Erweiterte MU bei Zugversuch2014-01-27T19:41:49+01:00

QM-Forum Foren Qualitätsmanagement Erweiterte MU bei Zugversuch

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  • reticent
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    Hallo Gemeinschaft,

    ich bin auf der Suche nach einem Beispiel zur Bestimmung der erweiterten Messunsicherheit im Zugversuch. Hat von Euch zufällig jemand etwas hierzu?

    Vielen Dank im voraus.

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo reticent,

    hm, schwierig. Hängt von der Mess-Situation ab, für die Du die Messunsicherheit (MU) ermittelst.

    Ich würd erstmal klassisch mit einem Fischgräten-Diagramm anfangen und alle möglichen Einflussgrößen für DEINE Mess-Situation sammeln, die das Mess-Ergebnis verändern können. Anschließend kannst Du Dir dann überlegen, welche davon tatsächlich überprüft werden sollen und nach welcher Methode (A Versuch oder B Kennzahlen aus Dokumenten, s. VDA 5, ISO 22514-7 und GUM 4.2 und 4.3). Für ein Beispiel, das möglichst nah an Deiner Anwendung liegt, kannst Du Dir einfach ein paar Zahlen ausdenken.

    Das Berechnen selbst ist dann ziemlich einfach, weil nur die einzelnen Standardabweichungen quadriert, addiert und am Ende aus der Summe die Wurzel gezogen wird.

    Alternativ könntest Du auch bei elsmar.com stöbern, was da von den Usern gepostet wurde.

    Viele Grüße

    Barbara

    ————
    Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
    (Ernest Rutherford, Physiker)

    reticent
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 23

    Hallo Barbara,

    nach langer Abwesenheit wollte ich dieses Thema nochmal aufgreifen.

    Ein Ishikawa mit sämtlichen Einfluss-/ Störfaktoren habe ich bereits ausgearbeitet und letztendlich den Prüfer als auch die Prüfmaschine als Hauptfaktoren identifiziert. Nun ist die Frage: Wie weiter? Bei der Ermittlung der Messunsicherheit geht der Prüfer in die Berechnung nicht ein. Vielmehr ist es doch ein aufaddieren der einzelnen Unsicherheiten der Messkette (Kraft- bzw. Wegaufnehmer, Probenmaterial etc.). Die Unsicherheit des Prüfers ist dabei eher schwierig zu bewerten, da ich hierfür eine Art Referenzprobe benötigen würde, was jedoch aufgrund des zerstörenden Verfahrens eher schwierig ist.
    Im Moment stehe ich vor dem Problem eines entsprechenden Lösungsansatzes. Wie gelingt es mir eine Aussage zur Messunsicherheit zu treffen?
    Hintergrund ist, dass es seit einiger Zeit Unregelmässigkeiten bei den Ergebnissen des Zugversuches gibt, welche jedoch nicht auf die Zugproben zurückgeführt werden können. Ich suche eine Lösung dies entsprechend zu quantifizieren und durch entsprechende Massnahmen abzustellen…

    Bin für jede Hilfe dankbar!

    reticent
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 23

    Can anybody help me?

    Frank_Hergt
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 1530

    Hallo reticent!

    Sieht für mich nicht so aus, als kämst Du an einer Referenzprobe vorbei. Sie muß ja nicht deckungsgleich mit dem Teil sein, was nachher gefertig und geprüft wird. Wenn Du ein homogenes Material verwendest und Teile mit engen Toleranzen aus einer Charge davon herstellen läßt, sollten sie eigentlich sehr nahe beieinander liegende Werte liefern. Eventuell kann Dir der Hersteller der Prüfmaschine weiterhelfen. Wenn Du mal erzählst, was Du prüfen willst, kommen mir vielleicht auch noch Ideen.

    Der Prüfer als Hauptfaktor kommt mir persönlich etwas seltsam vor. Wenn die Aufnahmen und das Meßprogramm (Geschwindigkeiten!) festgeschrieben sind, sollte er eigentlich nicht mehr viel Unfug anrichten können. Hast Du Dich mal bei den Prüfungen danebengestellt und Dich mit den Prüfern unterhalten?

