QM-Forum › Foren › Qualitätsmanagement › ISO 2859 – AQL Stichprobenermittlung
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AnonymGast21. Dezember 2011 um 13:46 UhrBeitragsanzahl: 2122
Hallo,
ich habe eine Frage zur Stichprobenermittlung nach ISO 2859. Und zwar geht es speziell um die Pfeile in der Tabelle 2A bzw. auf dem AQL Schieber.
Annahme: Kennbuchstabe „F“, einfache Prüfung, AQL 0,40:
Wenn ich damit in die Tabelle gehe, hätte ich eine Stichprobengröße von 20 Teilen. In der Tabelle treffe ich dann auf einen Pfeil, der auf der Zeile für die Stichprobengröße 32 (also eigentlich „G“) bei Ac=0 und Re=1 endet.1. Frage:
Muß ich nun meine Stichprobe von 20 auf 32 erhöhen? Ersetzt der Pfeil also die Ermittlung der Stichprobengröße mittels Kennbuchstabe?2. Frage:
Einige Pfeile in der Tabelle 2-A zeigen „nach unten“, erfordern also evtl. eine größere Stichprobe als anfänglich per Kennbuchstabe ermittelt. Das könnte ich verstehen, da bei einer kleineren Stichprobe evtl. die „Signifikanz“ nicht erreicht wird.
Allerdings gibt es auch Pfeile „nach oben“. Bedeutet das, daß ich eine kleinere Stichprobe als per Kennbuchstabe ermittelt, wählen darf? Und wenn „ja“ warum ist das so.Vorweihnachtliche Grüße
benniHallo Benjamin,
bei mir steht unter der Tabelle als Pfeilerklärung:
Pfeil nach oben: Man wende die erste Stichprobenanweisung unter dem Pfeil an. Ist der Stichprobenumfang gleich dem Umfang des Prüfloses oder größer, wende man 100%-Prüfung an.
Pfeil nach unten: Man wende die erste Stichprobenanweisung über dem Pfeil an.
Ich verstehe das so, dass Du die komplette Stichprobenanweisung (Ac, Re & Stichprobenumfang) verschiebst. Für Dein Beispiel mit „F“ und AQL=0,40 (Prüfniveau II / normal) ergibt sich damit also ein Prüfumfang von n=32 und es darf kein niO-Teil in der Prüfung auftauchen, damit das Los angenommen wird.
Die Pfeile nach oben ergeben sich aus der Prüfschärfe, sprich, wenn Du einen großen Fehleranteil AQL verwendest, reicht manchmal auch weniger Information (=niedrigerer Stichprobenumfang), um die Aussage zu bekommen.
Da die AQL-Pläne zum Teil ein sehr hohes beta-Risiko (Risiko schlechte Qualität zu übersehen) haben, würd ich immer empfehlen, die realisierte Absicherung pro Prüfung nachzurechnen.
Hier ein paar Beispiele:
1. Hast Du z. B. eine reale Ausschussquote von 0,4% und prüfst n=32 Teile, ist das Risiko schlechte Qualität in der Prüfung zu übersehen bei beta=54%.2. Wenn Du das beta-Risiko auf 5% begrenzt (1 von 20 niO-Prüfungen werden übersehen), eine reale Ausschssquote von 0,4% hast und n=32 Teile prüfst, wirst Du zuverlässig in dre Prüfung eine erhöhte Ausschussrate von 11,5% entdecken können (also knapp das 30fache Deiner aktuellen Ausschussrate).
3. Hast Du eine Ausschussquote von 0,4%, möchtest eine Verschlechterung auf 2,0% mit einem maximalen beta-Risiko von 5% absichern, brauchst Du dafür n=437 Prüfergebnisse.
Viele Grüße
Barbara
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Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker)AnonymGast21. Dezember 2011 um 16:55 UhrBeitragsanzahl: 2122Danke Barabra, verstehe ich.
