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Hallo an Alle,
seit einiger Zeit beschäftigen wir einen hohen Prozentsatz von Zeitarbeitern in der Produktion. Da diese die Qualität unserer Produkte viel mehr beeinflussen, als so manches Materialteil, stellt sich die Frage, ob die Zeitarbeitsfirma ein kritischer Lieferant ist.
Natürlich möchte ich hier die Zeitarbeiter nicht als „Ware“ einstufen. Unser Auditor (war kürzlich bei uns) wollte sich hierzu nicht festlegen. Meinte aber, das es manche Firmen so machen.Oder sollte man das lieber lassen, und das Thema unter Recourcen abhandeln?
Wie ist das bei euch?mosigkauer
Hallo mosigkauer,
was erwartest Du von „Deinen“ Zeitarbeitern?
Die Leut arbeiten oft zu Hungerlöhnen, oft dafür länger als die Stammbelegschaft, haben meist nur Anspruch auf den Mindesturlaub und werden wie Ware, welche jederzeit beliebig disponierbar ist, behandelt. Beim geringsten Anlass werden sie wieder in die Arbeitslosigkeit entlassen. Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder sonstige Sozialleistungen können sie vergessen. Dafür dürfen sie Arbeitszeitkonten für schlechte Zeiten aufbauen, die u. U. auch noch rechtswidrig verfallen. Von der Stammbelegschaft werden sie nicht selten als Arbeitnehmer 2. Klasse behandelt – welch ein Sozialsnobismus.
Dabei haben sie keine Aussischt auf Verbesserung ihrer Situation. Also was erwartest Du?
Wenn ich jetzt nicht vergessen hätte, wie man in diesem Forum einen anständigen Link setzt, könnest Du den nachstehenden Beitrag im Handelsblatt mit einem Klick lesen.
Vergiss nicht, auch Zeitarbeiter sind Menschen. Sie als Ware zu behandeln, heißt auch, sie wie Sklaven zu behandeln. Stell Dir mal vor, wie Du Dich fühlen würdest, wenn Du mal nicht so gut drauf bis (aus welchen Gründen auch immer) und Dein Chef würde Dich nach Matrixmanier (ich meine den Film) als kritischen Faktor in seinem System unter besondere Beobachtung stellen lassen.
Gruß
Vivian
Hallo Vivian,
in vielen Punkten haste Recht, überwiegend ist das so bei den ungelernten Kräften, welche einen Job bei einem „Verleiher“ annehmen oder, wegen Arbeitslosigkeit, annehmen müssen.
Da hilft auch der geplante Mindestlohn nicht wirklich, die Motivation zu steigern.
Aus eigener Erfahrung: Es gibt „Verleiher“, die wirklich noch gutes Geld bezahlen und natürlich auch bekommen.
Leider ist nur eine Minderheit davon betroffen.Gute Zeit!
Qualyman – Qualitäter aus Überzeugung und Leidenschaft, auch wenn´s mal Leiden schafft!
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Hallo, Mosigkauer,
Unabhängig von den Ausführungen von Vivian:
Im GMP-Bereich ist es selbstverständlich, ALLE solche Lieferanten zu bewerten:
Zitat aus der ISO 15378:
6.2.2.2 Befristetes Personal muss geschult sein oder unter Aufsicht einer geschulten Person stehen.
6.2.2.3 Wo Berater bezüglich Qualitätsange-
legenheiten beschäftigt werden, müssen Aufzeichnungen über deren Qualifikationen und die Art der Dienstleistung(en) geführt werden.Viele Grüße
QM-FK
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Don’t think it – ink it.Hi Vivian und qualyman,
ich verstehe eure Argumente voll und ganz…nur geht es natürlich an der Frage von Mosigkauer vorbei (glaub ich).
Allerdings wurden da zwei Dinge durcheinandergebracht:
Zeitarbeiter und ZeitarbeitsfirmaDer Zeitarbeiter kann nach Qualifikation ausgesucht und für seine Tätigkeit geschult werden.
