QM-Forum › Foren › Qualitätsmanagement › ISO 9001 und PISA
-
AutorBeiträge
-
Hallo Forum,
Nur so nebenbei ein Gedankenspiel:
Angesichts der zweiten Pisa-Studie, habe ich mich gefragt, was wohl wäre, wenn man Schulen nach ISO 9001 zertifizieren würde. (Ich weiss, es gibt schon welche…)Die Schüler, Unis und Betriebe würden Kundenanforderungen stellen und den Erfolg der Erfüllung bewerten. Jedes Fach hätte eine Kennzahl und würde gnadenlos kontinuierlich verbessert.
Die Frage, die mich aus Qualitätersicht wirklich bewegt: Würde es dadurch besser???
Gruß aus dem Norden
QMarc
Ich bin eindeutig dagegen, dass man unbedingt alles zertifizieren muss. Die schlechten Noten sind ein gesellschaftspolitisches Problem und nicht durch eine Zertifizierung der Schulen in den Griff zu bekommen. Schließlich gehen auch genug Firmen die zertifiziert sind Pleite. Eine Zertifizierung ist wie wir alle wissen kein Allheilmittel.
AnonymGast25. November 2004 um 10:54 UhrBeitragsanzahl: 2122Hallo QMarc,
Dein Grundgedanke hierzu ist gut, nur musst Du die derzeitigen Rahmenbedingungen beachten:
1. Deutschland ist föderalistisch aufgebaut, d.h. 16 Kultusministerien ergeben 16 verschiedene Anforderungen an Bildungssysteme und damit 16 verschiedene QM-Systeme. Zwar gilt 1+1 =2, aber die Bundesländer sehen das wohl anders.
Zuerst muss also dieser überteurte Föderalismus abgebaut werden, das wäre der 1. Schritt zu einem einheitlichen Bildungsstandard in Deutschland.2. Überaltetes Bildungsystem und überforderte Lehrer in Deutschland. Hier gehört dem Bildungssystem zunächst mal eine Frischzellenkur verordnet. Warum wird in der 11. Klasse Gymnasium noch auf alten Schinken wie Goethes „Leiden des Werther“ oder Sophokles „Antigone“ rumgeritten.
Dann wird auf deutschen Schulen noch das sture Pauken (Auswendiglernen) als Lenrmethode eingesetzt, anstatt die Kreativität und das bildliche Denken zu fördern.3. Verunsichernde Reformen. Lachplatte Rechtschreibreform. Sparzwang bei Lernmitteln.
Kurzum: Kürzungen bei unserem wertvollstem Rohstoff, dem Wissen.
Das wirkt alles sehr motivierend auf unsere Schüler…
Gruß,
Martin S
Hallo zusammen,
ich finde, eine Zertifizierung an Schulen nicht besonders angebracht (ist meine ganz persönliche Meinung!). Allerdings sollten auch an Schulen Kontrollmechanismen geben, um Lehrer zu beurteilen. Es gibt einige, die reisen sich alle Beine für die Schüler aus und machen und tun und andere sind echt faule Hunde. Dazwischen liegt natürlich noch der großteil als normales Mittelfeld.
An den Unis gibt es ja bereits Evaluationen für die Profs und Lehrbeauftragte, was bereits schon so Personalumstellungen geführt hat. Und Studenten bewerten hart aber fair (ich habe eine Studie über mehrere Semester betreut, die ich zu 100 % nachvollziehen kann). So etwas sollte auch an den Schulen eingeführt werden!
Wir Ingenieure kriegen ja auch in irgendeiner Art eine Leistungsbeurteilung, die sich auf unser Gehalt auswirkt!
(ich könnt‘ mich da noch stundenlang darüber auslassen aber dann fall ich meistens in ’ne Stammtischargumentation weil mich das tierisch nervt – drum hör ich etz auf!)Grüße Alblondie.
Hallo QMarc,
da es genug Firmen gibt, die zwar ein Zertifikat an der Wand haben aber das nicht nachhaltig umsetzen, ist eine Pflicht-Zertifizierung für mich auch kein Weg, das deutsche Bildungssystem zu verbessern.
Die Kundenzufriedenheit zu messen ist sicherlich ein interessanter Weg. Nur hat die Schule mehr als nur die Schüler als Kunden, auch die Eltern, das Kollegium, das Ministerium und spätere Arbeitgeber sind Kunden der Schule – und da fängt die Schwierigkeit mit der Bewertung an.
Auch heute sind Schulleiter/innen und das Lehrerkollegium schon mit der Umsetzung zahlreicher Erlasse belastet. Hier wird die Qualität nicht durch mehr Forderungen besser, sondern durch das Ausmisten bestehender Forderungen und die schrittweise Umgestaltung der Arbeitsverhältnisse.
