Inverkehrbringen außerhalb EU ohne CE-Zeichen?2012-02-13T11:03:02+01:00

QM-Forum Foren Qualitätsmanagement Inverkehrbringen außerhalb EU ohne CE-Zeichen?

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  • generaldirektor
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    Hallo zusammen,

    folgender Fall: Produkt A wird derzeit weltweit (d.h. EU und Nicht-EU) ausgeliefert. Im EU-Bereich werden die Auslieferungen dieses Gerätes in Kürze durch das Gerät B ersetzt, da nur das Gerät B der neuen Haupt-Norm entspricht. Die Übergangsfrist der alten Norm endet in Kürze. Das Gerät A wurde nicht mehr nach der neuen Norm geprüft und entspricht nur der alten Norm.
    Das Gerät A wurde aber auch separat in anderen Nicht-EU-Ländern (z.B. Nordamerika, Asien, etc.) zugelassen, in denen Zulassungsverfahren gelten (z.B. SFDA).

    Darf das Gerät A weiterhin in das entsprechende Nicht-EU-Land – ohne weitere Änderungen/Anmeldungen/Zulassungen/etc. ausgeliefert werden, solange die lokale Zulassung des Gerätes noch gültig ist?
    Wenn bisher ein CE-Zeichen auf dem Typenschild des Gerätes A angebracht war: Muss dieses CE-Zeichen auf dem Typenschild entfernt werden (weil das Gerät nicht mehr im EU-Raum ‚inverkehrgebracht‘ werden darf) oder darf das CE-Zeichen dort verbleiben (weil es in dieser Ausführung in dem jeweiligen Land zugelassen wurde)?

    Einen Re-Import der Geräte in die EU können wir ausschließen.

    Ich habe den Fall zunächst so allgemein wie möglich gehalten. Um präziser zu werden: es handelt sich um ein Medizinprodukt und die Norm ist die EN 60601-1.

    RalfAb
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 313

    Hallo,

    Bin zwar kein Medizingeräte-Dingens, würde aber sagen :
    1. wenn das Gerät weiterhin den im Empfängerland gültigen Normen entspricht muss es nicht geändert werden. Haben sich z.b. ISO – Normen geändert muss ich natürlich handeln.
    2. Das CE würde ich grundsätzlich entfernen. Man weiss ja nie wo am Ende ein Gerät landet. Und ist es mit CE gekennzeichnet, kann jederzeit ein EU-Kunde die Konformitätserklärung nachfordern, bzw. es gibt unangenehme Diskussionen. Denen kann man ja einfach vorbeugen.

    Ralf

    mosigkauer
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 85

    Hallo generaldirektor,

    viele Zulassungen in Ländern außerhalb der EU beruhen auf EG-Zertifikaten. Ich meine in deinem Fall die Richtlinie 93/42/EG aber auch zur ISO13485. Da euer Produkt A nicht mehr die Richtlinie einhält, ist grundsätzlich auch die Zulassung in anderen Ländern zu prüfen.
    Das CE-Zeichen ist meiner Meinung nach auf jeden Fall zu entfernen.

    mosigkauer

    medi12
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 683

    Servus zusammen,

    ich sehe das ein klein wenig differenzierter. Zum einen verweisen nicht alle anderen Länder auf das gute alte EG-Zertifikat (Japan, USA, Brasilien etc), was bedeutet, dass das Gerät durchaus noch dahin verkauft werden kann, sofern es den dortigen Ansprüchen genügt. Wenn es dann ohne CE gelabelt ist, darf es auch nicht in Europa eingeführt werden und man ist erst einmal aus dem Schneider.

    Was das CE allein betrifft, tja, Normen und die MDD. Das ist ein heikles Thema und ich werfe jetzt mal was in den Raum: Die MDD fordert die Erfüllung der dort beschriebenen grundlegenden Anforderungen. die MDD fordert jedoch nicht die Erfüllung spezieller Normen. Das Normen als gutes Maß für die Erfüllung verwendet werden können – keine Frage, aber sind sie das alleinige Mittel dafür? Ich denke rein MDD-technisch gesehen – nein, auch wenn das der üblichen Sichtweise entspricht. Und selbes gilt auch dafür, ob man immer die neueste Norm geprüft hat.

    Mal ein einfaches Beispiel: Norm A schreibt für einen fiktiven Parameter einen Grenzwert von X=100 vor. Man hat das Gerät nach dieser Norm getestet und kam auf einen Wert von X=50, also voll im Soll. Jetzt kommt eine neue Version der Norm raus A-01 und die schreibt als Grenzwert X=75 vor. Muss ich dann nochmal testen, nur damit ich einen neuen Schein habe? Nein, denn mein Gerät erfüllt die Norm ja noch immer.

    OK, bei der 60601 gab es dann doch einige Änderungem mehr (3rd vs. 2nd).

