QM-Forum › Foren › Qualitätsmanagement › Cgk und Cg bei einseitiger Toleranz
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Servus Gemeinde!
Heute hätte ich eine Frage an Euch:
Lässt sich bei einseitig begrenzten Produktmerkmalen ein Verfahren 1 durchführen? Damit meine ich insbesondere die Ermittlung der Cgk- und Cg-Indizes, da in beiden Berechnungsformeln die Toleranzbreite einbezogen wird (die ich ja nicht habe).
Kann mir jemand auf die Sprünge helfen?
Hallo reticent,
Verfahren 1 bzw. Cg und Cgk lassen sich nur bei zweiseitiger Toleranz berechnen. Es gibt Anwender, die sich eine zweite Grenze suchen, um damit rechnen zu können. Das ist in VDA 5 nicht vorgesehen – es gibt allerdings auch keine alternativen Methoden für einseitige Toleranzen in VDA 5.
Auch wenn Cg und Cgk Prüfmittel- bzw. Messmittel-Fähigkeiten heißen, sind sie etwas völlig anderes als Prozess-Fähigkeiten (Cp, Cpk oder Pp, Ppk). In einer Prozess-Fähigkeit wird die Gesamtheit des Prozesses berücksichtigt. Bei der Messmittel-Fähigkeit wird lediglich 1 einziger Punkt im Anwendungsbereich untersucht: das Referenzteil.
MSA 4 kennt deshalb auch weder Cg noch Cgk und warnt davor, sich auf Basis von nur 1 Teil in der trügerischen Sicherheit zu wiegen, das Mess-System würde im ganzen Anwendungsbereich funktionieren. Auch in der ISO 22514-7 (Norm zur Mess-Prozess-Bewertung) gibt es Verfahren 1 bzw. Cg und Cgk nicht.
Viele Grüße
Barbara
Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker)Ah okay. Herzlichen Dank für die Erklärung.
Nun stellt sich natürlich die Frage nach einem alternativen Verfahren zur Eignungsuntersuchung bei Merkmalen mit nur einer Toleranzgrenze.
Gibt es hierfür Ansätze?Hallo reticent,
wie schon geschrieben: Verfahren 1 ist eine VDA 5-Sonderkonstruktion, die nur für ganz bestimmte Mess-Situationen anwendbar ist.
Bei einseitiger Toleranz gibt es keine offiziellen Alternativen. Was teilweise gemacht wird ist, entweder eine technische Grenze oder eine Prozess-Streubereichsgrenze als Quasi-Toleranzgrenze zu verwenden.
Vor dem Hintergrund, dass Verfahren 1 nur eine sehr überschaubare Bewertungsmöglichkeit des Mess-Systems liefert, stellt sich hier zuerst die Frage ob es sinnvoll ist, Energie & Zeit in derartige Kreativlösungen zu stecken. Denn Du hast immer das Geschmäckle „Glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast.“ sobald Du bei den Formeln kreativ wirst (such einfach mal nach 4S oder 6S bei der Messmittel-Fähigkeit).
Ich würde deshalb erst einen Schritt zurückgehen und die Frage stellen:
Wie kritisch sind unsere Mess-Prozesse?Bei kritischen Mess-Prozessen (=viel Risiko, viel Geld, viel (Nach-)Arbeit) ist Verfahren 1 eh ein bisschen arg wenig. Da wären mehr Versuche zur Linearität und systematischen Abweichung sinnvoll und bei denen brauchst Du keine Toleranzgrenzen.
Bei unkritischen Mess-Prozessen wäre Verfahren 1 eine Möglichkeit. Da könnte alternativ auch das Kalibrierprotokoll herhalten und bei einer sauber durchgeführten MSA (Gage R&R / Verfahren 2) mit ausreichend niedriger Mess-Unsicherheit der Mess-Prozess qualifiziert werden. Auch dafür brauchst Du nicht zwingend Toleranzgrenzen, sondern kannst sowohl mit einer Toleranzgrenze als auch mit einem anderen Streubereich (z. B. Prozess-Streubereich) die Mess-Unsicherheit bewerten.
Die Toleranzbreite als einzig wahrer Referenzbereich wird von VDA 5 und ISO 22514-7 angegeben. MSA 4 schaut dagegen eher auf die Prozess-Streuung und lässt die Toleranzbreite als zusätzlichen Referenzbereich zu.
Viele Grüße
Barbara
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Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker) -
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