Aufgabenstellung: Prüfplan und Probenziehplan2016-03-15T16:55:13+01:00

QM-Forum Foren Qualitätsmanagement Aufgabenstellung: Prüfplan und Probenziehplan

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  • Retti
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    Hallo QM-Forum,

    ich bin Absolvent der Fachrichtung Wirtschaftsingenieurwesen und habe für ein zweites Bewerbungsgespräch im Bereich Qualitätsplanung eine Aufgabenstellung bekommen. Diese Aufgabenstellung bereitet mir jedoch bis jetzt noch einige Probleme, da ich in die Richtung Prüfplanung und Probenziehplan noch keine Erfahrungen sammeln konnte. Vielleicht hat der ein oder andere eine paar Anregungen für mich und kann meine Denkweise über die Problemstellung in die richtige Richtung lenken.

    Aufgabenstellung:

    Es liegt eine Produktspezifikation für das sterile Fertigprodukt vor. Darin enthalten sind die Merkmalsbeschreibungen und die dazugehörigen Zugfestigkeitsvorgaben. Das Merkmal Zugfestigkeit Plastikbauteil/Schlauch ist hierbei kritisch. Die Erst-Validierung des Prozesses wurde ohne Abweichungen bestanden. Erstellen Sie für das Merkmal Zugfestigkeit einen Prüfplan inklusive Probenziehplan, damit zu Einen die Qualität abgesichert werden kann und zum anderen so kostengünstig wie möglich produziert werden kann. Was muss bei der Planung alles berücksichtig werden. Weitere Informationen sind nicht gegeben.
    Ich muss also irgendwie ersichtlich machen, wie ich das Merkmal Zugfestigkeit am besten absichern kann und was alles bei der Planung berücksichtigt werden muss.

    Meine Vorgehensweise:

    Um das Merkmal Zugfestigkeit abzusichern muss ich erst einmal annahmen, dass alle Schritte die vor und während diesem Fügeprozess durchlaufen werden, die entsprechenden Qualitätsanforderungen erfüllen.
    • Die einzelnen Komponenten, wie beispielsweise Kleber, Plastikbauteil und Schlauch entsprechen allen Anforderungen
    • Umgebungseinflüsse (Temperatur, Luftfeuchtigkeit. etc.) sind so wie bei der Erst-Validierung
    • Die Trockungszeit des Klebers wird bis zur Zugprüfung, die eine zerstörende Prüfung ist, eingehalten
    • Die Prüfmaschine ist in der Lage die Zugprüfung (15N über 15s) mit einer ausreichenden Genauigkeit durchzuführen

    Prüfplan:

    Der Zugversuch wird laut DIN EN ISO 8536-4 mit 15N über 15 Sekunden durchgeführt. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgt laut DIN Norm visuell.
    Mein Prüfplan hätte also genau ein Merkmal, für diesen Arbeitsschritt des Fügens, welches zu prüfen ist. Da keine weiteren Maße oder Anforderungen gegeben sind, wüsste ich nicht, was ich noch berücksichtigen muss, um die Zugfestigkeit dieser Baugruppe abzusichern.

    Probenziehplan:

    EIne 1005-Prüfung der Bauteile fällt schon allein aufgrund der zerstörenden Prüfung der Zugfestigkeit weg, ist aber bei der hohen Anzahl an täglich produzierten Bauteile (>200.000) wirtschaftlich nicht umsetzbar.

    Für den Probenziehplan bin ich auf die DIN ISO 2859 gestoßen und habe einfach fiktive Werte (AQL 0,01, Prüfniveau II) angenommen, um auf eine entsprechende Stichprobengröße zu kommen (Stichprobengröße: 1250 Teile). Wie diese Stichprobe entnommen wird (x Teile stündlich oder minütlich, oder jedes 1000ste Teil) erschließt sich mir nicht wirklich. Wie entnehme ich bei so einem Stichprobenumfang die entsprechenden Bauteile?