Die Zeitarbeitsfirma ist ein Dienstleistungslieferant und kann dementsprechend als kritischer Lieferant derfiniert werden. Zu klären sind die (kritischen) Vorgaben die an die Firma gemacht werden, damit sie einen passenden Zeitarbeitarbeitsnehmer auswählt.
By the way: Es gibt auch gute, seriöse Zeitarbeitsfirmen. Es liegt immmer an denen die Zeitarbeiter in der Firma beschäftigen sich einen entsprechenden Partner auszusuchen… .
Viele Grüße
Q…t…Wer sich zu wichtig für kleine Arbeiten hält, ist of zu klein für wichtige Arbeiten.
(Jaques Tati)geändert von – Q…t… on 10/11/2011 13:52:19
AnonymGast10. November 2011 um 15:08 UhrBeitragsanzahl: 2122Hmmm….wenn du die Zeitarbeitsfirma so einstufen willst, mußt du auch dort Audits machen und die Firma 8D-Reporte schreiben lassen, falls einer Leiharbeiter einen q-relevanten Fehler macht.
Ich kenn ja nun einige Firmen, die viele Leiharbeiter einsetzen.
Mein Fazit.
Was auch immer die Firma durch Einsatz von Leiharbeitern einzusparen glaubt, legt sie bei Poka-Yoke Maßnahmen, Reklamationsbearbeitung und anschließender zusätzlicher Prozeßabsicherung hin.Und das ist auch der Weg: (es hat alles seinen Preis ;-))
Poka Yoke
Prozeße absichern (Kamerasystem, etc…)
„seriöse“ Zeitarbeitsfirmen nutzenBewährt hat sich auch die Regelung, die Leiharbeitsfirma anzuweisen, den Leiharbeitern einen Zuschlag zu zahlen sowie auch innerbetrieblich dafür Sorge zu tragen, dass sich Stamm- und Leiharbeiter -zumindest auf zwischenmenschlicher Ebene- auf Augenhöhe begegnen können (Einladung zu Firmenfeiern, Verteilung von Devotionalien wie Firmen-Shirts etc, etc..)
Gruß
HaraldEs gibt nichts Gutes, ausser man tut es.
Hallo,
ich habe in letzter Zeit recht häufig Kontakt zu verschiedensten Zeitarbeitsunternehmen. Das Gehalt und die Arbeitsbedingungen bleiben immer hinter den Arbeitsbedingungen des ausleihenden Unternehmens zurück. Alles andere fällt unter das Thema Romantik.
Ein Zeitarbeitsunternehmen als kritischen Lieferanten zu bewerten, heißt die eingesetzten Mitarbeiter als kritische Faktoren zu bewerten. Am Ende steht hinter dem Fehler immer ein Mensch. Was passiert mit diesem, wenn aufgrund seines Fehlers ein Zeitarbeitsunternehmen plötzlich dazu verdonnert wird, 8-D-Berichte zu schreiben oder gar auditiert wird? Der Umgang der meisten Zeitarbeitsunternehmen mit ihren Mitarbeitern ist ehr rüde – vor allem auf der zwischenmenschlichen Ebene. Betroffene berichten nicht selten über Einschüchterungsmaßnahmen, psychischen Druck und ein Klima der Angst. Selten wird das bei dem Entleiher publik, damit er darauf Einfluss nehmen könnte.
Man sollte vorsichtig sein und nicht die Aussagen der Medien nachplappern, das nur gering qualifizierte Beschäftigte bei Leihunternehmen beschäftigt seien. Mittlerweile hat die Zeitarbeit auch Einzug in den Bereich der Hochschulqualifikationen gehalten. Viele Großunternehmen rekrutieren ihr neues Ingenieurpersonal (vorwiegend Absolventen) ausschließlich über Zeitarbeitsunternehmen. Man bekommt sogar junge Ingenieure mit Einserabschlüssen. Der kaufmännische Sektor wird im Raum Nürnberg fast ausschließlich über Zeitarbeit (auch noch befristet) bedient.
