Anforderungen Stabilitätstests Medizinprodukte2018-08-27T20:36:59+01:00

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Ansicht von 7 Beiträgen – 1 bis 7 (von insgesamt 7)
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  • Hofer123
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 6

    Hallo,

    wir wollen unsere Stabilitätstests von Medizinprodukten und IVDs so anpassen, dass sie die Anforderungen aller MDSAP-Länder erfüllen. Angeblich fordern alle Länder, dass 3 Chargen für die Ermittlung der Stabilität herangezogen werden. Ich kann aber nirgends finden, wo genau das gefordert wird.

    Weiß jemand von euch, wo das für die einzelnen Länder genau definiert ist? Ich finde nur die Anforderungen an die Entwicklungsdokumentation, aber da ist nirgends genau beschrieben, wieviele Chargen verwendet werden müssen.

     

    Vielen Dank im Voraus!

    LG

     

    Axel Schulzer
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 1

    Hallo Hofer123,

    die neue IVDR beschreibt Anforderungen an Stabilitätstests (z.B. Anzahl Chargen). In der MDR gibt es meines Wissens solche Forderungen nicht. Warum das so ist, verstehe ich leider auch nicht…

    Generell ist es glaube ich so, dass die 3 Chargen aus USA kommen. Es gibt Guidance Dokumente für Prozessvalidierungen, in denen 3 Chargen gefordert werden. Derzeit rudert die FDA bezogen auf die 3 Chargen aber zurück, und will durchsetzen, dass der Hersteller den Umfang einer Validierung begründen muss.

    Wieviele Chargen die MDSAP Länder für die Bestimmung der Haltbarkeit fordern, weiß ich leider auch nicht.

    Finde das Thema sehr interessant – wäre toll, wenn noch jemand einen Input geben könnte.

    Beste Grüße,

    Axel

    Rainaari
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 630

    Hallo,

    die FDA hat irgendwo in ihrem Gesetzestext die 3 Chargen verankert (ich suche den Paragraphen aus reiner Neugier schon länger, kann ihn aber nicht finden…), ist mit der Zahl aber äußerst unglücklich. Mit Referenz auf diesen Paragraphen machst du dir keine Freunde.

     

    Grundsätzlich gilt heutzutage der Risikobasierte Ansatz, d. h. Risiken ermitteln und bewerten, Methode benennen, und daraus ein Rational für den Stichprobenumfang ableiten. Das Rational kann sich auf Chargen oder Einzelstücke beziehen.

     

    Wenn ihr z. B. in der Prozessvalidierung eine gute Chargenhomogenität nachgewiesen habt, sehe ich keinen Sinn darin, bei Alters- oder Stabiltitätsuntersuchungen mehrere Chargen zu beproben…

     

    –Rainaari

    QM-FK
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 469

    Hallo, Mitstreiter,

    Wie so oft: volle Zustimmung.

    Die berühmten „3“ finden sich in vielen Normen zu den Medizinprodukten, ohne Begründung. Sie lassen sich im Pharmabereich (flüssig, halbfest, pulvrig) über den GMV ableiten und begründen:

    Man setzt eine homogene Materialverteilung (Mischung) bzw. konstante Produktion voraus. Man nimmt Proben am Anfang und am Ende des Herstellungsprozesses, wbei diese definitionsgemäß die identischen, vorhersagbaren Ergebnisse (innerhalb der Toleranzbreite) ergeben müssen. Ein Wert aus der Mitte der Produktion dient nur zur Sicherheit und im wesentlichen auch dazu, eine Standardabweichung errechnen zu können. Dann kann Mann (bzw. Frau) zusammen mit früheren Werten (z.B. aus den Mischer-Validierungen) mit Hilfe statistischer Methoden Konfidenzintervalle u.v.m. errechnen.

    Will man allerdings die Kenngrößen (Mittelwert / Median und Streubreiten) zu einem neuen Prozess bestimmen, geht das „N“ gleich auf mindestens 20 – 50 Proben oder noch höher hoch, je nach dem, wieviel Unsicherheit man zulassen will.

    Für die Bestimmung des N gibt es (glücklicherweise oder leider) ganze Bücher, die sich nur mit dem Thema beschäftigen (oder Biostatistiker/innen ;-), die sich ihr lebenlang damit beschäftigt haben und deshalb gut auskennen).

     

    Don’t think it – ink it.

    LG qm-fk

    Tobias Matysiak
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 1

    Hallo Zusammen,

     

    ich habe einen ähnlichen Geist der durch viele Dokumente kreist und hoffe das der hier ins Thema passt.

    Es geht um die Stichproben Größe 30 (variabel) und 45 (Attributiv). Kein Fehler erlaubt.

    Diese Zahlen werden jetzt schon in der zweiten Firma bei der ich tätig bin für OQ`s bei Validierung oder fürs Prozess Monitoring verwendet.

