Eignungsnachweis bei zerstörender Prüfung(Minitab)2015-10-14T15:43:39+01:00

QM-Forum Foren Qualitätsmanagement Eignungsnachweis bei zerstörender Prüfung(Minitab)

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  • 2PHIL
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    Hallo zusammen,
    ich beschäftige mich derzeit mit der Erprobung eines neuen Messsystems. Dieses soll die Soforthaftkraft zwischen zwei Kontaktpartnern ermitteln. Dazu wird eine Schlaufe des einen Kontaktpartners, die mit einer Stabilisierungsfeder verstärkt wird, mit definierter Anpresskraft gegen den anderen Kontaktpartner gedrückt und eine definierte Zeit gehalten. Im Anschluss wird die Maximalkraft ermittelt die zum Trennen der beiden Partner nötig ist. Für den Versuch wird dabei die Zwick 005 Portal-Prüfmaschine verwendet. Die Oberfläche der Probekörper wird dabei verändert und kann dadurch nicht für weitere Versuche verwendet werden.
    Bei der Analyse des Messsystem mit Hilfe von Minitab wurde dazu ein Versuchsplan mit folgenden Eckdaten erstellt, um Haupteffekte und Wechselwirkungen der Einflussfaktoren zu ermitteln:

    Mehrstufiger faktorieller Versuchsplan:

    Faktoren: 4 Replikationen: 3
    Basisdurchläufe: 36 Durchläufe gesamt: 108

    Faktorinformationen

    Faktor___________Typ__Stufen__Werte
    Form____________Fest___2______Form 1; Form 2
    Federlänge in mm_Fest___2______175; 195
    Anpresskraft in N__Fest___3______20; 30; 40
    Anpresszeit in s___Fest___3______5; 10; 15

    Dabei kamen dann leider einige Unklarheiten auf:
    – Wie lassen sich die standardisierten Effekte im Warscheinlichkeitsnetz und im Paretodiagramm darstellen wenn mein Versuchsplan mehr als 2 Stufen enthält?
    – Wie lässt sich die Signifikanz der Effekte durch die einzelnen Einflussfaktoren ermitteln? (Die verschiedenen Operationen aus der Statistik zB.: Varianzanalyse geben verschiedene p-Werte aus)

    Dazu soll noch ein Eignungsnachweis für das Messsystem erbracht werden. Als Ansatz habe ich dabei an eine geschachtelte MSA mit Minitab mit der Annahme quasi-gleicher Teile gedacht. Es ist mir möglich die Versuche an 5 verschiedenen Teile-Typen zu testen. Ein Vorversuch mit 56 Wiederholmessungen unter quasi-gleichen Bedingungen führte zu folgendem Ergebnis:

    • Anderson-Darling-Test auf Normalverteilung
    • A-Quadrat 0,18
    • p-Wert 0,907
    • Mittelwert 22,718
    • StdAbw 1,897
    • Varianz 3,600
    • Schiefe 0,256770
    • Kurtosis 0,019415
    • N 56

    Nun stellt sich die Frage ob sich das Messsystem prinzipiell eignet und wie ich einen möglichen Versuchsplan zum Eignungsnachweis aufstelle?

    Ist die Beurteilung des Messsystems ohne definierte Toleranzen möglich?

    Lassen sich systematische und zufällige Messabweichungen ohne das Vorhandensein eines Normals durch statistische Methoden ermitteln?

    Fragen über Fragen …. Ich bin neu in der Thematik und freue mich über eure Anmerkungen.

    Beste Grüße

    Phil

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Phil,

    willkommen im Qualitäter-Forum [:)]

    Ich teile meine Antwort auf 2 Beiträge auf, um es ein bisschen übersichtlicher zu kriegen.

    Teil 1: Auswertung von allgemeinen vollfaktoriellen Versuchsplänen
    (mehrstufige Pläne)

    Allgemeine vollfaktorielle Pläne sind nur und ausschließlich dafür gedacht, Kombinationen miteinander zu vergleichen und zu prüfen, ob es Kombinationen mit deutlich höheren oder niedrigeren Werten gibt. Z. B. kann damit untersucht werden, ob die Ergebnisse für
    (Form 1, Federlänge 175, Anpresskraft 40, Anpresszeit 5)
    mit
    (Form 1, Federlänge 195, Anpresskraft 30, Anpresszeit 15)
    vergleichbar oder anders ist.

    Es geht dabei NICHT um die Einstellwerte als solche, sondern nur um den Vergleich der Kombinationen. Wenn Du z. B. bei der Anpresskraft den Wert 20 auf 10 änderst, wirst Du im Ergebnis bei der Auswertung über das DoE-Menü in Minitab die identischen Werte im Sessionfenster & Grafiken bekommen. (Das ist keine Minitab-Eigenart, sondern eine DoE-allgemein-faktorielle-Pläne-Eigenart.)