    Lange Rede kurzer Sinn, falls Du wirklich mit Gerät A und CE weitermachen willst, ohne nochmal eine Testprozedur bei einer entsprechenden Stelle durchzuführen, gibt es folgenden Weg:

    1. Würde ich mal prüfen, ob das alte Gerät der Norm wirklich nicht entspricht, oder ab das nur bis jetzt noch nicht getestet wurde.
    2. Würde ich mal bewerten, was die Nichterfüllung denn wirklich heißt – Risikoanalyse.
    3. Würde ich mit der Benannten Stelle Kontakt aufnehmen und die Situation klären.

    Das ganze kann allerdings zum Eiertanz ausarten, also Vorsicht dabei. Die Bretter werden dünner.

    Bewerten muss man bei dieser Sache allerdings auch den Haftungsfall. Folgt das Gericht der eigenen Argumentation wenn man die Erfüllung der Normen in aktueller Ausgabe nicht nachweisen kann? Fraglich. Reicht aber die Erfüllung einer Norm aus, um den aktuellen Stand der Technik zum Thema Sicherheit nachzuweisen? Ebenfalls fraglich, aber man hat schon bessere Karten.

    So, und jetzt bin ich gespannt, was da so über mich hereinprasselt.

    Gruß,
    medi

    geändert von – medi12 on 14/02/2012 10:52:19

    Nonvolio
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 22

    Hallo medi12,

    ich glaube nicht, dass da was auf dich einprasseln wird. Die Normen sind in der MDD nicht erwähnt – die Erfüllung ist also Privatvergnügen. Warum wir es ja trotzdem alle machen, liegt genau daran, was du schon geschrieben hast: es sind die technischen Standards, über die am ehesten ein Einvernehmen erzielt werden kann. Leider fördert das auch Denken nach Schema F (nach dem Motto: Häkchen an DIN x und weiter im Text).
    Weil es nunmal die Standards sind, erfordert eine Abweichung eine gute und belastbare Begründung, und das dazugehörige Risikomanagement. Es wird vermutlich auch schwieriger, so etwas im Haftungsfall zu vertreten, aber die entscheidende Richtlinie ist und bleibt die MDD.

    frohes Schaffen,
    Nonvolio

    QM-FK
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 469

    Hallo, Nonvolio,

    der Nachweis der Konformität gemäß MDD liegt essentiell auf der Erfüllung der Anforderungen gemäß Anhang I. Sicher sind die Normen auf freiwilliger Basis anzuwenden, doch haben die harmonisierten Normen, inkl. die Reihe 60601-X-Y, eine besondere Bedeutung, da sie den Stand der Technik darstellen:
    Ich zitiere die Richtlinie:

    „Die in den Anhängen festgelegten grundlegenden Anforderungen und sonstigen Anforderungen, einschließlich der Hinweise auf Minimierung oder Verringerung der Gefahren, sind so zu interpretieren und anzuwenden, daß dem Stand der Technik und der Praxis zum Zeitpunkt der Konzeption sowie den technischen und wirtschaftlichen Erwägungen Rechnung getragen wird, die mit einem hohen Maß des Schutzes von Gesundheit und Sicherheit zu vereinbaren sind.“

    „Artikel 5 – Verweis auf Normen

    (1) Die Mitgliedstaaten gehen von der Einhaltung der grundlegenden Anforderungen gemäß Artikel 3 bei Produkten aus, die den einschlägigen nationalen Normen zur Durchführung der harmonisierten Normen, deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wurden, entsprechen; die Mitgliedstaaten veröffentlichen die Fundstellen dieser nationalen Normen.“

    Oder Anhang II:
    „3.3. Die benannte Stelle führt eine förmliche Überprüfung (Audit) des Qualitätssicherungssystems durch, um festzustellen, ob es den Anforderungen nach Abschnitt 3.2 entspricht. Bei Qualitätssicherungssystemen, die auf der Umsetzung der entsprechenden harmonisierten Normen beruhen, geht sie von der Übereinstimmung mit diesen Anforderungen aus.“

    Ganz so freiwillig sind sie also keinesfalls.

    Viele Grüße
    QM-FK

    Don’t think it – ink it.

    medi12
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 683

    Servus QM-FK,

    es ist richtig, dass man davon ausgeht, dass die Einhaltung von Normen gleichzusetzen ist mit der Erfüllung der grundlegenden Anforderungen (sofern man die richtigen Normen hat, klar). Das heißt aber nur, dass man es einfacher hat, wenn man den Normen folgt. Der andere Weg bleibt trotzdem beschreitbar.

    Nebenbei, es ist übrigens nicht unbedingt richtig, dass Normen immer dem Stand der Technik entsprechen. Meist dauert es Jahre, bis sie harmonisiert werden und bis dahin hat sich die Technik schon wieder weiterentwickelt. Sich also allein auf Normen zu berufen könnte im Fall eines Gerichtsverfahrens nicht ausreichend sein.

    Gruß,
    medi

    generaldirektor
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 7

    Hallo nochmal,

    Zu meiner Fragestellung sehe ich nun meine zuvor angepeilte Lösung als bestätigt: Das CE-Zeichen muss weg.
    Danke für die Antworten.

