Qualitätsplanung für Medizinprodukte2010-12-30T15:26:44+01:00

QM-Forum Foren Qualitätsmanagement Qualitätsplanung für Medizinprodukte

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  • Anonym
    Gast
    Beitragsanzahl: 2122

    Werte QM-Kollegen,

    wir entwickeln und fertigen komplexe, mechatronische Medizinprodukte der Klasse I und erarbeiten derzeit ein Konzept für die Planung qualitätssichernder Maßnahmen (Prüfungen, etc.) unserer Fertigung.

    Aufgrund der Komplexität unserer Produkte kann nicht jeder Einzelteil für sich betrachtet werden, was ja auch nicht wirklich Sinn machen würde, sondern wollen wir unsere Aktivitäten von den Produktanforderungen und in Folge von den wesentlichen Merkmalen der Produkte ableiten.

    Mir geistern hierfür Werkzeuge wie „House Of Quality“ (QFD) oder auch Prozesslenkungspläne durch den Kopf.

    Habt Ihr vielleicht Erfahrung mit diesem Thema? Kann mir jemand entscheidende Hinweise geben oder empfehlenswerte Literatur nennen?

    Vielen Dank vorab für Eure Unterstützung!

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Wolfgang,

    willkommen im Qualitäter-Forum :)

    Im Allgemeinen werden bei Medizinprodukten zur Absicherung zwei Bereiche verwendet:

    1. Scharfes Nachdenken, GMV (Gesunder MenschenVerstand) und strukturiertes Sammeln von Fachwissen und Erfahrung (z. B. HoQ, FMEA, Ishikawa)

    2. Statistische Methoden zur Entdeckung der kritischen Prozessgrößen, z. B. statistische Prozess-Modelle wie ANOVA, Regression, GLM (vor allem wenn schon Daten vorhanden sind) und/oder statistische Versuchsplanung (DoE, wenn es um neue Aspekte oder neue Produkte geht), und eventuell zusätzlich berechnete Stichprobenumfänge für die Absicherung von Entwicklungsergebnissen und/oder Prozessen

    Die Statistik wird immer dann notwendig, wenn auf Grund der regulatorischen Anforderungen eine quantitative Absicherung nachgewiesen werden muss. Helfen kann sie auch bei der effizienteren Entwicklung (z. B. risikobasierter Testaufwand) und Absicherung der Produktion (z. B. Nachweis der Stabilität von Prozessen oder Merkmalen).

    Ein Beispiel:
    Ein Produkt X wird bei der Anwendung mechanisch belastet. Es soll abgesichert werden, dass es 10.000 Belastungszyklen aushält.

    Der erste Schritt wäre zu überlegen, welche Merkmale des Produktes durch die Belastung verschleißen und zu einem Ausfall führen können (s. o. Punkt 1). Sagen wir mal es wurden 4 kritische Bauteile identifiziert: A, B, C und D.

    Im zweiten Schritt (s. o. Punkt 2) könnten diese Vermutungen anschließend durch gezielte Tests geprüft werden (Lebensdauer-/Zuverlässigkeits-Tests zum Nachweis der Haltbarkeit). Oder es könnten verschiedene Bauteil-Eigenschaften (Geometrien, Materialien, Fertigungsmethoden, etc.) miteinander hinsichtlich ihrer Belastbarkeit verglichen werden (DoE, GLM). Oder es könnten die Rückläufer/Reklamationen aus dem Feld hinsichtlich ihres Ausfallverhaltens untersucht werden (z. B. Pareto-Diagramm, GLM).

    Alle drei Vorgehensweisen würden zahlenmäßig untersuchen, worin sich die einzelnen Produkte X unterscheiden und welche kritischen Bauteile in der Fertigung genauer überwacht oder im Wareneingang intensiver geprüft werden müssten als andere.

    Ein nettes Einstiegs-/Übersichtsbuch über die wichtigsten Methoden ist Workbook Validierung von Prozessen und Produktion.

    Ich hoffe das hilft Dir schon ein Stück weiter.

    Viele Grüße

    Barbara

    PS: Ich hab ziemlich schnell herausgefunden, für welche Firma Du arbeitest. Einige Firmen finden das nicht so schick, wenn ihre Mitarbeiter hier unter Klarnamen Beiträge einstellen, deshalb gibt es die generelle Empfehlung hier im Forum mit einem anonymen Nick und mit anonymer E-Mail-Adresse unterwegs zu sein.

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    Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
    (Ernest Rutherford, Physiker)

    Anonym
    Gast
    Beitragsanzahl: 2122

    Hallo Barbara,

    vielen Dank für Deine schlüssige Antwort, die mich sicher wieder ein Stück weiterbringt.

    Mit den erwähnten Methoden (ANOVA, FMEA, DoE) bin ich größtenteils vertraut, GLM (Generalized Linear Model?) ist für mich neu.

    Obleich (oder gerade weil) die Prozessvalidierung eine meiner Hauptaufgaben darstellt, erscheint das von Dir erwähnte Workbook, speziell aufgrund seines breiten Themenumfangs, sehr interessant zu sein – vielen Dank für den Tipp!

    Beste Grüße,
    Wolfgang

    PS: Meinen Nick wollte ich ohnehin ändern – Deine Anregung hat mich zu einer Neuregistrierung veranlasst;)

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo Wolfgang,

    ja, GLM ist die Abkürzung für „general linear model“ oder zu deutsch ALM bzw. „Allgemeines Lineares Modell“. Das GLM ist die Verallgemeinerung für Regression und ANOVA-Modelle, sprich Du kannst darin sowohl variable als auch attributive Merkmale berücksichtigen.

    Eine Beschreibung, wie die drei Modell-Typen (Regression, ANOVA, GLM) zueinander stehen, findest Du z. B. im Thread Regressionsanalyse. DoE-Modelle sind übrigens auch GLMs, steht nur selten so klar irgendwo.

    Das nette an den GLMs ist, dass (trotz des Namens „linear“) auch quadratische, kubische oder andere Terme (exponentiell, logarithmisch) verwendet werden können, um das Ergebnis eines Prozesses zu beschreiben bzw. zu modellieren. „Linear“ bezieht sich zwar auf Eigenschaften der Gleichung, allerdings nicht auf die Art der Terme, sondern auf die Art der Koeffizienten (Vorfaktoren vor den Termen).

    Bei einer Ausgleichsgeraden mit der Form
    Y = b0 + b1*x1
    z. B. Länge = b0 + b1*Druck + b2*Temperatur + b12*Druck*Temperatur + b11*Druck^2
    sind die Vorfaktoren b0, b1, b2, b12 und b11 linear. Die Terme (wie Druck), können dagegen quadratisch oder sonstwie in die Gleichung eingehen. Und genau diese Eigenschaft von GLMs macht sie so schön flexibel.

    Viele Grüße

    Barbara

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    Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
    (Ernest Rutherford, Physiker)

    qualyman
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 2072

    Hallo Wolfgang,

    bist Du evtl. noch an dem Workbook „Validierung von Prozessen und Produktion“ interessiert?

    Bei mir im Bücherregal steht da so was noch rum.
    Ist noch gut in Schuss und ich würde Dir es zu einem Super-Forum-Vorzugs-Winterschlussverkauf-Preis anbieten.
    Zur Info: Der Neupreis lag bei Euro 33,70.

    Gute Zeit!

    Qualyman – Qualitäter aus Überzeugung und Leidenschaft, auch wenn´s mal Leiden schafft!

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