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Guten Tag
Ich schreibe gerade eine DA über Annahmestichprobenprüfun nach AQL bei Packmittel (Tuben usw.)
Mich würde hierbei interessieren ob mir jemand Erfahrungswerte mitteilen kann.
zB. was für ein AQL-Wert bei Tubenlieferung (oder sonstigen Packmitteln)bei einer Losgröße von 50 000 reel ist.
Weiterhin wäre ich für jegliche Tipps, Anregungen und Erfahrungen diesbezüglich sehr dankbar!
Vielen Dank schonmal
Ein gestresster DiplomandHallo Gambas,
auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: AQL birgt Risiken, die Du nicht abschätzen kannst. Und es geht bei AQL auch never ever um Erfahrungswerte, sondern um echte Fakten. D. h. wenn Du eine Tubenlieferung kriegst, dann musst Du als erstes schauen, was Du testen willst (Anzahl geliefert=Anzahl erhalten: Ja/Nein, Anteil defekte Tuben, etc.) und welche Anforderungen Eure Prozesse an die Tuben haben. Dafür brauchst Du eine Vorerhebung bzw. vorhandene Daten. Erfahrungswerte von anderen nutzen Dir da nix.
Stell Dir vor, irgend jemand sagt Dir hier er hätte eine AQL von 2,5. Ihr habt auch denselben Hersteller. Du übernimmst also diesen Wert und baust darauf Deine Stichprobenplanung auf.
Was Du dabei nicht berücksichtigst, sind z. B. die logistischen Prozesse, auf denen die Tuben geliefert werden. Oder auch die Warenannahme in Eurem Betrieb verglichen mit dem Referenzbetrieb. Und wie die Beurteilung im Referenzbetrieb läuft, weißt Du auch nicht. Vielleicht haben die höhere oder niedrigere Anforderungen.
Kannst Du Dir auch nur halbwegs sicher sein, dass Eure Tubenqualität bzw. die AQL wenigstens in etwa mit der des Referenzbetriebs übereinstimmt? Von mir ein ganz klares NEIN.
Viele Grüße
Barbara
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Fakten hören nicht auf zu existieren, wenn man sie absichtlich übersieht. (Aldous Huxley)
Mein Problem ist unter anderem, dass die Stichproben die bisher gezogen wurden fernab von jeglichem Stichprobenumfang sind, wie sie AQL vorgibt (10 untersuchte Teile von 50000).
Außerdem lässt die bisherige Dokumentation der Prüfergebnisse mehr als zu wünschen übrig…im Grunde genommen wurde nach der Stichprobe das Los freigegeben und das wars.
Ich denke das liegt daran, das bei der Tubenabfüllung die Fehlerkosten nicht so hoch sind im Vergleich zu einer ausgiebigen Eingangskontrolle…Gruß
Hallo Gambas,
dann hab ich mal eine ganz blöde Frage: WARUM soll denn überhaupt eine Eingangskontrolle stattfinden, wenn es doch auch ohne geht? Ist das eine Beschäftigungstherapie für Diplomanden oder gibt es tatsächlich ein Problem? Ohne Problem wirst Du keine sinnvolle Statistik hinkriegen.
Viele Grüße
Barbara
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Fakten hören nicht auf zu existieren, wenn man sie absichtlich übersieht. (Aldous Huxley)
Geprüft wird in voher erwähntem Umfang z.B. Siegelnahtfestigkeit, Dichtigkeit, Position und Farbechtheit des Druckbildes usw….
Hierbei wurden schon manchmal in der Vergangenheit Fehler erkannt und Lose gesperrt….(hat vielleicht bisher auch gereicht, da Lose recht homogen sind)…
Ich denke es geht hierbei Hauptsächlich um die stärkere Einbeziehung des Lieferanten durch zB. Qualitätssicherungsvereinbarung…
Dies leuchtet mir auch ein….hab aber keinen Plan, wie ich ohne vorhandene Daten was einigermassen sinnvolles AQL betreffend machen soll.Hallo Gambas,
um es politisch völlig unkorrekt auszudrücken:
Ohne Arme keine Kekse!Wenn Du keine zuverlässigen Daten hast, dann musst Du welche erheben, sonst kannst Du auch keine zuverlässigen AQL-Pläne machen oder andere abgesicherte statistische Aussagen.
Ich würde Dir empfehlen, als erstes eine Bestandsaufnahme (Vorstichprobe) zu machen, damit Du überhaupt mal eine messbare Grundlage hast. Wichtig dabei ist, dass die Prüfungen
+zufällig
+repräsentativ
sein müssen. Da Du verschiedene Merkmale untersuchst, die sowohl attributiv als auch variabel sind, würd ich erstmal eine zufällig, repräsentative Stichprobe von mindestens 100 Tuben nehmen. (Je mehr, desto besser, denn je mehr Infos Du hast, desto genauere Aussagen kannst Du zur Qualität machen.)Bei den Merkmalen, die leicht zu beurteilen sind (beispielsweise Druckbild) kannst Du auch mehr Tuben untersuchen als bei den Merkmalen, die nur zerstörend oder sehr aufwändig geprüft werden können. Die minimale Anzahl für eine Vorstichprobe sind 30 Teile.