    Schöne Grüße

    Frank

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    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo reticent,

    hm, mir geht es ähnlich wie Frank: Die Unregelmäßigkeiten würde ich eher im Fertigungsprozess (neues Material/neuer Lieferant?) oder in grobem Unfug bei der Prüfung vermuten als in der Zugfestigkeitsprüfung selbst.

    quote:


    Ursprünglich veröffentlicht von reticent

    Ein Ishikawa mit sämtlichen Einfluss-/ Störfaktoren habe ich bereits ausgearbeitet und letztendlich den Prüfer als auch die Prüfmaschine als Hauptfaktoren identifiziert. Nun ist die Frage: Wie weiter?


    Du darfst für jeden Einfluss entscheiden, ob die Messunsicherheit über Versuche (Methode A) oder aus Dokumenten bzw. Herstellerangaben (Methode B) ermittelt werden soll.

    Wenn Versuche gemacht werden sollen, brauchst Du für die Bestimmung der Messunsicherheit bei 1 Prüfer mindestens 2 gleichartige Teile (s. Franks Posting) für 1 Versuch, deren Werte dann als Quasi-Wiederholung verwendet werden. Dasselbe gilt auch für alle anderen Arten von Wiederhol-Streuung, also auch für z. B. einen Vergleich von 2 oder mehr Messmitteln. Ohne (Quasi-)Wiederholung keine Streuung und ohne Streuung keine Mess-Unsicherheit.

    Es werden mehrere Versuche gemacht und pro Versuch werden mindestens 2 gleichartige Teile verwendet. Wie viele Versuche es insgesamt sind hängt von der Anzahl Einflussgrößen und deren Stufen ab, z. B. Anzahl Prüfer, Anzahl Messmittel, Anzahl…

    Wenn Dir die Versuchsanzahl mit Methode A explodiert, können D-optimale Pläne eine Möglichkeit zur Reduzierung des Versuchsaufwands sein.

    quote:


    Ursprünglich veröffentlicht von reticent

    Bei der Ermittlung der Messunsicherheit geht der Prüfer in die Berechnung nicht ein.


    Wieso das denn? Du kriegst doch nach VDA 5 / GUM / ISO 22514-7 auch einen Messunsicherheitsanteil für den Prüfer, der in der Gesamtrechnung berücksichtigt wird. Genauso wie die anderen von Dir genannten Unsicherheitskomponenten wird die Unsicherheit durch den Prüfer mit addiert.

    quote:


    Ursprünglich veröffentlicht von reticent

    Die Unsicherheit des Prüfers ist dabei eher schwierig zu bewerten, da ich hierfür eine Art Referenzprobe benötigen würde, was jedoch aufgrund des zerstörenden Verfahrens eher schwierig ist.


    Ja, das ist schwierig. Wenn Du darauf verzichtest wirst Du nie den Prüfer-Einfluss oder andere Einflüsse auf die Messgenauigkeit zahlenmäßig im Versuch erfassen können. Ich würd auch mal den Prüfmittelhersteller fragen, wie der denn seine Messmittel überprüft und zu den Messunsicherheits-Angaben auf den Zertifikaten kommt.

    Ich hoffe diese Ideen helfen Dir ein bisschen weiter bei der Ermittlung der Mess-Unsicherheit. Es wär spannend zu lesen, wie Du weiter vorgehst.

    Viele Grüße

    Barbara

    ————
    Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
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    Stefan741
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 46

    Hallo reticent,

    MSA bei zerstörender Prüfung ist ein spannendes Thema.

    Schade ist, dass man sich hier kein praxisbezogenes Bild machen kann. Wie Frank schon geschrieben hat, kämen da sicher Ideen.

    Zum Prüfereinfluss: Was genau sind denn die hier die Einflüsse? Man muss das genauer beschreiben.
    Beispiel Zugversuch Verklebung Stoffband zu einem festen Körper. Hier könnte entscheidend sein, dass der Zug auf die ganze Fläche gleichmäßig ausgeübt wird. Man kann mit homogenen Prüflingen erst untersuchen, ob der Einfluss signifikant ist (mal schräg einspannen, dann gerade einspannen). Anschließend verbessert man das Ganze (z.B. Klemmen für Prüflinge drehbar lagern), prüft nochmal und wertet die Ergebnisse aus.