Was ist mit den Pfeilen nach oben, für AQL Werte < 6,5. Hier wird ja einmal nach oben (kleinere Stichprobe), aber in der nächsten Zeile wieder nach (größere Stichprobe) verwiesen. (z.B. „F“/“G“ AQL 1,0). Kann man das auch mit der Prüfschärfe erklären.
Nebenbei:
Gibt es einen Grund, warum die Buchstaben in der Tabelle in 3er Gruppen zusammengefasst sind (unter „C“ ist ein durchgezogener Strich, ebenso unter „F“, „J“, …)Nochmal Danke für die schnelle und kompetenet Antwort.
bye,
benniHallo Benjamin,
also so wirklich erklären lassen sich die Werte in den AQL-Tabellen nicht. Das grundsätzliche Prinzip dahinter sind schon statistische Verfahren, allerdings wurden die eigentlich notwendigen (großen) Stichprobenumfänge nach unten korrigiert (mit entsprechender Unschärfe-Erhöhung).
Leider hat sich niemand bei der Zusammenstellung dieser Norm die Mühe gemacht, wirklich zu verraten, wie diese Zahlen zustande kommen. Ich bin z. B. immer noch auf der Suche nach einer mathematischen Erklärung für die Prüfniveaus (normal, verschärft, reduziert, Sonderprüfniveau).
Nehmen wir mal an, Du hast eine reale Ausschussrate von 1%. (Der AQL-Wert soll eigentlich keine echte Zahl sein, sondern ein Planwert ohne Bezug zur Realität, nur frag ich mich dann, wie mit solchen Wünsch-Dir-Was-Werten irgend eine reale Situation abgesichert werden soll…) Also nehmen wir 1% als Ausschussrate an.
Laut 2859 ist das Produzentenrisiko alpha=5% und das Konsumentenrisiko (Risiko für Nicht-Erkennen) beta=10%. (Die Norm-Planwerte besagen damit schon, dass in 1 von 10 schlechten Lieferungen die niO-Qualität übersehen wird – noch so etwas, was vielleicht in den Anfangszeiten der Norm vor mehr als 50 Jahren okay war, aus heutiger Sicht aber hinterfragenswert erscheint).
Für eine Ausschussrate p0=1,0%, alpha=5% und beta=10% (bzw. 1-beta=Trennschärfe/Power=90%) kannst Du dann ausrechnen, welche schlechtere Ausschussrate im Los bei 1 Prüfung erkannt werden kann:
n=13: erkennbarer Ausschussanteil p1=19,67%
n=20: erkennbarer Ausschussanteil p1=14,85%
n=32: erkennbarer Ausschussanteil p1=10,97%
n=50: erkennbarer Ausschussanteil p1=8,32%Sprich: Je mehr Prüfergebnisse vorliegen, desto kleinere erhöhte Ausschussraten können (zuverlässig) entdeckte werden. Dabei ist es für die Statistik völlig wurscht, wie groß das Los ist. Es geht immer nur darum, wie viele Informationen (=Prüfergebnisse oder Messwerte, n) vorliegen, wie die Planwerte sind (z. B. Ausschussrate=1%) und welche Absicherung (alpha, beta) erreicht werden soll.
Auch mit dem höchsten Prüfaufwand n=50 ist nur die mehr als 8fache Erhöhung der Ausschussrate zuverlässig erkennbar. Ob das in der heutigen Zeit dem entspricht, was durch eine „Prüfung zur Prozess-Absicherung“ verstanden wird, bezweifel ich ganz stark, vor allem dann, wenn die Trennschärfe von 90% angesetzt wird. Diese niedrige Trennschärfe ist aus heutiger Sicht nur für Nebenfehler akzeptabel. Bei Hauptfehlern und kritischen Fehlern wird mit einer höheren Trennschärfe geplant, z. B. 95% für Hauptfehler und 99% für kritische Fehler (oder auch noch höher, je nach Auswirkung).
Die in 3er Gruppen zusammengefassten Einträge in der Tabelle sind vermutlich nur aus Layout-Gründen so gemacht worden. Eine mathematisch-statistische Begründung dafür hab ich nicht.
Viele Grüße
Barbara
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