    Die Ergebnisse aus dem DoE-Menü lassen sich exakt auch mit dem Varianzanalyse- (ANOVA) und dem Regressions-Menü in Minitab erzeugen, wenn in allen drei Menüs dieselben Vorgaben verwendet werden. Folgende Schritte liefern dasselbe für den allgemeinen vollfaktoriellen Plan (Schritte in Minitab 17, in 16 ist der Ablauf etwas anders):

    Statistik > Versuchsplanung (DOE) > Faktoriell > Faktoriellen Versuchsplan analysieren
    Antwort: Y (oder Messwert oder wie auch immer die Spalte mit den Ergebnissen heißt)
    > OK

    Statistik > Varianzanalyse (ANOVA) > Allgemeines lineares Modell > Allgemeines lineares Modell anpassen
    Antwort: Y
    Faktoren: Form Federlänge Anpresskraft Anpresszeit
    Kovariaten: [leer lassen]
    > Modell: alle Faktoren auswählen, Wechselwirkung bis Ordnung 4 hinzufügen
    > OK

    Statistik > Regression > Regression > Regressionsmodell anpassen
    Antwort: Y
    Stetige Prädiktoren: [leer lassen]
    Kategoriale Prädiktoren: Form Federlänge Anpresskraft Anpresszeit
    > Modell: alle Faktoren auswählen, Wechselwirkung bis Ordnung 4 hinzufügen
    > Kodierung: (-1;0;+1) auswählen
    > OK

    Standardisierte Effekte und Pareto-Diagramme der Effekte gibt es für allgemeine vollfaktorielle Versuchspläne nicht.

    Sinnvoller als die übliche DoE-Auswertungsstrategie für allgemeine vollfaktorielle Pläne mit dem Vergleich von Kombinationen ist es, die variablen Faktoren wie Federlänge, Anpresskraft und Anpresszeit auch als variable Einflüsse im Modell zu berücksichtigen. Das geht nicht über das DOE-Menü in Minitab, sondern nur über Varianzanalyse oder Regression.

    Statistik > Varianzanalyse (ANOVA) > Allgemeines lineares Modell > Allgemeines lineares Modell anpassen
    Antwort: Y
    Faktoren: Form
    Kovariaten: Federlänge Anpresskraft Anpresszeit
    > Modell: alle Faktoren auswählen, Wechselwirkung bis Ordnung 4 hinzufügen
    > Kodierung:
    Kodierung der Faktoren: (-1;0;+1) auswählen
    Kovariaten standardisieren: Kodierung von -1 bzw. +1 für tiefe bzw. hohe Stufe festlegen
    > OK

    Statistik > Regression > Regression > Regressionsmodell anpassen
    Antwort: Y
    Stetige Prädiktoren: Federlänge Anpresskraft Anpresszeit
    Kategoriale Prädiktoren: Form
    > Modell: alle Faktoren auswählen, Wechselwirkung bis Ordnung 4 hinzufügen
    > Kodierung:
    Kodierung für kategoriale Prädiktoren: (-1;0;+1) auswählen
    Stetige Prädiktoren standardisieren: Kodierung von -1 bzw. +1 für tiefe bzw. hohe Stufe festlegen
    > OK

    (Beide Wege liefern identische Ergebnisse. Ggf. kann auch über „Schrittweise“ automatisch eine Vorauswahl der relevanten Terme gewählt werden.)

    Bewertet werden die Effekte über die p-Werte in der Varianzanalyse-Tabelle, egal ob es eine DoE-Auswertung, ein ANOVA- oder ein Regressions-Modell ist. Dabei werden die nicht-signifikanten Terme von unten nach oben (von 4-fach bis direkter Wirkung) ausgeschlossen, i. A. bei der automatischen Auswahl mit einem Grenzwert für p von 0,15=15% und bei der manuellen (Nach-)Auswahl mit einem Grenzwert für p von 0,05=5%. Das Modell sollte dabei immer hierarchisch sein, um eine möglichst hohe Stabilität in den Aussagen zu bekommen.

    WIchtig und sinnvoll ist auch ein Blick auf die Residuendiagramme, die in den DoE-, ANOVA-, Regressions-Menüs jeweils unter dem Knopf „Grafiken“ angefordert werden können.

    Wenn die Modell-Qualität hoch genug ist und es keine Anzeichen für eine unzureichende Erklärung der Ursache-Wirkungs-Beziehung gibt, sind die Faktordiagramme in den DoE-, ANOVA-, Regressions-Menüs sehr gut, um die Wirkungen der Einflussgrößen grafisch darzustellen. Auch nett sind Konturdiagramme oder (wer es 3-dimensionaler mag) Wirkungsflächendiagramme.

    Diese Grafiken lassen sich nach der Modellierungs-Rechnung in den jeweiligen Menüs zu DOE, ANOVA und Regression finden (nur in dem Menü, mit dem auch das Modell gerechnet wurde!) Ich bevorzuge dafür das Regressions-Menü, weil dort auch für die variablen Einflüsse Faktordiagramme verfügbar sind, während im ANOVA-Menü nur für die attributiven Einflüsse Faktordiagramme erstellt werden.