    Den Fall, dass überhaupt keine homogenen Referenzteile zur Verfügung standen, hatte ich bisher zwei mal. Die Prozesse waren nicht fähig, man war sich aber nicht sicher, wie groß der Einfluss des Messsystems war. Da half es nur mittels einer umfangreichen FMEA alle Einflüsse (Herstellprozess und Messsystem) zu betrachten und nacheinander zu optimieren was möglich war. Mit der Prozessoptimierung wurden die Referenzteile genauer, wodurch wir wieder den Messprozess besser verstehen und verbessern konnten. Dann wurde wieder der Prozess optimiert usw. Das war natürlich alles sehr aufwändig und hat sich jeweils über viele Monate hingezogen. Aber es war es wert, die Erfahrungen konnten auf viele ähnliche Projekte übertragen werden.

    Wie bist du weiter vorgegangen?

    Gruß
    Stefan

    reticent
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 23

    Hallo zusammen und vielen Dank für Euren Input. Dieser hat mir schonmal etwas weiter gebracht.

    Ich bin in den letzten Tagen nochmals durch das Ishikawa gegangen und muss mich an dieser Stelle korrigieren: als potentielle Einflussgrössen habe ich zwar immernoch den Prüfer ausgemacht aber anstelle der Maschine ist der 2te Faktor die Methode : (
    Zwar arbeiten alle Prüfer nach definierten Ablauf (durch Prüfanweisung geregelt und geschult) aber trotz alledem unterscheiden sich die Messungen zum teil sehr. So ist z. Bsp. zu beobachten, dass der langjährige Prüfer in seinen Messungen weniger Varianzen aufweist als ein „jüngerer“ Prüfer. Sprich die Messwerte spiegeln die Erfahrung der Prüfer wieder.
    Hinsichtlich der Methode kann noch einiges optimiert werden – und dies wird jetzt auch gemacht.

    Schwankungen im Herstellprozess der Prüflinge würde ich trotzdem ausschliessen wollen, da bei der Untersuchung nahezu ähnliche Teile vorlagen: alles aus einer Charge und alle Proben wurden aus derselben gezogenen Stange geschnitten. Masslich lagen alle Proben im selben Bereich.

    In einem ersten Schritt würde ich nun die Methode bzw. den Messaufbau optimieren (anderes Spannwerkzeug) und anschliessend von allen Prüfern erneut Messungen durchführen lassen (selbe Charge und Proben aus identischer Stange).

    Was haltet Ihr von diesem Vorgehen? Zwar kann ich so immer noch nicht das Unsicherheitsbudget wegen fehlender Referenzproben bestimmen. Aber ich habe eine Möglichkeit eine eventuell eintretende Verbesserung zu messen, oder?!
    Gibt es eine günstige Möglichkeit eine Art GR&R durchzuführen oder brauche ich hierzu zwingend Referenzproben?

    Frank_Hergt
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 1530

    Hallo reticent!

    Hört sich für mich erst mal gut an. Wenn Du eine Ladung Proben hast, die sich nach GMV sehr ähnlich sein müssen, sollte es möglich sein, die durch die Messung erzeugte Streuung halbwegs sauber abzuschätzen. Und damit hast Du schon viel gewonnen. Und mit der Optimierung der Meßmethode hast Du ja auch schon den ersten Hebel, um sie zu verringern.

    Schöne Grüße

    Frank

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    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo reticent,

    Referenzproben brauchst Du für eine Prüfmittel- oder Messmittel-Fähigkeit (Cg, Cgk) sowie für die Ermittlung von Linearität & systematischer Abweichung und die regelmäßige Stabilitäts-Prüfung.

    Für eine Gage R&R brauchst Du quasi-gleiche Teile oder gleichartige Teile-Typen mit ähnlichen Eigenschaften, so wie Du sie schon jetzt zusammensammelst (gleiche Charge, gleiche Fertigungsbedingungen, usw.) Quasi-gleich heißt, dass sie so ähnlich wie möglich sind und einen sehr ähnlichen Wert liefern sollten, wenn das Mess-System gut ist (niedrige Quasi-Wiederholstreuung / EV).

    Du brauchst mindestens 5 unterschiedliche Teile-Typen, die im besten Fall den gesamten Anwendungsbereich/Toleranzbereich abdecken. Von diesen 5 unterschiedlichen Teile-Typen brauchst Du jeweils einige Repräsentanten (bei 5 Teile-Typen mindestens 3 gleichartige Teile je Teile-Typ, gerne auch mehr). Damit hast Du je Teile-Typ eine Handvoll gleichartiger Teile, die gleichmäßig auf die Prüfer aufgeteilt werden.

