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Hallo zusammen,
ich soll eine MSA für unser Ultraschallmessgerät machen.
Allerdings haben wir kein Normal sondern Referenzplatten aus Kunststoff.
An den Kunststoffplatten soll die Wanddicke gemessen werden.
Die Kunststoffplatten sind durch Rotationssintern hergestellt worden und sind daher nicht ganz eben, geometrisch gleich.
Kann ich die MSA mit diesen Platten durchführen? Was muss ich dabei beachten? Für jede Antwort bin ich dankbar.Grüße
hawaiitoastHallo Hawaitoast (???)
Das hängt davon ab, wie sich die Unebenheit zu deiner erwünschten Meßgenauigkeit verhält. Wenn Du von Deinem Meßprozeß eine Genauigkeit von 1 mm erwartest und die Platten haben eine Unebenheit von, sagen wir 0,02 mm, dürfte die MSA eine Aussage liefern, mit der Du was anfangen kannst. Wenn Du auf 0,1 mm genau messen möchtest und Deine Platten eine Unebenheit von 0,2 mm haben, hast Du ein kleines Problem.
Nebenbei: Kannst Du die Platten nicht bei der freundlichen Mechanikwerkstatt nebenan einfach nachfräsen lassen? Das Originalmaterial mit der Originalschallgeschwindigkeit hast Du danach ja immer noch. Oder vermutest Du Problem mit der Oberfläche beim Einkoppeln?Schöne Grüße
Frank
„and pray that there’s intelligent life somewhere up in space,
‚cause there’s bugger all down here on earth!“ (Monty Pythons / Galaxy Song)Hallo hawaiitoast,
es gibt nicht „die“ MSA, sondern verschiedene Methoden mit unterschiedlichen Anforderungen an die Teile-Anzahl und bekannte Referenzwerte (Referenzwert = Wert, der als wahrer/tatsächlicher Wert des Teils verwendet wird). Häufige MSA-Methoden sind:
+Verfahren 1 / Typ 1 / Prüfmittelfähigkeit / Messmittelfähigkeit:
Wiederhol-Messwerte durch 1 Prüfer an 1 Teil mit bekanntem Referenzwert+Linearität & systematische Abweichung
Wiederhol-Messwerte an 3-5 Teilen mit bekanntem Referenzwert durch 1 Prüfer+Verfahren 2 / Gage R&R (mit Bedienereinfluss) / Mess-System-Analyse gekreuzt / Mess-System-Analyse geschachtelt
Wiederhol-Messwerte (gekreuzt) oder Quasi-Wiederhol-Messwerte (geschachtelt) an 5-10 Teilen bzw. Teile-Typen (höhe Ähnlichkeit für jeden einzelnen Teile-Typ, z. B. gleiche Herstellungsbedingungen, Chargen usw.) durch 2-3 Prüfer
Die ausgewählten Teile bzw. Teile-Typen sollten unterschiedlich sein. Referenzwerte werden nicht benötigt.+Verfahren 3 / Gage R&R (ohne Bedienereinfluss)
Wiederhol-Messwerte an 25 verschiedenen Teilen bzw. Teile-Typen wenn Messwerte unabhängig von Prüfern sind (z. B. vollständig automatische Inline-Messung)
Die ausgewählten Teile bzw. Teile-Typen sollten unterschiedlich sein. Referenzwerte werden nicht benötigt.Und dann gibt es noch diverse andere Bewertungsmethoden, die u. a. in der ISO 22154-7 beschrieben werden, z. B. die Berücksichtigung der Unsicherheit am Prüfobjekt, die Frank Hergt angesprochen hat.
Wenn Du nur 1 Teil mit bekanntem Referenzwert und keine anderen Teile hast, kannst Du nur Verfahren 1 machen. (Ob das dann wirklich ausreichend ist, ist ein anderes Thema. Nur weil irgendwo das Wort „Fähigkeit“ auftaucht, ist das meiner Erfahrung nach oft zu wenig für die Bewertung der Messunsicherheit in der praktischen Anwendung.)
Wenn Du eine Handvoll oder mehr Teile (mit oder ohne Referenzwert) hast, kannst Du Verfahren 2 oder Verfahren 3 durchführen.
Wenn Du 3 (lt. VDA) bzw. 5 (lt. AIAG) Teile mit bekannten Referenzwerten hast, kannst Du die Linearität und systematische Abweichung untersuchen.
Um zu entscheiden, welche Methode(n) ausreichen, musst Du Dich fragen, wie intensiv Du die US-Messung untersuchen willst und welche Unsicherheits-Komponenten wahrscheinlich sind und bewertet/untersucht werden sollen. Ich würde auf jeden Fall verschiedene Prüfer nehmen (Verfahren 2), wenn unterschiedliche Personen Messwerte aufnehmen. Ggf. können auch unterschiedliche Materialien interessant sein, je nachdem wie unterschiedlich die Sinter-Rohstoffchargen sind. Manchmal hilft auch die Nachfrage beim Messmittel/Messgeräte-Hersteller, welche Unsicherheitskomponenten dort bei der Unsicherheitsbewertung berücksichtigt werden und wie systematische Abweichungen ermittelt werden können.
Viele Grüße
Barbara
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Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker)Hallo, vielen Dank für die Antworten! :)
@Barbara:
Mit den unterschiedlichen Verfahren habe ich mich schon vertraut gemacht. Laut Kundenanforderung wird eine Fähigkeit nach VDA Band 5 gefordert.
Der erste Schritt wäre ja analog zu Verfahren 1 der MSA. Dazu wird allerdings ein Normal verwendet. Kann dieser Schritt übersprungen werden, wenn kein Normal vorhanden ist? Oder dürfen die Platten dafür verwendet werden, wenn ein Unsicherheitsfaktor mit eingerechnet wird?
Verfahren 2 wird auf jeden Fall gemacht, nachdem das Problem mit Verfahren 1 geklärt ist.Ein weiteres Problem finde ich, ist die Justierung des Messgerätes. Dieses wird mithilfe von diesen Platten justiert. Dazu gibt es verschiedene Einstellungen, die sich in Material und Farbe (natur und schwarz) unterscheiden. Ist die Justierung so in Ordnung, wenn die Messmitteleignung ein Okay gibt?
Hallo hawaiitoast,
wenn Dein Kunde eine Fähigkeit nach VDA Band 5 fordert, ist damit (vermutlich) die Messmittelfähigkeit nach Verfahren 1 gemeint. Ohne Normal oder Masterteil, von dem Du den wahren Wert kennst bzw. ermittelt hast, kannst Du bei der Messmittelfähigkeit keine systematische Abweichung ermitteln und damit auch keinen (sinnvollen) C_gk-Wert angeben. Und wenn der Kunde diese Fähigkeitskennzahlen sehen will, kannst Du den Schritt auch nicht einfach überspringen, wenn kein Normal vorhanden ist. Ich würd einfach mal den Kunden anrufen und ihn fragen [:)] Es gibt im VDA Band 5 für die Messmittelfähigkeit keinen Alternativweg ohne Normal und auch keinen für einseitige Toleranzen.
Ob die Justierung mit den Platten ausreicht, kann ich nicht beurteilen. Letztlich muss über die Risikobewertung entschieden werden, ob die Justierung für Euren Anwendungsfall ausreichend gut ist. (Das ist keine statistische Fragestellung.)
Viele Grüße
Barbara
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(Ernest Rutherford, Physiker) -
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