Um die Qualität des deutschen Bildungssystems zu verbessern, müsste deshalb zuerst in der Gesellschaft ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass sehr gute Bildung eine duetlich höhere Priorität bekommt. Nach unserer demografischen Entwicklung können wir es uns schlicht nicht leisten, dass die Schüler in immer größeren Klassen schlechter unterrichtet werden.
Wir brauchen ein Bewusstsein wie beispielsweise in Finnland, wo es als Makel gilt, wenn ein Kind die Versetzung nicht schafft. Die Finnen senken dafür nicht die Standards, sondern fördern jedes Kind so optimal und individuell, dass sie wieder Pisa-Sieger sind und trotzdem keine Sitzenbleiber haben.
Um Deine Frage zu beantworten: Nein, eine Zertifizierung würde die Qualität nicht verbessern, da das deutsche Bildungssystem an sich nicht funktioniert.
Viele Grüße
Barbara
Zertifizierung von Schulen? Da gibt´s für mich Pro und Kontra. Betrachtet man ausschließlich die Schule als (Dienst)Leistungserbringer, dann volles PRO – ohne Wenn und Aber.
Doch da gibt es noch den außerschulischen Bereich, der die Leistungsfähigkeit einer Schule und damit der Schüler meiner Meinung nach zu gut 50% bestimmt: Einfluss der „Oberen“, also Landesminsterium, KK, der Finanzhaushalt, …. Dazu natürlich auch die Eltern, mit der zunehmenden Tendenz der Verlagerung der familiären Probleme in die Klassenzimmer und der zunehmenden Meinung, dass für den Lernerfolg ausschließlich die Schule zuständig sei.
Und es ergeben sich Fragen:
– wer von den Lehrern soll während der 28 – 30 Wochenstunden auch noch QM machen?
– wie soll das mit der Messung der Kundenzufriedenheit gehen, wenn Schüler merken, damit kann ihr Lehrer stehen und fallen?
…
Nöö, ich bin kein Lehrer, habe aber über insgesamt 18 Jahre Schulzeit meiner 3 Kinder einiges erlebt.
Arme Kinder, armes Deutschland!Gruß Dietmar
Hallo Forum,
also eine kleine Anmerkung:
Das ganze war ein Gedankenspiel unter der Dusche heute morgen angesichts der Schlagzeilen und Diskussion verknüpft mit dem Tagesgeschäft als Qualitäter.Für mich war die Frage ganz einfach, ob ein geplantes, kontrolliertes System, wie auch immer gestaltet, bei den Problemen im Bildunssystem theoretisch helfen könnte.
Privat – so unter uns – bin ich der Meinung, dass das Hauptproblem im Frust von Lehrern, Schulen und Eltern liegt. Die Motivation der Lehrer sinkt nach Einstellung innerhalb der ersten 5 Jahre auf 20 % ab. Nur wenig können sich ihre Anfangsmotivation erhalten und weiter umsetzen. Frust herrscht über die Regulierung an Stelle von Ansporn, besser zu werden.
Ob das föderalistische System gut oder schlecht ist, lasse ich mal dahingestellt. Ich sehe immer den teilweise krassen Unterschied zwischen Schlesig-Holstein und Hamburg und da macht man sich so seine Gedanken.
Die Reaktion der Forumsteilnehmer zeigt jedenfalls eines: Wir denken drüber nach und das ist doch schon der erste Schritt.
In der Hoffnung auf viele weitere Kommentare,
Gruß aus dem NordenQMarc
Hallo Qualitöter,
gutes Thema!
da muss ich aber kräftig gegen die bisherigen Beiträge anstinken. Es erstaunt mich zum einen schon sehr, dass die Qualitöter dem Qualitätsgedanken so wenig zutrauen.
Zum anderen denke ich, es ist nur etwas ungewohnt, diesen Gedanken konsequent in die Bildung hineinzudenken. Ich komme aus dem Bildungsbereich und auch hier gibt es mittlerweile eine Menge Beispiele, dass die konsequente und ernst gemeinte Umsetzung von QM-Systemen eine Schule radikal reformiert (ganz gleich ob im öffentlichen oder im privaten Bereich, auch wenn die privaten es in der Regel leichter haben damit, weil sie wesentlich mehr Spielräume haben und nicht solchen aberwitzigen Zwängen und gut gehüteten, veralteten Traditionen unterliegen).Das Grundproblem, zumindest an den staatlichen Schulen ist doch, dass sie größtenteils noch nicht begriffen haben, dass sie Dienstleister sind. Wenn sie den Dienstleistungsgedanken wirklich ernst nehmen würden und damit realisieren würden, dass sie „Kunden (und auch noch verschiedenene)“ haben (die Anforderungen stellen), müssten die Ziele völlig anders definiert werden. Und wenn nicht mehr die Lehrer oder ein Ministerium oder ein Rahmenlehrplan die Ziele vorgibt sondern die Ziele definiert werden müssen hinsichtlich der Kundenanforderungen, dann müsste die Schulrealität komplett umgekrempelt werden. Das bedeutet dann nämlich konkret die Voraussetzungen der Schüler einzubeziehen und die spätere Verwertbarbeit durch die Schüler zu bestimmen.