    Wenn ich die Stichproben Größe berechne komme ich auf völlig andere Werte (in der Regel höhere Werte).

    Gibt es einen belegbaren Grund für diese Werte? Mich wundert es halt das jetzt eine völlig andere Firma die gleichen Zahlen verwendet.

    Ich muss dazu sagen das ich mich mit Statistik nur am rande auskenne.

     

    Vielen Dank

    QM-FK
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 469

    Hallo Tobias,

    die 30 als Mindestumfang finden sich im Lehrbuch von U. Genschel & C. Becker: Schließende Statistik (2005) und werden auch vom TQU Verlag propagiert für die Berechnung von Konfidenzintervallen für Mittelwerte und Standardabweichungen.

    Begründung:

    Ist der Stichprobenumfang ausreichend groß, n ≥ 30, können statt der t-Quantile (tn−1;α) wieder die Quantile der Standardnormalverteilung (zα) verwendet werden.

    Für die 45 kennt Barbara sicher auch eine Quelle …

    Dont think it – ink it

     

    LG QM-FK

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Tobias,

    die 30 Messwerte kenne ich als Daumenregel. Mit weniger Werten ist es schwierig die Messwerteverteilung zu beurteilen.

    Die Quantile für die 95%-Abdeckung sind bei 30 Werten für die Normalverteilung und die t-Verteilung ähnlich:
    Q95,0% NV = 1,64     vs.     Q95,0% t-Verteilung (df=30) = 1,70
    Q97,5% NV = 1,96      vs.     Q97,5% t-Verteilung (df=30) = 2,04
    Q99,0% NV = 2,33     vs.     Q99,0% t-Verteilung (df=30) = 2,46

    Früher waren sie für die Anwendungen oft ähnlich genug. Heute, wo wir immer genauer und präziser sein wollen, kann das anders sein. Da wir heute die Quantile nicht mehr aus Tabellen ablesen müssen, würde ich die t-Quantile verwenden wenn die Anzahl Messwerte nicht deutlich dreistellig ist.

    Die magischen Zahlen für die Stichprobenumfänge mit n = 45 oder n = 59 stammen aus der Formel für den Success Run bzw. 0-failure-plan (vgl. z. B. VDA Band 3.2). Dabei wird geprüft, ob ein Teil zum Zeitpunkt t funktioniert oder nicht. Der Stichprobenumfang berechnet sich aus dem Fehlalarmrisiko alpha und der zu erreichenden Zuverlässigkeit R zum Zeitpunkt t (bzw. zur Belastung t) bei einer Testzeit t. (Zuverlässigkeits-Anforderung ist gleich Testzeit.)

    Wird z. B. eine Zuverlässigkeit von R = 99% beim ersten Versuch gefordert ist t = 1 und im Test wird auch genau 1 Mal die Funktion geprüft, d. h. Testzeit t = 1.

    Der Stichprobenumfang n berechnet sich dann über die Formel
    n >= ln(alpha)/ln(R)
    mit
    alpha Fehlalarmrisiko (üblich: alpha = 5%)
    R Zuverlässigkeit (zum Zeitpunkt t, wenn Testzeit ebenfalls = t ist)

    Für alpha = 5% und R = 95% berechnet sich n = 59. Für alpha = 10% und R = 95% berechnet sich n = 45.

    Beim Success Run bleibt unberücksichtigt, wie hoch das Risiko fürs Übersehen einer niedrigeren Zuverlässigkeit ist (beta-Risiko).

    Bei der magischen Zahl n = 45 ist das Fehlalarm-Risiko doppelt so hoch wie üblich bzw. das Vertrauensniveau nur 90% statt 95%.

    Und eine ganz banale Frage: Ist eine Zuverlässigkeit von 95% („=5% oder 1 von 20 Teilen ist zum Zeitpunkt t defekt“ ist ein akzeptabler Zustand) wirklich ausreichend?

    Echte Risikobegrenzung funktioniert niemals mit den magischen Zahlen, egal in wie vielen Büchern oder Normen sie stehen. Echte Risikobegrenzung berücksichtigt immer auch, wie gut der Prozess bzw. das Produkt aktuell die Anforderungen einhält (z. B. tatsächliche Zuverlässigkeit 99,3%) und nicht nur die Anforderung selbst (z. B. Mindest-Zuverlässigkeit 95%).

    Je größer der Puffer zwischen der aktuellen Qualität und der Anforderung ist, desto niedriger ist der benötigte Stichprobenumfang (Fahrrad im Flugzeughangar parken -> einfach). Je kleiner der Puffer zwischen der aktuellen Qualität und der Anforderung ist, desto höher ist der benötigte Stichprobenumfang (SUV in Standardgarage parken -> mehr Hinschauen nötig).

    Viele Grüße

    Barbara

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