    Ich finde es darüber hinaus seltsam die Charge eines ganzen Tages mittels Stichprobe zu bewerten, ist es nicht viel sinnvoller bei diesen Stückzahlen die Prozessfähigkeit zu bewerten? So kann, falls der Prozess die Eingriffsgrenzen unter-, bzw. überschreitet sofort in den Fertigungsprozess eingegriffen werden. Aber auch an diesem Punkt habe ich keine Hinweise gefunden, wann die zu prüfenden Teile aus der Fertigung genommen werden.

    An dieser Stelle tappe ich, wie bereits geschrieben, noch ziemlich im Dunkeln und hoffe Ihr könnt mir vielleicht irgendwelche Anregungen geben.

    Gruß

    Rainaari
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 630

    Servus,

    Meiner Ansicht nach fehlt bei deinem Problem eine Dimension: Das Risiko.

    Du schreibst von sterilen Produkten, ich nehme also an, es geht um Medizinprodukte. Da ist die ISO 14971 (Risikomanagement) interessant. Über das Risikomanagement kannst du einen Durchschlupf (Consumers Risk / Producers Risk) festlegen, darüber dann die AQL Werte…

    Wenn die Art der Prozeßdaten es hergibt, ist der Ansatz über Prozeßfähigkeit sicherlich schlauer.

    So long,

    Rainaari

    Retti
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 3

    Hallo Rainaari,

    korrekt, es handelt sich um Medizinprodukte.
    Vielen Dank für deine Antwort die ISO 14971 war mir nicht bekannt, ich werde Sie für die bewertung der Risiken heranziehen.

    Prozessdaten stehen wie gesagt nicht zur Verfügung, ich soll einfach meine Vorgehensweise aufzeigen. Denke aber auch, dass der Ansatz über die Prozessfähigkeit der effektivere ist bei der hohen Anzahl an Bauteilen.

    Gibt es dazu noch eine Idee oder Anregung, wie und in welchen Stückzahlen die Bauteile aus der laufenden Serienfertigung entnommen werden können?

    Gruß

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Retti,

    Deine Vorgehensweise ist nachvollziehbar und die von Dir genannten Punkte zu den Voraussetzungen bei der Anwendung (Prozess-Schritte korrekt abgearbeitet usw.) sind korrekt. Eine konkrete Prüfunplanung aus der etwas wolkigen Aufgabenstellung abzuleiten, ist extrem schwierig, weil es ganz viele „Es kommt darauf an“-Entscheidungen dabei gibt.

    Bei der Prüfplanung ist es IMMER empfehlenswert, Messdaten und keine Attribute (Prüfergebnisse) zu verwenden, weil Messdaten viel mehr Informationen zum Prozess liefern. Wenn Du also die Zugfestigkeit prüfst, nimm wenn möglich den Messwert und vermeide für die Prüfplanung die optische Bewertung des Testergebnisses.

    Für Attribute/Prüfergebnisse ergeben sich extrem hohe Stückzahlen, um eine belastbare Aussage zu „Ist die Qualität in Ordnung?“ treffen zu können. (Such einfach hier im Forum nach AQL. Dazu gibt es einige sehr umfangreiche Beiträge.)

    Stichprobenpläne für Messwerte unterscheiden sich danach, ob es eine „normale“ messende Prüfung (z. B. Länge) oder eine Belastungsprüfung (z. B. Zugversuch) ist. Für beide Testsituationen gibt es unterschiedliche Berechnungswege zum Prüfplan. Bei der Belastungsprüfung sind es Methoden aus dem Bereich der Zuverlässigkeit und Lebensdauer-Analyse, oft mit der Weibullverteilung. Teilweise finden sich bei diesen Testvefahren auch Prüfpläne nach Squeglia (zero defects plan).