    Wichtig ist, dass jeder Prüfer mindestens 2 Repräsentanten eines Teile-Typs bekommt. Ob ein anderer Prüfer denselben Teile-Typ hat oder einen anderen, ist für die Auswertung (s. u.) relevant.

    Bei der Auswertung hast Du 2 Möglichkeiten (und kannst sie auch beide durchrechnen und schauen, ob es Unterschiede in den Aussagen gibt):

    • Variante 1: Auswertung als geschachtelte MSA/Gage R&R/Verfahren 2: Hier nimmst Du an, dass die Teile jeweils nur für 1 Prüfer ähnlich sind. Derselbe Teile-Typ von einem anderen Prüfer verwendet wird wie ein anderes Teil bewertet, d. h. ein anderer Prüfer kann denselben Teile-Typen verwenden oder einen anderen.
    • Variante 2: Auswertung als gekreuzte MSA/Gage R&R/Verfahren 2: Hier nimmst Du an, dass ein Teile-Typ ähnliche Ergebnisse liefern sollte, wenn unterschiedliche Prüfer Messwerte aufnehmen. Dafür muss jeder Teile-Typ von jedem Prüfer verwendet werden mit mindestens 2 gleichartigen Teilen je Prüfer. Wenn Du also 3 Prüfer hast und jeder 2 Messwerte aufnimmt, brauchst Du 3*2 = 6 Repräsentanten eines Teile-Typs.

    Je nachdem wie ähnlich die Repräsentanten der Teile-Typen sind, passt Variante 1 oder 2 besser.

    Viele Grüße

    Barbara

    ————
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    (Ernest Rutherford, Physiker)

    reticent
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 23

    Hallo zusammen und vielen vielen Dank für die vielen Denkanstösse!

    Ich hatte mich in der vergangenen Woche nochmals über die Daten gesetzt und bin einige Auswertungen gefahren. U.a. habe ich die auf beiden Maschinen ermittelten Werte in Form eines Bland-Altman Plots dargestellt. Dabei kam heraus, dass die eine Maschine eine nicht vernachlässigbare Verzerrung (Bias) aufweist.
    Somit stehe ich jetzt wieder am Ausgangspunkt dieses Themas, dass ich die Messunsicherheit beider Maschinen bestimmen muss/ sollte, da ich im Moment nicht abschätzen kann, welche der beiden Maschinen „genauer“ misst.

    Ich habe nun im GUM und in einigen Veröffentlichungen quer gelesen. Schlauer bin ich nicht wirklich geworden :(

    Wenn ich nun die Zugfestigkeit Rm heranziehe und hierfür die Messunsicherheit ermitteln will, dann gehen in diese Berechnung die folgende Faktoren ein:
    1. Probenquerschnitt der Rundprobe (Durchmesser)
    2. Zugkraft
    Um die Messunsicherheit nach Methode A (also anhand realer Messungen) durchführen zu können muss ich in einem ersten Schritt die Standardunsicherheit ermitteln. Richtig soweit? Hierzu habe ich folgendes gefunden:
    1. u_d = a/ wurzel(3) –> u_S0=wurzel([d^2]*[u_d^2]) wobei d der Mittelwert aus 12 Proben darstellt
    2. u_Fm = a/2 –> und hier hänge ich bereits

    Der Kraftaufnehmer der Maschine ist kalibriert und entspricht der Klasse 1 . Das sollte heissen, dass die MU 1% des angezeigten Messwertes entspricht? Zusätzlich sind für jeden Messwert die rel. Abweichung in % angegeben. Dies sollte für mich aber nicht wirklich relevant sein, oder? Infolgedessen wäre u_Fm= 1/2=0,5%.

    Die erweiterte Messunsicherheit ergäbe sich somit aus u_ges=wurzel([u_Fm^2]+[u_S0^2])?

    Irgendwie habe ich das Gefühl vollkommen falsch zu liegen. Ist die Ermittlung der Messunsicherheit wirklich so eine Black-Box, die nicht jeder versteht?

    Leider finde ich im gesamten Netz kein Beispiel zur Berechnung….nur kurze Abhandlungen. Und hier wird auch noch auf einen k-Faktor zurückgegriffen, welchen ich in meinen Formeln nicht unterzubringen weiss….

