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Hallo,
wie gehe ich vor, wenn ich von der Messeinrichtung einen Messwert erhalte und der Grenzwert z.B. bei 5 liegt. Zu dem Wert 5 liegt dann keine Toleranzangabe vor.
Das Prüfgerät liefert bei Überschreitung der 5 den Wert n.i.O. , darunter gibt es i.O. aus. (Beispiel: Dichtprüfung mit Grenzwert von 5ml/min)Wie mache ich da am besten eine MSA? Welche Toleranz kann ich ansetzen?
Gruß
MartinHallo Martin!
Du hast natürlich auch bei einseitigen Merkmalen einen Toleranzbereich. Wenn man Dein Beispiel umformuliert ist der Sollwert 0 und die Toleranz + 5 ml/min. Die Dinger sollen eigentlich ja dicht sein. Ein gängigeres Beispiel für die Maschbauer wäre Ra 0,8. Auch hier: Der Sollwert ist Null, angegeben ist nur die Toleranz.
Aber Vooorsicht: Bei Merkmalen mit einer natürlichen Grenze hast Du garantiert keine Normalverteilung, wenn Du Dich in der Nähe der Grenze herumtreibst. Und damit sind alle Fähigkeitsberechnungen mit Standardformeln Bull….. Laut Barbara übrigens auch alle Transformationen von solchen Verteilungen in Normalverteilungen. D.h. Du brauchst ein mathematisches Modell für Deinen Prozeß – sprich, eine Verteilungsfunktion, die die realen Einflußgrößen und Ergebnisse abbildet und dann kannst Du zu der aus Deinen Meßergebnissen die Parameter berechnen und darüber nachdenken, ob Du mit dem, was dabei rauskommt, zufrieden bist. Vergiß auch nicht, daß Du für eine MSA den wahren Wert Deiner Prüflinge kennen mußt. Das ist manchmal gar nicht so einfach…. Such‘ mal im Forum. Die Diskussion über den Umgang mit nicht-normalverteilten Meßgrößen kommt immer wieder hoch.
Das wichtigste Stichwort habe ich oben schon gebracht: Wenn die Control zu Ende ist, dürfte sich unsere Gräfin von Zahl wieder melden. Und auf „MSA“ hat sie bisher noch immer angebissen ;-)
Schöne Grüße
Frank
„and pray that there’s intelligent life somewhere up in space,
‚cause there’s bugger all down here on earth!“ (Monty Pythons / Galaxy Song)Hallo Frank,
ich hab auch schon überlegt die 5 als Toleranz anzusetzen. Aber irgendwie ist das für mich schwer nachvollziehbar.
Angenommen ich habe ein Bauteil das exakt 5 mm groß sein darf (oberer Grenzwert). Ich verwende für die Untersuchung einen entsprechenden Prüfkörper, der die 5mm absolut genau einhält. Wenn ich diesen Prüfkörper dann messe, bekomme ich doch sicher einen Wert der um die 5mm pendelt (je nach Genauigkeit des Messgerätes). Bei angenommener NV wären dann ca. 50% der Werte über und 50% unter dem Grenzwert. Kann ich dann als Toleranz für die Bestimmung der Prüfmittelfähigkeit wirklich die Länge von 5mm annehmen? (min 0mm , max 5mm).
Für eine MFU/PFU würde ich auch die 5mm als Toleranz nehmen, aber bei der Prüfmittelfähigkeit habe ich da Zweifel.
Gruß
MartinHallo Martin!
Ja, auch wenn ich’s im Hinterkopf noch mal rotieren lasse: Die Toleranz in Deinem Beispiel sind 5 mm. Denn ein Bauteil von 0 mm würdest Du ja auch akzeptieren. Oder anders: Du würdest mit Deinem Herstellprozeß auf z.B. 2,5 mm zielen und hättest nach links und rechts 2,5 mm Platz. Dein Meßmittel muß wirklich nur 5 mm hinreichend genau messen können.
Aber: Du bekommst auch mit einem sauberen Meßmittel Probleme, wenn Dein Prozeß an der Oberkante langeiert. Um Dein Beispiel weiterzuspinnen: Nehmen wir an, Dein Meßmittel liefert, alle Begleitumstände mit einbezogen, zuverlässig eine Genauigkeit von +/- 0,25 mm. Würde man normalerweise akzeptieren. Wenn der Herstellprozeß jetzt aber laufend Teile im Bereich von 4,95 bis 5,05 mm ausspuckt, wirst Du mit Sicherheit bei einer 100%-Prüfung gute Teile verwerfen und schlechte akzeptieren.
Wenn Du aufgrund eines „gefährlichen“ Prozesses eine 100%-Prüfung durchführen willst und mit absoluter Sicherheit nichts Schlechtes durchflutschen darf – dann kommst Du mit den normalen MSA-Maßstäben nicht weiter. Dann brauchst Du Sicherheitsabstände. Wieder das Beispiel: Wenn Du mit dem angenommenen Meßmittel die Grenze bei der Prüfung auf 4,75 mm setzt, kannst Du sicher sein, nichts Schlechtes auszuliefern. Du kannst aber immer noch einigen Ausschuß allein durch die Meßungenauigkeit produzieren.Zurück zur Originalaufgabe: Um sicher zu sein, kannst Du:
1. Dafür sorgen, daß der normale Herstellungsprozeß tief im grünen Bereich liegt und Deine Prüfung nur noch Ausreißer (Montage der Dichtung vergessen) finden muß. Dann trägt die MSA auf Basis „Toleranz = 5ml/min“, weil die real auftretenden Fehler viel größer sind. Und schön vorzeigen kann man’s auch ;-)
2. Ein sehr viel besseres Meßmittel auswählen. z.B. einen Wasserstoff- oder Heliumlecktester, der ohne sich anzustrengen um Faktor 100 oder 1000 genauer als Deine Toleranz mißt.