    Die Diskussion wurde aber auch in eine interessante Richtung gelenkt, mit der ich mich auch ab und zu auseinandersetzen muß. Vor kurzem hatte ich irgendwo gelesen, dass die aktuellen Normen nicht gleichbedeutend mit dem oft zitierten „Stand der Technik“ ist. Vielmehr kann der „Stand der Technik“ bereits weiter fortgeschritten sein (wie mein Vorposter schon sagte) und man ist deswegen nicht unbedingt auf die Norm angewiesen.

    In der 60601-1 gibt es ja das Kapitel 4.5 mit der gleichwertigen Sicherheit. Das ist ja die Lösung für genau solche Fälle. Das Problem ist nur, diese abweichend umgesetzte Sicherheit dem Auditor/der Benannten Stelle klar rüberzubringen und dazu kommt noch der zusätzliche (Dokumentations-)Aufwand, den manche kleinere Unternehmen nicht so einfach bewältigen können/wollen.
    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Auditoren/Prüfer die Norm als „Gesetz“ auslegen und Wort für Wort penibelst exakt umgesetzt sehen wollen. Ich frage mich manchmal woher das kommt: Fehlende Praxisnähe der Behörden oder zu strenge Prüfvorgaben (Interne Richtlinie, ZLG, oder…).

    QM-FK
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 469

    Muss‘ mal eine Lanze für Auditoren brechen:
    Auditoren müssen oft Sachverhalte prüfen, in denen sie sich nicht sicher fühlen.
    In der Regel werden sie unzureichend auf ihre Aufgaben vorbereitet: Fast alle Lehrgänge zielen darauf ab, den Normentext zu vermitteln. Waren Anfang der neunziger Jahre noch 4-6-wöchige Kurse erforderlich, um den Auditorenschein zu erhalten, genügen heutzutage Tageskurse, um die Anforderungen der akkreditierte zu erfüllen.
    Die Zertifizierer stehen im harten Wettbewerb, so dass auch die Kosten der Auditoren bei der Dienstleistungserbringung eine immer größere Rolle spielen.
    Die Zertifizierungsgesellschaften haben im Allgemeinen zwei strategische Möglichkeiten:
    Entweder sie halten für alle möglichen Fachbereiche genügend interne Auditoren vor, oder sie bedienen sich des Freienmarktes, um Spezialisten in der betreffenden Technologie zu beauftragen.
    Bei den Medizinprodukten verlangt der Akkreditierer (ZLG), dass die Auditoren nicht in dem betroffenen Sektor direkt oder beratend tätig sind, nicht einmal ansatzweise. Die Durchführung eines Audits wird dabei bereits als Beratung ausgelegt.
    Wenn also eine Zertifizierungsgesellschaft auf externe Auditoren zurückgreift, ist das Spezialwissen bereits mindestens mehrere Jahre alt, andernfalls erfüllt er die Akkreditierungskriterien nicht.
    Schlimmer ist es, wenn einer Zertifizierungsgesellschaft ausschließlich mit internem Auditor arbeitet: Die vielen Spezialgebiete können einfach nicht durch wenige Auditoren abgedeckt werden. Dies führt dazu, dass einige Benannte Stellen die Auditierung nach EN ISO 13485 und die Begutachtung der technischen Dokumentation zu den Produkten strikt trennen.
    Als drittes muss man festhalten, dass die echten Spezialisten zumeist nicht zu den Zertifizierern gehen, weil sie in der Industrie ein Vielfaches verdienen können.
    Die Normen, einschließlich der EN ISO 13485, sind in weiten Bereichen völlig unpräzise und z.T. Sraxisfern geschrieben. Hinzu kommt noch, dass bei den Gesetzen und Normen die Dokumentation absolut im Vordergrund steht.
    Für die Prüfung der praktischen Umsetzung bleibt dabei oft keine Zeit mehr in dem ohnehin sehr eng gesteckten Audit-Zeitrahmen.
    Man darf nicht vergessen, dass im Medizinproduktebereich den harmonisierten Normen eine Sonderstellung zukommt, weil gemäß Medizinproduktegesetz die Benannten Stellen bei der Erfüllung dieser Normen von der Konformität auszugehen haben (Konformitätsvermutung).
    Warum viele Auditoren die Norm wie ein Gesetzestext interpretieren, liegt also nicht unerheblich an den Vorgaben.
    Bei fast allen Gesellschaften muss man Schwachstellen bzw. Abweichungen immer in Bezug auf die Norm formulieren. Andernfalls muss man sich als Auditor zu Recht den Vorwurf gefallen lassen, dass man bei der Begutachtung Gutdünken ansetzt.

    Das Thema ließe sich noch unendlich weiter fortsetzen.

    Aber schau mal in den Briefkasten (Mail vom 13.02. 16:11)

    Viele Grüße
    QM-FK

    Don’t think it – ink it.

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