Und wie gesagt, fang erstmal damit an, die Größe des Problems und seine Auswirkungen zu beschreiben. Wenn die GL sieht, wie viel sie eine lasche Kontrolle kostet (z. B. durch Stillstände, Lieferverzug, Reklamationen, etc.), dann hast Du eine bessere Rückendeckung für eine echte Analyse.
Viele Grüße
Barbara
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Fakten hören nicht auf zu existieren, wenn man sie absichtlich übersieht. (Aldous Huxley)
Die Basis für eine vernünftige Stichprobengröße zu erstellen ist wirklich nicht einfach.
Ich hatte ja auch schon ein paar Threads weiter unten das Thema Sichproben, AQl usw. angesprochen.
Und es heißt immer wieder ohne vernünftige Datenbasis/Erfahrungswerte kann man keine Parameter festelegen.
Aber was ist, wenn man wie bei uns eine geringe, extrem schwankende Datenbasis hat?
– 5 Lieferungen bisher
– Losgrößen von 100-250
– Schlechtteile 5 % – 80 %Auf dieser Basis kann man IMHO keine vernünftigen Parameter für die tollen Staistikformeln festlegen und da dünkt mich das AQL-Verfahren doch recht brauchbar, wo ich jetzt weiß, wie groß die Stichprobe zu sein hat und wie hoh die Annahme/Rückweisequote ist
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Gruß aus Austria
WolfgangHallo Wolfgang, hallo Gambas,
Grundlage JEDER Stichprobenprüfung (egal ob AQL oder berechneter Umfang) ist IMMER eine stabile Gesamtheit bzw. stabile Ausgangswerte. Ich muss als erstes wissen, was ich denn genau prüfen möchte bzw. welche Eigenschaften meine jetztigen Lieferungen haben, d. h. ich muss als erstes etwas über das SOLL und die Anforderungen wissen.
Und dann kann ich darauf aufbauend schauen, ob sich die Situation ändert, d. h. ob das IST noch dasselbe ist wie das SOLL oder ob es deutliche Änderungen gegeben hat.
Das geht entweder über AQL-Tabellen oder über berechnete Umfänge und hat so gar nichts mit der ursprünglichen Ausgangssituation zu tun. Das ist einzig und allein die Art und Weise, in der weitere / zukünftige Lieferungen getestet werden und hat NICHTS mit der ursprünglichen Situation (dem SOLL) zu tun.
Der grundsätzliche technische Unterschied zwischen AQL und berechnetem Umfang ist folgender:
AQL:
Für jede Lieferung wird nachgeschaut, ob sich das SOLL verändert hat. Dabei wird der Losumfang jedes Mal neu berücksichtigt, d. h. je größer der Losumfang, desto größer der notwendige Stichprobenumfang.Beispiele
*Losgröße n=200, AQL=2,5% (SOLL-Vorgabe)
Kennbuchstabe nach Tabelle 31, Prüfniveau II (normal): G
Stichprobenumfang n=32
Annahmezahl c=2
Rückweisezahl d=c+1=3
*Losgröße n=300, AQL=2,5%
Kennbuchstabe nach Tabelle 31, Prüfniveau II: H
Stichprobenumfang n=50
Annahmezahl c=3
Rückweisezahl d=c+1=4berechneter Umfang:
Es wird bei der SOLL-Untersuchung festgelegt, welche SOLL-Situation bzw. welches Modell für die Lieferungen angenommen wird, beispielsweise ist der tolerierbare Anteil an defekten Teilen 2,5%(=AQL). Eine veränderte IST-Situation soll mit dem Risiko alpha=5% und beta=10% entdeckt werden. Verändert heißt dabei z. B., dass eine Lieferung mit mehr als 3% Schlecht-Teilen identifiziert werden soll, weil dann die Teile nicht mehr einfach verarbeitet werden können bzw. andere unschöne Sachen passieren. (Anders ausgedrückt: LQ=3%)Gesucht ist dann der Stichprobenumfang (und zwar unabhängig von der Losgröße!), mit dem eine statistisch signifikante Änderung des SOLL festgestellt wird.
Die Losgröße spielt deshalb keine Rolle, weil die charakteristischen Eigentschaften des IST durch die Stichprobe abgebildet werden, und zwar unabhängig davon, welchen Umfang das IST hat. (Wichtig ist dabei wie bei jeder Stichprobe, dass zufällig aus der Lieferung gezogen wird.)