3. Bei der Prüfung einen „Vorhaltewinkel“ einsetzen, also auf z.B. 4 ml/min statt auf 5 prüfen.Vergiß‘ eines nicht: Eine MSA ist ein schönes und wichtiges Werkzeug. Sie ist aber, wie jedes Werkzeug, ein Mittel und kein Ziel. Und sie taugt auch nicht unbedingt für jedes Ziel. Manchmal sind andere Mittel sinnvoller, da sicherer oder mit weniger Aufwand verbunden.
Schöne Grüße
Frank
„and pray that there’s intelligent life somewhere up in space,
‚cause there’s bugger all down here on earth!“ (Monty Pythons / Galaxy Song)Hallo Martin,
die Standardverfahren nach VDA 5 (Verfahren 1/Prüfmittelfähigkeit, Tmin, etc.) sind nur dann anwendbar, wenn Du eine zweiseitige Toleranz hast. Die hast Du nicht, weil die untere Grenze keine Toleranzgrenze, sondern eine technische Grenze ist (dichter als dicht geht nicht, d. h. es kann auch keinen Ausschuss von zu dichten Teilen geben).
Damit sind Berechnungen nach Verfahren 1 (Prüfmittelfähigkeit) nur mit Formel-Akrobatik möglich, weil Deine Messaufgabe sich nicht durch die Formeln abbilden lässt. Zum Glück bietet die Statistik deutlich mehr als die Verfahren nach VDA 5 bzw. GUM oder ISO 22514-7 [:)]
Grundsätzlich wäre es günstig, wenn Du Prüfteile mit bekanntem Dichtheitswert aus dem gesamten Anwendungsbereich hättest. Diese Prüfteile sollten der Anwendung möglichst nah sein. Vielleicht lassen sich auch Serienteile als Referenzprüfteile qualifizieren, wenn Du ein exakteres Messmittel nimmst. Mit diesen Prüfteilen kannst Du an verschiedenen Punkten im Anwendungsbereich (z. B. 0-6,5) die systematische Abweichung und Linearität ermitteln.
Systematische Abweichung (bias) gibt es, wenn durchschnittlich ein zu hoher oder zu niedriger Messwert aufgenommen wird. Bei der Linearität wird geprüft, ob höhere Referenzwerte über die Messung auch höhere Messwerte bekommen und ob dieser Zusammenhang linear ist. Sowohl systematische Abweichung als auch Linearität beziehen sich dabei nur auf den Anwendungsbereich und nicht auf die Toleranz. (Weitere Infos zu diesen Methoden findest Du in MSA 4.) Ziel der Untersuchung von Linearität und systematischer Abweichung ist, an verschiedenen Ankerpunkten im Anwendungsbereich nachzuweisen, dass die Messwerte die Realität genau genug abbilden.
Während bei Linearität und systematischer Abweichung andere Veränderungen (z. B. verschiedene Prüfer) vermieden werden, werden bei der Gage R&R (Verfahren 2) gezielt Versuche unter unterschiedlichen Bedingungen gemacht. Im Standardfall werden dafür 5-10 Serienteile (Referenzwert muss nicht bekannt sein) und 2-3 Prüfer eingesetzt, die 2-3 Wiederholmessungen je Teil aufnehmen. Wenn die Mess-Aufgabe etwas komplexer ist, können hier auch weitere Einflüsse bewertet werden, z. B. verschiedene Messmittel oder Materialien (erweiterte MSA). Welche möglichen Einflüsse geprüft werden sollen, wird am besten vorab im Team mit Prüfern und Prozess-Verantwortlichen besprochen und entschieden.
Die Ergebnisse aus der Gage R&R-Messreihe lassen sich anschließend in 2 Richtungen bewerten:
1. Kann die Prozess-Qualität über die Messung gut genug bewertet werden oder gehen Veränderungen im Prozess im Mess-Rauschen unter?
Bezugsbereich: Prozess-Streuung, z. B. Fertigungsstreuung bei bestehenden Prozessen
2. Kann die Produkt-Qualität über die Messung gut genug bewertet werden oder ist die Trennung zwischen gut/iO und schlecht/niO zu unscharf?
Bezugsbereich: Toleranz, bei einseitiger Toleranz wird der Abstand zwischen dem Mittelwert aller Messwerte und der Toleranzgrenze als Bezugsbereich verwendet und mit der halben Prozess-Gesamtstreuung (3S) verglichenNeben diesen beiden Fragen gibt es auch noch Berechnungsmöglichkeiten für die Wahrscheinlichkeit einer Fehlklassifikation (Teil ist niO, wird aber iO geprüft bzw. Teil ist iO, wird aber niO geprüft) und auch diese Formeln funktionieren für einseitige Toleranzen.
Um das Risiko „Teil ist niO, wird aber iO geprüft“ zu verringern, kannst Du die obere Toleranzgrenze von 5 heruntersetzen. Damit erhöhst Du zwar die Menge an Gut-Teilen, die irrtümlich ausgeschleust werden, hast aber auch ein entsprechend geringeres Risiko dafür niO-Teile irrtümlich auszuliefern. Ein Ansatz hierfür ist, die Toleranzgrenze um die zweifache Unsicherheit U zu verringern, wie in VDA 5 beschrieben (Stichwort Werkstoleranz und Grauzone).
Viele Grüße
Barbara
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Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker) -
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