    Ihr seht, ich stehe voll im Dunkeln und sehe die Lösung des Problems nicht.
    Die MU würde ich gern bestimmen, damit ich auf teure Referenzkörper für eine Eignungsprüfung verzichten kann.

    reticent
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 23

    Noch jemand einen Tip?

    QM-FK
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 469

    Hallo, reticent,

    so ganz ist mir die Untersuchungsproblematik nicht ganz klar:
    Zugversuche (bei Klebekräften) hängen entscheidend ab von
    – der Reproduzierbarkeit / Homogenität der Charge der Prüflinge
    – Probennahme-Ort
    – der Zug-Geschwindigkeit (mm/Min)
    – Schädigungen / Kerbung des Materials
    usw.
    Gerade der signifikante Einfluss der Mitarbeiter sagt aus:
    Eine unterschiedliche Vorgehensweise bringt unterschiedliche Ergebnisse, was i.d.R. darauf zurückzuführen ist, dass andere Einflüsse wie Orientierung, Zuschneiden der Muster etc.
    Ich sehe hier weniger die Prüf-Maschine in der Pflicht, als die (unbekannten) Einflussgrößen.

    Oder liege ich ganz falsch?

    Viele Grüße
    QM-FK

    Don’t think it – ink it.

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo reticent,

    hm, Bland-Altmann funktioniert doch über den Vergleich von Wiederhol-Messungen mit unterschiedlichen Messmitteln, oder? Hast Du die gleichartigen Probekörper für jeweils beide Maschinen verwendet, um die Differenzen zwischen den Ergebnissen zu berechnen?

    Eigentlich müsstest Du über eine Kalibrierung der beiden Maschinen herausfinden können, ob und wenn ja welche der beiden Maschinen (ggf. auch beide) eine systematische Verzerrung haben. Vielleicht hat die eine Maschine eine Verzerrung nach unten und die andere nach oben, vielleicht ist es auch wirklich nur eine Maschine mit Verzerrung und die andere misst präziser. Kalibrierung ist IMMER Voraussetzung vor der Ermittlung der Mess-Unsicherheit (egal ob nach GUM, MSA 4, VDA 5, ISO 22514-7).

    Dass Du bei der Kalibrierung eine MU von 1% hast (was sehr gut sein kann, je nachdem wie diese MU ermittelt wurde) und dann im Bland-Altmann-Plot deutliche Unterschiede zwischen den Messmaschinen findest, erscheint mir etwas merkwürdig. Hier würde ich nachschauen, ob diese 1% dem entsprechen was Du an Differenzen im Bland-Altmann-Plot gefunden hast oder ob das unterschiedliche Größenordnungen sind.

    quote:


    Ursprünglich veröffentlicht von reticent

    Wenn ich nun die Zugfestigkeit Rm heranziehe und hierfür die Messunsicherheit ermitteln will, dann gehen in diese Berechnung die folgende Faktoren ein:
    1. Probenquerschnitt der Rundprobe (Durchmesser)
    2. Zugkraft
    Um die Messunsicherheit nach Methode A (also anhand realer Messungen) durchführen zu können muss ich in einem ersten Schritt die Standardunsicherheit ermitteln. Richtig soweit? Hierzu habe ich folgendes gefunden:
    1. u_d = a/ wurzel(3) –> u_S0=wurzel([d^2]*[u_d^2]) wobei d der Mittelwert aus 12 Proben darstellt
    2. u_Fm = a/2 –> und hier hänge ich bereits


    Also: Im (scheinbar) einfachsten Aufbau nach Methode A machst Du Wiederholmessungen und ermittelst darüber die Unsicherheit u_i bei einer Unsicherheitskomponente, z. B. bei einem festgelegten Durchmesser mit 12 gleichartigen Teilen n=12 Zugkraft-Werte x_i und dem Mittelwert xquer. Aus diesen Werten errechnest Du die Standardabweichung u_P [P: Probendurchmesser]
    u_P = Wurzel( 1/(n-1) Summe( x_i -xquer)^2 )

    Alternativ könntest Du nach Methode B die Unsicherheitskomponente u_P theoretisch ermitteln:
    Wertebereich für Probendurchmesser: m +/- a [z. B. Toleranzintervall um mittleren Wert m]
    u_P = Wurzel( 1/3 ) * a
    Das was dahinter steht ist die Rechteckverteilung, die als allgemeine Verteilung in der Mess-Unsicherheit verwendet wird, wenn keine Informationen über die tatsächliche Verteilung der Werte in dieser Unsicherheitskomponente bekannt sind.