Wenn ich an den Umgang der Zeitarbeitsfirmen mit ausländischen Akademikern denke, wird mir ganz übel (meine praktische Erfahrung aus meiner Arbeit bei der Arbeitsagentur) – Vorsicht, der arme Kerl, der da den Dreck um die Maschine zusammenkehrt, könnte ein promovierter Kernphysiker sein … … oder die Putzfrau eine hervorragende Chirurgin … …
Nürnberger Großunternehmen gehen seit einiger Zeit dazu über, selbst Projektleiter für anspruchsvolle Projekte und Personen im mittleren Management über Zeitarbeit zu rekrutieren. Die Gehälter sind lächerlich und das nicht selten bei Budget- und Personalverantwortung.
Ich halte diese Entwicklung für äußerst problematisch – nicht nur auf hinsichtlich der Produktqualität. Auf der anderen Seite bedienen Zeitarbeitunternehmen nur einen Markt, der solche Entwicklungen offensichtlich ermöglicht.
Was spricht denn dagegen, Mitarbeiter direkt einzustellen? Es gibt ein halbes Jahr Probezeit – Kündigungsfrist 14 Tage ohne Begründung. Das gibt eine weitreichendere „Rückgabefrist“ als bei jedem Versandhauskatalog. Was spricht dagegen, Mitarbeiter zunächst befristet, aber zu den Bedingungen des Unternehmens einzustellen? In zwei Jahren/Mitarbeiter hat das Unternehmen weit reichende Handlungs- und Planungsoptionen. Wenn das Unternehmen in eine schwierige wirtschaftliche Situation gerät, gibt es immer noch das Instrument der betriebsbedingten Kündigung. Die gesetzlichen Kündigungsfristen sind heute auch keine Ungeheuer mehr, die paar Wochen sollte ein Unternehmen vorausschauen können. Bei einem sauberen Kündigungsverfahren (da muss sich der Unternehmer halt etwas mehr Mühe geben) sind Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen recht kurzfristig möglich. Einen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung gibt es nicht. Es kostet halt lediglich etwas mehr Mühe, sein Unternehmen unter diesen doch arbeitnehmerfreundlichen Bedingungen flexibel zu halten.
Aber eigentlich seid Ihr die falschen Ansprechpartner. Es sind die Personaler und Einkäufer, die Menschen wie ein beliebiges Diskountprodukt behandeln.
Schönes Wochenende
Vivian
Hi, vivian,
„Ein Zeitarbeitsunternehmen als kritischen Lieferanten zu bewerten, heißt die eingesetzten Mitarbeiter als kritische Faktoren zu bewerten.“
Richtig. Völlig zu Recht, wie schon Machiavelli wußte:
„Die Söldner und Hilfstruppen sind unnütz und gefährlich, und wer seine Macht auf angeworbene Truppen stützt, der wird nie fest und sicher dastehen, denn diese sind uneinig, ehrgeizig, unbändig, treulos, frech gegen ihre Freunde, feig gegen die Feinde, ohne Gottesfurcht und ohne Glauben gegen die Menschen. Man verschiebt seinen Untergang nur so lange, als man den Angriff verschiebt; im Frieden wird man von ihnen selbst beraubt, im Kriege vom Feinde. Der Grund dafür ist, daß sie keine andre Liebe und keinen anderen Anlaß haben, im Felde zu liegen, als den geringen Sold, um dessentwillen sie ihr Leben für dich nicht preisgeben wollen.. Solange du keinen Krieg führst, wollen sie wohl deine Soldaten sein,; sobald aber der Krieg ausbricht, laufen sie fort oder gehen nach Hause.“ (Niccolò Machiavelli)
Anleitung: Streiche „Söldner“, setze „Zeitarbeiter“.
Banale Begründung für das eigentliche Risiko: Den Manager, der meint, mit Zeitarbeitern Geld einsparen zu können.
Hier: Die Zuverlässigkeit eines Arbeitnehmers hängt von seinen Erwartungen in der Zukunft ab. Je aussichtsloser diese, desto unzuverlässiger.
Eigentlich haben wir das alle schon gewußt, aber es gibt wohl Personen, deren Denken in Zahlen, Daten und Fakten den gesunden Menschenverstand verdrängt hat.
Ciao
Wolfgang Horn -
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