in einem Betrieb mit 50 Nasen tätig ist. Die Heiterkeitsausbrüche sind bestimmt sehenswert.
Grundsätzlich habe ich immer alle Lieferanten bewertet, die mir Zubehörteile geliefert haben, welche einen direkten Einfluss auf das Produkt hatten. Dazu gehörten auch Schraubenlieferanten. Auch habe ich denen immer eine Bewertung zukommen lassen. Sieht auch immer gut aus, wenn der Auditor kommt.
Dazu gehören auch die entsprechenden Maßnahmenpläne. Logo.
Interessant ist es aber erst in der TS. Da wird es kniffliger. Vor allem dann, wenn der Kunde gleichzeitig der Lieferant ist. Kommt ja vor, dass man vom Kunden Beistellteile erhält. Da habe ich schon mal einen OEM mit „C“ beurteilt, weil die Liefertreue und die Qualität nicht passten. War lustig, als ich dann ein Audit ankündigte.
Der oberste QM meinte dann, das wäre doch übertrieben. Ich habe ihn dann auf seine kundenspezifischen Forderungen verwiesen, in denen genau das gefordert wurde.
Was ich damit sagen will: Du musst die Norm UND die Kundenspezifischen Forderungen heranziehen. Danach wählst du deine Lieferanten aus. Es wird dir kein Auditor vorschreiben, deinen Klopapierlieferanten zu bewerten. Aber generell wirst du alle bewerten müssen, die in irgendeiner Art und Weise etwas liefern, was einen Einfluss auf die Produktqualität hat. Sei es Schrauben, Rohmaterial oder Betriebsmittel für deine Maschinen.Dino
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Unverständlichkeit ist noch lange kein Beweis für tiefe Gedanken.
M. Reich – Ranicki
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