QM-Forum › Foren › Qualitätsmanagement › Was spricht gegen AQL?
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AutorBeiträge
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Hallo zusammen,
ich beschäftige mich gerade mit der Einführung einer Wareneingangsprüfung und habe mich diesbezgl. gerade 1h zu dem Thema AQL durch das Forum gelesen(welches übrigens eine hervorragende QM Plattform darstellt, vielen Dank an die Anbieter und auch an die kompetente Moderatorin barbara!).
Dabei habe ich diverse Male gelesen, dass man die Nachteile bereits breit diskutiert hat, konnte entsprechenden Thread aber nicht finden. Was ich gefunden hab waren viele Mißverständnisse u Fragen zu dem Thema.Deshalb meine Frage:
Kann jemand konkret, von Problemen mit AQL/Stichprobenprüfungen berichten oder kennt jemand ein besser Prüfsystem(insbesondere für die WEP)?
Denn meiner Meinung nach wird von vielen Seiten nur falsche Erwartung in das System gesetzt.
AQL ist meines Verständnises nach die effektivste Möglichkeit eine konsistente Aussage über die Qualität eines WE zu treffen.
Es lässt sich damit keine Qualität erprüfen und es lassen sich damit nur Antwort(Fehlerquote) auf Fragen(Merkmale) finden die man auch stellt. Wenn man das bedenkt, dann kenne ich keine bessere Prüfmöglichkeit.
Lasse mich aber gern von etwas besseren Belehren…Dank u Gruss
Atlas
Es gibt nichts gutes, außer man tut es.
(Erich Kästner)Hallo Atlas,
willkommen im Forum :)
Interessant könnten für dich diese beiden Threads sein: Thread 1 und Thread 2.
Der große Schwachpunkt bei AQL ist, dass Du das Risiko für die falsche Entscheidung „Los wird angenommen, obwohl Qualität zu schlecht ist.“ nicht begrenzen kannst und die Pläne gerade bei attributiven Prüfungen mit einem sehr hohen Risiko behaftet sind (>50 %, d. h. Du stellst bei mehr als jeder zweiten schlechten Lieferung nicht fest, dass die Lieferung zu schlecht ist).
Viele Grüße
Barbara
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Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker)Hallo Atlas
Habe meine DA über das AQL Thema geschrieben.
AQL wurde von den US-Militärs entwickelt um Qualitätsaussagen über Produkte zu machen, die sich nur durch zerstörende Prüfungen treffen lassen (Munition, Bomben).Für Qualitätsaussagen bei heute verlangten Fehlerraten ist AQL ungeeignet bzw bei entsprechenden (aussagekräftigen) Prüflosen unhandlich.
Gibt es aber alles hier im Forum zu lesen. Barbara wird sich bestimmt auch melden.
Grenzwertige Grüße
Gambas…Barbara war schneller;-)
geändert von – gambas on 18/12/2008 11:50:09
geändert von – gambas on 18/12/2008 12:05:05
Hallo Atlas!
Ganz prinzipiell zu Stichprobenprüfungen: Du entdeckst damit nur Fehler mit hoher Auftretenswahrscheinlichkeit. In der Praxis also Serienfehler oder grobe Schlamperei. Wenn Du die Fehlerraten, die heutzutage gefordert sind, abfangen willst, geht Dein Prüfaufwand gegen 100%.
Wir machen’s auch immer noch. Ich betrachte es aber längst als schwachen Ersatz für eine echte Lieferantenbetreuung.
Ach ja, Du wolltest von Problemen hören: 50% unserer Reklamationen an Lieferanten kommen aus der Fertigung, sind also bei der WEP durchgeschlüpft.
Schöne Grüße
Frank
„Es ist alles gesagt – nur noch nicht von jedem.“ (Karl Valentin)
Hallo,
vielen Dank für eure schnellen Antworten.
Die extrem hohen durchschlupfquoten überraschen mich. Trotzdem sehe ich für eine generelle WEP keine Alternative zu diesem System. Als Unternehmen im Projektgeschäft, verfügen wir über eine extrem hohe Anzahl von Lieferanten, so dass eine Lieferantenbetreuung für uns keine echte Alternative ist. Als vollständige Schlechtteil Abwehr kann die Stichprobenprüfung wohl nicht herhalten. Ich hoffe aber, dass wir die Daten zur Lieferantenbewertung nutzen können und sich ein gewisser „Erziehungseffekt“ durch die Systematik einstellt.Gruß und Dank
Atlas
Es gibt nichts gutes, außer man tut es.