Das müsste sich zwangsläufig zum Beispiel auf den Literaturkanon und auf die Unterrichtsmethoden auswirken. Die sich ständig verändernde gesellschaftliche Realität müsste einbezogen werden.
Und wenn man schon alleine an das Thema „Kundenbefragung“ denkt. Im Dienstleistungsbereich, vor allem im Bildungsbereich ist es auch jetzt schon völlig normal, dass man verschiedene Kundengruppen hat) Diejenigen Lehrer, die jetzt von Schülern und Eltern über Jahrzehnte geduldet werden müssen, müssten sich warm anziehen.
Die größte Hürde dabei (so ein Schulleiter, der sich freiwillig auf die QM-Strecke begeben hat) sind die Lehrer, die sich ja nicht gerne in die Karten scheuen und beurteilen lassen!
Da ist eine Menge Musik drin.
Viele Grüße IngeHallo Inge,
für mich ist das nicht die Frage, ob die Schule den Dienstleistungsgedanken umsetzen will oder nicht, sondern ob sie es heute kann. Auch wenn einzelne Schulen das geschafft haben, sehe ich keine Chance für die breite Masse, aber nicht weil der Wille fehlt, sondern die Möglichkeiten, sowohl personell als auch zeitlich als auch monetär.
Deshalb muss sich auch m. E. erst etwas an dem System ändern, bevor die Schule zum Dienstleister werden kann und bevor die Qualität des Bildungssystems nachhaltig verbessert wird.
Viele Grüße
Barbara
Hi Marc,
Dein Thema hat wohl bald aufgrund der Aktualität und Teilnahme der Forumsmitglieder ein flammendes Zeichen vorne drann !
Meine Meinung dazu, ohne in das politische abzudriften, ist folgende:
– Ein zertifiziertes Managementsystem, egal welcher Norm oder Spezifikation, sagt noch lange nichts über die Qualität des hergestellten Produktes/Dienstleistung aus!
– Wenn eine Zertifizierung nur auf Druck (Kunde od. Gesellschaft)angestrebt wird, wird es nicht gelebt und ist sinnlos!
– Eine Zertifizierung einer Bildungsstätte ist aufgrund der Individualität der Menschen (Lehrer und Schüler) = Prozessstreuung – wohl nie möglich, Gott sei Dank!
In der Q-Sprache: ist nicht prozessfähig, cpk < 1,33, 100 % Prüfung notwendig ;-)Wie waren denn die Zeiten unserer Eltern und Großeltern, wo man noch keine Zertifikate kannte und brauchte?
Leistungsbereitschaft, Ergeiz, gute Erziehung durch die Eltern, Wertschätzung der Menschen, Zusammenhalt, Nationalstolz, das waren die Zeiten, aus dem der Begriff „Made in Germany“ geschmiedet wurde und lange Zeit einen hohen Stellenwert hatte.Leider Vergangenheit!
Meine Übersetzung von „Made in Germany“:
„In Deutschland sind die Maden“Gute Zeit!
Qualyman – Qualitäter aus Überzeugung !
Hallo Barbara, hallo qualyman,
erstmal zu Barbara:
ich halte Dein Argument (entschuldige, wenn ich das so sage) für das typische TOTschlag-Argument: Das geht nicht, weil das System erst verändert werden muss, da das System aber nicht verändert werden kann, geht es gar nicht!Für mich ist tatsächlich die Frage, wo eine Systemveränderung anfängt. Wenn dieser Prozess erst einmal angeschoben ist und die „Kunden“ und alle Betroffenen erkannt haben, welche Potentiale da schlummern, dann wird der Prozess auch weitergehen. Solche Veränderungsprozesse dauern in der Regel 10-15 Jahre!
Zu qualyman:
Selbstverständlich kann man eine Bildungsstätte zertifizieren. Wir sind als Bildungsträger seit 8 Jahren zertifiziert, allerdings aus Überzeugung, und haben nur positive Erfahrungen damit gemacht, in jeder Hinsicht.
Bei Dienstleistern muss man die Prozesse nur ganz anders definieren und selbstverständlich einbeziehen, dass es sich um Menschen handelt und nicht um Maschinen.Viele Grüße Inge
Hallo Inge,
die heutige Lehrerschaft und Schulleitungen sind schon mit ihren bisherigen Anforderungen an die Grenze des Belastbaren gedrängt worden, deshalb sehe ich keinen anderen Weg als durch eine Systemänderung erst einmal Ressourcen freisetzen, bevor die konkreten Probleme angegangen werden. (Das bezieht sich auf staatliche allgemeinbildende Schulen, nicht in erster Linie auf Privatschulen und andere Bildungsträger).
