QM-Forum › Foren › Qualitätsmanagement › Einfluss der Art der Stichprobenentnahme auf cpk ?
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Hallo liebe QM-Leidensgenossen ;-)
Hier eine eine Frage an die Statistikgurus. Es geht um die Serienbegleitenden SPC von einen 50-Fach Werkzeug
Wir messen ein normalverteiltes Höhenmaß, alle 30 Minuten an 5 zufällig ausgewählten Teilen. Diese Messwerte werden in ein Excel eingetragen und der cpk ausgerechnet. Dieser ist bei ca. 1,4
Weiters werden alle 4 Stunden 50 Stk. (von jeder Kavitätsnummer 1 Stk.) entnommen und mit einen identischen Prüfmittel und Methode, ebenfalls gemessen. Und hier bekommen wir aber nur einen cpk von ca. 1,0.Macht also nur die Art der Stichprobenetnahme diesen Unterschied aus oder auf was muss ich noch achten ?
Formeln, Berechnungen etc. habe ich mir schon angeschaut und das stimmt alles. Im Minitab habe ich auch nachgerechnet und auch hier kommen die gleichen cpk´s raus wie in den jeweiligen Programmen.Für Unterstützung wäre ich echt dankbar.
Merry Christmas
RobertWer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten ;-)
Hallo Robert,
ersteinmal frohes neues Jahr und ein erfolgreichen Start.
Ich vermute bei deiner cpk Ermittlung, dass mit der Streubreite bei 50 Nestern oder Messmittel Unstimmigkeiten auftreten. Versuche einmal Nestbezogen die Daten zu ermitteln. Ich vermute, dass es im Herstellprozess „günstige“ und „ungünstige“ Nester gibt. Es macht immer Sinn eine Nestbezogene Analyse zu erstellen, um gezielter die Veränderungen festzustellen. Bei dieser Vorgehensweise ermittelst du den cpk je Nest und über die Gesamtheit.
Gruß NorbertHallo Norbert
Danke für Deine Antwort.
Das habe ich inzwischen schon gemacht und da sind tatsächlich ein paar wenige Formnester nicht so gut wie anderen.
Diese werden wir uns jetzt einmal genauer ansehen.fg
RobertWer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten ;-)
Hallo Robert,
auch wenn es auf den ersten Blick merkwürdig erscheint, sind die Cpk-Zahlen 1,4 (mit 5 Werten) und 1,0 (mit 50 Werten) aus statistischer Sicht gleich. (Natürlich wissen auch Statistiker, dass die Zahl 1,0 und die Zahl 1,4 unterschiedlich sind [:D])
Kennzahlen sind zusammengefasste Informationen. Je breiter die Informationsbasis ist (=je mehr Messwerte vorliegen), desto stabiler bzw. zuverlässiger ist eine Kennzahl. Je weniger Messwerte vorhanden sind, desto schmaler wird die Basis und desto wackeliger oder weniger aussagekräftig die Kennzahl.
Die Aussagekraft von Kennzahlen ist unterschiedlich empfindlich, d. h. eine halbwegs robuste Kennzahl wie der Mittelwert lässt sich bei normalverteilten Messreihen ganz brauchbar mit 30 oder mehr Werten angeben, während sehr empfindliche Kennzahlen wie der Cpk (oder jede andere Prozessfähigkeitskenngröße) erst bei 100 oder mehr Werten halbwegs belastbare Ergebnisse liefert (immer vorausgesetzt, die anderen Voraussetzungen an Mess-System, Verteilung und Prozess-Stabilität sind erfüllt).
Weil die allermeisten Kennzahlen aus Stichproben berechnet werden (und nicht aus 100% Aufnahmen), verwenden sie immer nur einen Teil der möglichen Informationen. Die Gesamtheit der Werte wäre z. B. für Deinen Prozess alle Werte aller gefertigten Teile aus dem 50-fach Werkzeugen seit der Inbetriebnahme (=Grundgesamtheit). Aus dieser Grundgesamtheit wird eine Stichprobe entnommen, z. B. 5 Werte. Diese Werte enthalten damit nur einen minimalen Bruchteil aller möglicher Informationen aus der Grundgesamtheit. Dennoch wird oft versucht, aus wenigen Werten auf das große Ganze zu schließen, z. B. aus 5 Werten den tatsächlichen Mittelwert aller gefertigten Teile einer Stunde zu berechnen (geschätzter Mittelwert).