Der Umfang wird durch die Anforderungen (AQL und LQ) und vorher festgelegten tolerierbaren Risiken (alpha und beta) bestimmt.
Beispiele
*AQL=2,5%, LQ=3%, alpha=5%, beta=10%
berechneter Umfang n=9041Verdammt, wieso ist das denn jetzt so viel mehr als bei der AQL-Tabelle?!? Das liegt schlicht und einfach daran, dass AQL und LQ relativ nah beieinander liegen und dadurch viele Informationen gebraucht werden, um zu entscheiden, ob eine Lieferung i.O. oder n.i.O. ist.
Bleibt natürlich die Frage, welchen Preis der Anwender zahlen muss, wenn er mit einem AQL-Plan arbeitet.
Beispiele wie oben:
Kennbuchstabe G, n=32
und die oben definierten Risiken alpha und beta ergeben zusammen mit der AQL, dass folgender Schlecht-Anteil in der Lieferung zuverlässig gefunden würde:
LQ=15%
das ist natürlich ziemlich unschön, weil es mehr als das Fünffache der AQL ist. Also nimmt man es bei den Risiken nicht so genau und setzt alpha=beta=10%. Dann ergibt sich:
LQ=14%Beim zweiten Beispiel ist mit dem Kennbuchstaben H der Stichprobenumfang n=50, d. h. in der Stichprobe sind mehr Informationen enthalten (nur natürlich längst nicht so viele wie in einer Stichprobe mit 9041 Teilen).
Es ergeben sich dann
*mit den Werten alpha=5%, beta=10%, AQL=2,5%
LQ=12%
*mit den Werten alpha=beta=10%, AQL=2,5%
LQ=11%Und weil alles mit allem zusammenhängt, kann man sich natürlich auch ausrechnen, welches statistische Risiko an so einer Stichprobenentscheidung hängt:
AQL=2,5%, LQ=3%, alpha=5%, n=32
-> beta=91%
AQL=2,5%, LQ=3%, alpha=10%, n=32
-> beta=84%
AQL=2,5%, LQ=3%, alpha=5%, n=50
-> beta=90%
AQL=2,5%, LQ=3%, alpha=10%, n=50
-> beta=83%„Okay,“ denkt sich der Anwender, „so geht das also nicht. Über 80% Chance für eine irrtümliche Entscheidung, sprich für „es brennt ohne Feueralarm“ (Fehler 2. Art beta), ist echt unschön. Wir können bestimmt auch mit einem LQ von 5% arbeiten.“
AQL=2,5%, LQ=5%, alpha=10%, n=32
-> beta=61%
AQL=2,5%, LQ=5%, alpha=10%, n=50
-> beta=54%Also besteht selbst bei der Erhöhung der LQ von 3% auf 5% und der Akzeptanz von 10% Fehlentscheidungen (Fehler 1. Art alpha, d. h. Alarm, obwohl es nicht brennt) immer noch eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 50%, dass es brennt und keinen Alarm gibt. Wenn ich also eine Münze werfe, hab ich ein geringeres Risiko für eine falsche Entscheidung dazu, ob es tatsächlich brennt.
Und jetzt die entscheidende Frage an Euch beide, Wolfgang und Gambas:
Seid Ihr sicher, dass Eure Firma dieses Risiko eingehen will?Viele Grüße
Barbara
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Fakten hören nicht auf zu existieren, wenn man sie absichtlich übersieht. (Aldous Huxley)
Hallo Gambas!
Ich würde mich zunächst darüber informieren, wie die Herstellungsprozesse aussehen und welche Arten von Fehlern auftreten können. Bei zufälligen Fehlern brauchst Du bei hohen Ansprüchen an die Qualität sehr große Stichproben. Bei systematischen Fehlern kann eine sehr kleine Stichprobe ausreichen.
Beispiel von uns: Bei Spritzgußteilen prüfen wir Maße unabhängig von der Losgröße (zwischen 500 und 5000) immer nur an 4 Teilen. Erfahrungsgemäß reicht das. Die Sichtprüfungen (gratfrei, voll ausgespritzt) werden nach einer Stichprobentabelle ähnlich AQL (sorry, Barbara) in größeren Stichproben geprüft, weil hier eher zufällige Fehler vorkommen.
Aber grundsätzlich: Für das sichere Abstellen zufälliger Fehler brauchst Du entweder einen sauberen Prozeß oder eine (möglichst automatisierte) 100%-Prüfung. Beides natürlich beim Lieferanten. Und systematische Fehler sollten einem guten Lieferanten erst recht nicht bis zum Kunden durchschlüpfen.
Fazit: Wie immer bei der Wareneingangsprüfung ist der Dreh- und Angelpunkt die Lieferantenauswahl und -betreuung.Normalverteilte Grüße
Frank
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