    Bei der Zugkraft-Unsicherheitskomponente kannst Du ähnlich vorgehen. Für die Herkunft von a/2 kann ich nur raten: Es könnte sich dabei um 1/k handeln mit k Erweiterungsfaktor in der MU (oft k=2). Allerdings wird das nicht mit dem Prozentwert gerechnet, sondern mit den Absolutwerten. Du kannst aus dem Kalibrierprotokoll diesen MU-Wert bekommen und falls das irgend etwas mit U und k steht, daraus u ermitteln:
    U = k*u bzw. u = U/k
    Das ist dann eine theoretische Bestimmung der Mess-Unsicherheit nach Methode B. Wenn Du für die Zugkraft-Unsicherheitsbeiträge mit Methode A arbeiten willst, musst Du dazu eigene Versuche machen.

    Für eine elegante Umsetzung von Methode A lassen sich Versuchspläne verwenden, bei denen die unterschiedlichen Unsicherheitsbereiche geplant & gemeinsam geprüft werden. Der Vorteil liegt neben dem deutlich niedrigeren Versuchsaufwand im Vergleich zu „jede Unsicherheitskomponente einzeln testen“ in der Möglichkeit, auch Wechselwirkungen bzw. Interaktionen bestimmen zu können. Der Nachteil ist, dass ein gut zugeschnittener Plan ein bisschen was an Hintergrundwissen über statistische Versuchsplanung erfordert (Stichworte: allgemeiner vollfaktorieller Plan, D-optimale Auswahl von Planpunkten).

    Wenn Du dann alle Unsicherheitsbeiträge beisammen hast, ergibt sich die Messunsicherheit so:
    u = Wurzel( u_1^2 + u_2^2 + … + u_j^2 )
    mit u_1 bis u_j Unsicherheitskomponenten aus unterschiedlichen Bereichen (alle Werte sind Absolutwerte bzw. hier Zugkraftwerte, keine Prozentwerte)

    Die erweiterte Messunsicherheit U errechnet sich aus u durch den Erweiterungsfaktor k (s. o.)
    U = k*u
    Ursprünglich war in der Metrologie ein k=1 üblich, mittlerweile ist es eher k=2 (95%-Abdeckung). In der Statistik wird dagegen standardmäßig mit k=3 gearbeitet (99,73%-Abdeckung, z. B. Prozessfähigkeit, SPC).

    Weil es so viele verschiedene Unsicherheitskomponenten und Ermittlungswege gibt, ist das Thema ziemlich komplex. Im Netz findest Du nur sehr eingeschränkte Informationen, u. a. weil die verwendeten Formeln schwer im Internet darstellbar sind. Für eine solide Basis wirst Du ohne Druckerzeugnisse extrem lange brauchen und noch die eine oder andere Frustrationsklippe nehmen müssen. Hilfreiche Literatur ist z. B.

    • ISO 22154-7 [2012]: Statistical methods in process management – Capability and performance
      – Part 7: Capability of measurement processes

      International Organization for Standardization (ISO), erhältlich über http://www.beuth.de
    • ähnlich zur ISO 22514-7 (NICHT gleich!!!) VDA 5 [2011]: Prüfprozesseignung. Eignung von Messsystemen, Eignung von Mess- und Prüfprozessen, Erweiterte Messunsicherheit, Konformitätsbewertung
      Verband der Automobilindustrie (VDA), 2. Auflage, erhältlich über http://webshop.vda.de/qmc/
    • Pesch, Bernd [2010]: Messunsicherheit. Basiswissen für Einsteiger und Anwender
      Books on Demand, ISBN 9783839190265
    • MSA 4 [2010]: Measurement System Analysis (MSA-4)
      Automotive Industry Action Group (AIAG), 4th edition, ISBN 9781605342115, erhältlich z. B. über [url]www.tuev-buch.de[/i], Anmerkung: In MSA 4 gibt es keine erweiterte Mess-Unsicherheit; es werden andere Methoden für die Bewertung von Messprozessen beschrieben, z. B. Gage R&R

    Viele Grüße

    Barbara

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