Um die Sicherheit oder Aussagekraft einer Kennzahl besser einschätzen zu können, werden Unsicherheits-Streubereiche / Vertrauensbereiche / Konfidenzbereiche / Konfidenzintervall (KI) verwendet, die ein Intervall angeben, das den tatsächlichen Wert mit einer vorgegebenen Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit überdeckt. Ein Beispiel: Wenn Du 5 Messwerte von einem normalverteilten Merkmal hast mit einem berechneten Mittelwert von 20µm und einer Standardabweichung von 0,2µm, dann liegt der tatsächliche Mittelwert in Deiner Grundgesamtheit mit 95%-iger Sicherheit/Wahrscheinlichkeit zwischen 19,77µm und 20,23µm (was ein ganz schön großer Bereich für den tatsächlichen Mittelwert ist).
Für normalverteilte Werte gibt es Formeln, mit denen der Unsicherheits-Streubereich für den Cpk berechnet werden kann (s. z. B. Size matters. How good is your Cpk really?, diese Formel verwendet auch Minitab). Hier einige Beispiel-Werte:
Cpk = 1,4 mit n=5 Werten
95%-KI für Cpk: (0,387 ; 2,413)
D. h.: Mit 95%-iger Sicherheit liegt der tatsächliche Cpk-Wert Deiner Maschine zwischen Cpk=0,387 und Cpk=2,413.Cpk = 1,0 mit n=50 Werten
95%-KI für Cpk: (0,782 ; 1,218)
D. h.: Mit 95%-iger Sicherheit liegt der tatsächliche Cpk-Wert Deiner Maschine zwischen Cpk=0,782 und Cpk=1,218.Da sich die beiden Unsicherheits-Streubereiche überschneiden, gibt es keine echten Unterschiede zwischen 1,4 und 1,0, wenn die Unsicherheit in den Cpk-Kennzahlen berücksichtigt wird.
Da es eine sehr große Chance gibt, dass die mit wenigen Werten berechneten Cpk-Werte auch (zufällig) mal deutlich kleiner als 1,33 sind und auf einmal viele Menschen extrem hektisch werden (obwohl der Prozess völlig normal läuft), würde ich dringend über die Auswertungsstrategie nachdenken. Zuverlässiger wären Qualitätsregelkarten für Mittelwert und Standardabweichung, weil die auch mit Stichprobengruppen von 5 Werten Tendenzen und Prozess-Veränderungen anzeigen können. Wenn es ganz unbedingt Cpk-Werte sein müssen, würde ich mindestens die letzten 100 Werte nehmen, um zusammen mit anderen Prüfkriterien (z. B. Prozess-Stabilität) die Prozessleistung halbwegs belastbar einschätzen zu können.
Viele Grüße
Barbara
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Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker)Und noch ein Nachtrag: Selbst mit 100 Messwerten ist ein Cpk-Wert von 1,4 immer noch reichlich unscharf:
Cpk = 1,4 mit n=100
95%-KI: (1,194 ; 1,606)Diskussionen über die zweite Nachkommastelle sind unsinnig, wenn nicht mehrere hundert Werte vorliegen (und die Voraussetzungen erfüllt sind).
Hier noch ein Bild zum Unsicherheits-Streubereich des Cpk für Cpk=1,4: Cpk Streubreite
Viele Grüße
Barbara
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Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker)Hallo Babara
Vielen lieben Dank für Deine aufschlussreiche und interessante Anwort. Damit hast Du mir sehr geholfen.
Wir führen auch Regelkarten für Mittelwert und Range.
Nur für den Kunden müssen wir für jedes Los die Cpk Werte nachweisen.Wie oben schon geschrieben haben wir auch einige Formnester identifiziert die nicht so optimal sind. Diese werden wir jetzt optimieren und dann eine neue Auswertung machen.
Nochmals vielen Dank für Deine Erklärung.
fg
RobertWer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten ;-)
… und noch ein sehr später Nachtrag von mir:
Die faulen Nester (im Gegensatz zu Eiern ;-) zu identifizieren und zu verbessern bzw. auszuschalten ist natürlich die sinnvollste Maßnahme. Nichtsdestotrotz würde ich mir noch mal Gedanken über die Aussage „an zufällig ausgewählten Teilen“ machen. Es ist für Menschen ***schwer, etwas zufällig auszuwählen. Normalerweise folgst Du einem Muster. Wenn Du versuchst, es zu durchbrechen, machst Du das meistens mit einem anderen Muster….
Selbst wenn der Fall jetzt erledigt ist, würde ich hier und an anderen Stellen die Stichprobennahme kritisch überprüfen. Lieber mit Vorwissen (wir haben 50 Nester) systematisch arbeiten als pseudozufällig.Schöne Grüße
Frank
„and pray that there’s intelligent life somewhere up in space,
‚cause there’s bugger all down here on earth!“ (Monty Pythons / Galaxy Song) -
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