    Bei der Probennahme ist unabhängig vom Prüfmerkmal wichtig, dass die Teile zufällig entnommen werden und so jedes produzierte Teil dieselbe Chance hat, in der Stichprobe zu landen. Eine systematische Auswahl wie „jedes 100. Teil“ kann irreführend sein wenn z. B. zwischendrin um das 60. Teil eine Messwertveränderung oder eine Fehlerhäufigkeit ist, die so übersehen wird.

    Rainaari hat schon darauf hingewiesen, dass es in der Aufgabenstellung wenig zum Risiko gibt außer den Hinweis, dass die Zugfestigkeit ein kritisches Merkmal ist. Für die Berechnung der Probenanzahl oder notwendigen Anzahl Messwerte bräuchtest Du sinnvolle Annahmen zu den zwei Risiken bei Stichprobenprüfung alpha und beta. Üblich wäre alpha=5% (Standardwert). Wegen der Kritikalität der Zugfestigkeit sollte beta kleiner als 5% sein, z. B. 1%.

    Prozessfähigkeitsbewertungen sind eine Möglichkeit serienbegleitend das Qualitätsniveau eines Prozesses zu überwachen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (was sehr oft nicht der Fall ist). Eine Voraussetzung dabei ist, dass die Prüfergebnisse Messwerte sein müssen. Attributive gut/schlecht-Prüfergebnisse können zwar auch in einen Prozessfähigkeitswert umgewandelt werden, nur brauchst Du dafür zwingend mindestens 1 defektes Teil in Deiner Stichprobe.

    Aus meiner Erfahrung ist es bei zerstörenden Prüfungen schwierig, mit einer Prozessfähigkeitsanalyse die Qualität serienbegleitend abzusichern. Du brauchst für 1 aussagekräftigen Fähigkeitswert mindestens 100 Messwerte, eigentlich noch mehr, weil die Zugfestigkeit nicht normalverteilt sein wird. Das ist ein ziemlicher Prüfaufwand und die Teile sind hinterher unverkäuflich. Ich würde deshalb nach der ersten (erfolgreichen und umfangreichen) Stichprobenprüfung eher über Qualitätsregelkarten für die begleitende Prüfung nachdenken, z. B. xquer-S-Karten.

    Viele Grüße

    Barbara

    ————
    Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
    (Ernest Rutherford, Physiker)

    Retti
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 3

    Hallo,

    vielen Dank für die Antworten und Anregungen.
    Das hat mir schonmal erherblich weitergeholfen.

    Ich bin jetzt bei der messenden Stichprobenprüfung bei n=63 Teile. Das hört sich für mich sehr machbar an.
    Weiter verweist die Norm 3951 ebenfalls auf die Qualitätsregelkarten zur Aufzeichnung der Ergebnisse.

    „Einer der Vorteile einer Variablenprüfung besteht darin, dass Trends in der Qualitätslage des Produkts erkannt und frühzeitige Warnungen ausgesprochen werden können, bevor ein nicht annehmbarer Zustand erreicht wird. Dies ist ausschließlich möglich, wenn angemessene Aufzeichnungen angelegt werden. Unabhängig davon, ob das s-Verfahren oder das #963; -Verfahren angewendet wird, sollten die Werte von x und s aufgezeichnet werden, vorzugsweise in Form von Qualitätsregelkarten (siehe z. B. ISO 7870 und ISO 8258). „

    Ich werde dann die Qualitätsregelkarten mit einbeziehen in meine Argumentation.
    Die Qualitätsregelkarte, sowie den Stichprobenumfang und die Tatsache der zerstörenden Prüfung werde ich als Begründung für die entscheidung zu einer messenden und nicht attributiven Stichprobenprüfung heranziehen.

    Alpha- und Beta-Fehler werde ich ebenfalls erwähnen.
    In einem internen Papier auf das ich schauen konnte, waren ebenfalls n-Ac Stichprobenanweisungen angegeben und die Rede von der DIN 2859.
    Ich denke, dass ich dann auf einem Weg bin der nicht völlig am Thema vorbei ist und meine Argumentation einigermaßen schlüssig und nachvollziehbar sein wird.

    Gruß
    Retti

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