Beamte sind in Deutschland ihrem Dienstherrn verpflichtet, nicht ihren anderen Kunden. Deshalb kann es auch nicht funktionieren, wenn ich den Schulen sage: „So, nun macht mal Qualität für alle Kunden.“ Dafür müssten sie viel mehr Freiräume, auch Entscheidungsfreiräume haben. Den einzigen wirklichen Entscheidungsfreiraum, den Staatsbedienstete haben, ist der, wann sie die Arbeit hinschmeißen. So kann das mit dem Qualitätsdenken nicht funktionieren.
Viele Grüße
Barbara
Hallo Barbara,
der Punkt mit dem Dienstherren ist doch genau das Problem! Haben Lehrer wirklich „hoheitliche“ Aufgaben und müssen Sie Beamte sein oder wäre es für die Gesellschaft besser, Ihnen Motivation durch Leistungshonorierung zu geben. Leidiges Thema, ich weiss…und politisch obendrein.
Dem Thema Kundenfokus kann ich nur voll zustimmen. Schulen sind Dienstleister und damit eigentlich auch extern überprüf- bzw. evaluierbar. Das Problem ist nur: Haben Eltern eigentlich die Wahl? Wenn ein Berater seine Leistung nicht bringt, nimmt man nächstes Mal einen anderen. Wenn die Schule dies nicht tut – was dann? Ich glaube viele Eltern fangen an das derart zu lösen, dass sie ihre Kinder auf die Waldorfschule schicken (ich habe dazu leider kein objektives Bild, höre aber oft Begeisterung).
Gruß
QMarcHallo QMarc,
Kinder zur Waldorfschule zu schicken ist dann eine Lösung, wenn die Eltern davon überzeugt sind dass es ihrem Kind dort besser geht und sie die Steinerschen Grundsätze mitleben wollen.
Es gibt aber nicht genügend Plätze an Waldorfschulen, um alle Kinder aufnehmen zu können, deren Eltern ihre Kinder dort unterbringen möchten.
Dazu kommt, dass die Kinder in eine weiter entfernte Schule gebracht werden müssen, also nicht alleine gehen können und ihre Klassenkameraden auch nicht um die Ecke wohnen. Die soziale Verbindung zur Schule und den Freunden ist so oft schlechter.
Deshalb ist auch die Beschränkung der Kundenzufriedenheit des Schülers / der Schülerin auf die Zufriedenheit mit einem Fach nicht alleine ausschlaggebend für eine hohe Qualität, genauso wichtig ist ein stimmiges Umfeld.
Im Grundschulbereich haben Eltern eigentlich keine Wahl, da die Schule vorgeschrieben ist. Ausnahme sind da nur freie Schulen (Waldorf, Montessori, etc.) und konfessionelle Schulen.
Wie Eltern das machen? Entweder sich selbst engagieren um die mangelhafte Qualität auszubügeln (siehe das umfangreiche Freizeit- und Kursangebot im Nachmittagsbereich) oder sie hoffen, dass ihre Kinder keinen zu großen Schaden nehmen oder sie ignorieren das Problem.
Viele Grüße
Barbara
Hallo,
ich bin mit dem Thema noch nicht am Ende….
.
Wo fangen Systemveränderungen an? Das ist doch die entscheidende Frage! Wer sollte heute die Entscheidung treffen, dass die Ressourcen vergrößert werden müssen (in Zeiten leerer Kassen). Solche Veränderungen passieren immer vom „kunden“ her.
Wenn der Qualitätsgedanke einmal sich in den Schulen wirklich bei den Betroffenen eingefressen hat, dann beginnen Veränderungsprozesse. Auch das Thema Beamtentum ist heute kein Tabu-Thema mehr. Siehe die Verändeungsprozesse in der Bundesagentur!).
Nur, sind solche Prozesse mühsam, kritisch, schwierig, mit Irrtümern und Irrwegen behaftet, aber sie nagen sich in das System.Auch wenn das nicht wirklich am Thema ist, wollte ich dennoch bemerken, dass es sehr viele gute Konzepte von Privatschulen gibt, bei weitem nicht nur die Waldorfschule, das ist nur ein einziges, sehr spezielles Konzept. Und Privatschulen müssen nachgewiesenermaßen mit erheblich weniger Geld als staatliche Schulen auskommen, trotzdem ist der out-put, sind die Erfole oftmals viel besser.
Das für heute
Inge
-
AutorBeiträge
- Sie müssen angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.