    Beim Finden von günstigen oder ungünstigen Einstellungen hilft die Zielgrößenoptimierung, die in Minitab 17 in allen drei Menüs DOE, ANOVA, Regression verfügbar ist, sobald ein Modell berechnet wurde.

    ————
    Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
    (Ernest Rutherford, Physiker)

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Teil 2: Geschachtelte MSA für die zerstörender Prüfung

    5 Teile-Typen sind ein Anfang, mehr unterschiedliche wären besser.

    Hast Du die 56 Wiederholmessungen an 1 Teile-Typ gemacht oder verschiedene verwendet?

    Auf die Frage, ob das Messsystem prinzipiell geeignet ist, gibt es nur die immer gültige Antwort „Es kommt darauf an.“ Über den dicken Daumen gepeilt: Wenn Deine Teile-Typen Mittelwerte von 20, 21, 22, 23, 24 haben, ist die Streuung mit 1,9 relativ groß und es wird schwierig, die unterschiedlichen Teile-Typen über die Messung voneinander zu unterscheiden. Hast Du dagegen Teile-Typen mit Mittelwerte von 15, 20, 25, 30, 35 sieht das schon anders aus.

    Bei der MSA werden grundsätzlich 2 verschiedene Kriterien untersucht:

    1) Ist die Prozess-Qualität über die Messung beurteilbar?
    Das ist die klassische Frage nach AIAG MSA 4, bei der die Streuung der Messung mit der Prozess-Streuung (in Minitab: historische Standardabweichung) oder mit der Streuung in der Untersuchung (weniger günstig) verglichen wird.

    2) Ist die Produkt-Qualität über die Messung beurteilbar?
    Hier geht es darum, wie gut iO- und niO-Teile über die Messwerte voneinander unterschieden werden können. Diese Frage stammt eher aus dem Bereich GUM, VDA Band 5, ISO 22514-7.

    Selbst wenn Du (noch) keine Toleranz hast, kannst Du prüfen, ob Frage 1) gut genug beantwortet werden kann und Du kannst auch ausrechnen wie groß Deine Toleranz mindestens sein müsste und das mit den voraussichtlichen Anforderungen vergleichen.

    Die MSA (gekreuzt und geschachtelt bzw. Verfahren 2 oder 3) untersucht immer nur, wie groß die Streuung ist. Ob das Messmittel eine systematische Abweichung hat, ist dabei irrelevant, deshalb reicht Verfahren 2 oder 3 alleine nicht aus.

    Um die systematische Abweichung zu ermitteln brauchst Du immer ein Referenzteil mit bekanntem Wert, entweder ein Normal oder ein entsprechend qualifiziertes Teil. Das ist natürlich bei der zerstörenden Prüfung eine Herausforderung. Da der Hersteller der Messmaschine und Kalibrierlabore sich damit beschäftigen, würde ich die danach fragen, wie systematische Abweichungen dort ermittelt werden. Eine Patentlösung gibt es dafür nicht.

    Ein Arbeitsblatt für die geschachtelte MSA sieht genauso aus wie ein Arbeitsblatt für die gekreuzte MSA mit dem Unterschied, dass statt der Teile-Nr. die Teile-Typ-Nr. verwendet wird. Erzeugen kannst Du solche Formulare in Minitab über

    Statistik > Qualitätswerkzeuge > Messsystemanalyse (MSA) > Arbeitsblatt für Messsystemanalyse erstellen
    oder
    Assistent > Messsystemanalyse (MSA) > Arbeitsblatt für Messystemanalyse

    Die geschachtelte MSA ist nur dann sinnvoll einsetzbar, wenn es außer den Teile-Typen noch (mindestens) eine weitere Unsicherheitsquelle wie z. B. den Prüfer gibt. Wenn ausschließlich Teile-Typen (und nichts sonst) miteinander verglichen werden, sind die Ergebnisse der MSA gekreuzt und MSA geschachtelt identisch.

    Viele Grüße

    Barbara

    ————
    Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
    (Ernest Rutherford, Physiker)

    2PHIL
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 2

    Vielen Dank für herzliche Aufnahme im Forum die ausführliche Erklärung im Umgang mit Minitab! Da wurde viel Licht in die Dunkelheit gebracht und die Unklarheiten beseitigt.

    Die 56 Wiederholmessungen wurden an einem Teile-Typ durchgeführt. Wobei auffällt, dass die Standardabweichung recht hoch ausfällt. Daher ist es schwer die Prozessqualität über die Messung zu beurteilen. Um die Streuung zu minimieren bin ich grade dabei die Messmethodik mit weiteren Versuchen zu optimieren. Danach geht es dann an die MSA. Auch der Tipp mit dem Berechnen der Toleranzen ist sehr hilfreich … da ärgert es einen schon fast nicht selbst drauf gekommen zu sein ;)

    In diesem Sinne nochmal Besten Dank! Ich werde euch über meine Erfahrungen Berichten…

    Viele Grüße
    Phil

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