(Erich Kästner)Hallo Atlas,
in dem Fall habe ich eine super Lösung für Dich. Die Prüfung wird mit Hilfe einer Münze durchgeführt:
„Kopf“=annehmen, „Zahl“=ablehnenDamit hast Du das Risiko für eine falsche Entscheidung auf lediglich 50 % begrenzt! Im Vergleich zu AQL ist das ein echter Fortschritt.
Viele Grüße
Barbara
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Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker)Hmm….
ich werde darüber nachdenken. Wenn du evtl. noch eine DIN dazu anregen könntest hätte das Verfahren villeicht echte Chancen.
Ansonsten wird die Systematik schwierig an meine Vorgesetzten vermittelbar…; )
Atlas
Es gibt nichts gutes, außer man tut es.
(Erich Kästner)Hallo Barbara!
Ich würde Würfel vorschlagen. Das Prozeßergebnis läßt sich feiner differenzieren. Außerdem gibt’s, soweit ich weiß, keine kalibrierten Münzen.
Schöne Grüße
Frank
„Es ist alles gesagt – nur noch nicht von jedem.“ (Karl Valentin)
Hallo Atlas,
für Dein Problem gibt es eine Norm: DIN ISO 2859 Teile 1 bis 3.
Wenn du aber mal im Forum nach „Signifikanz einer Stichprobe“ und ähnlichen Begriffen suchst, dann wirst du in den Threads ähnliche Aussagen wie von Barbara und Frank finden.
Alle mit dem gleichen Fazit: Stichproben nach AQL sind Kaffeesatzleserei.
Auch wenn es dazu eine Norm gibt, schlecht bleibt schlecht…Viele Grüße
ThomasHallo Atlas,
das mit der Änderung der Norm fänd ich auch ganz nett, vor allem weil es neben der 2859 zahlreiche weitere gibt, die mehr Kaffeesatzleserei sind als gutes statistisches Handwerkszeug.
Leider hat die Menge an statistischem Fachwissen im DIN und (soweit ich das an Hand der Veröffentlichungen beurteilen kann) auch in der ISO noch sehr viel Potential nach oben. Da die meisten Normen hierzulande nur auf Deutsch übersetzt werden, müsste dazu auf der internationalen Ebene was passieren. Da sich aber dort nur diejenigen aufhalten können, die das zeitlich und wirtschaftlich hinkriegen, wird es wohl auch in Zukunft wenig Schub nach oben geben – sagt meine Kristallkugel.
Um wenigstens bei den DIN-Übersetzungen in Deutschland mitmachen zu dürfen, musst Du jedes Jahr 1.000 Euro auf den Tisch des DIN-Hauses legen – pro Arbeitskreis versteht sich. Zusätzlich kommen noch Ausgaben für Übernachtung, Verdienstausfall, usw. dazu. Der Teilnehmer an diesen Arbeitskreisen bekommt im Gegenzug Einblick in die zu übersetzenden Normtexte und darf sich offiziell „Mitglied des DIN-Arbeitskreises XY“ nennen. Super.
Da ich grundsätzlich wenig Interesse daran habe, meine Arbeit auch noch zu bezahlen und dafür in Arbeitskreisen zu sitzen, die verglichen mit meinem Anspruch an effizientes Arbeiten ein hohes Potential nach oben haben, habe ich auf eine weitere Teilnahme an den Arbeitskreistreffen verzichtet. Mein Angebot, dem DIN (auch kostenfrei) mit Rat und Tat bei der Übersetzung und/oder den Methoden zur Seite zu stehen, besteht nach wie vor und wurde in den vergangenen vier Jahren genau 0 Mal genutzt.
Also schreib ich lieber hier im Forum und auch sonst, warum welche Norm aus statistischen Gründen dem Unternehmen schaden und den Unternehmenserfolg behindern.
Das mit den kalibrierten Münzen ist ein nicht zu unterschätzender Punkt. Schließlich soll das Risiko ja auf 50 % begrenzt sein. Damit bieten sich z. B. Kasino-Würfel an, für die es sehr harte Anforderungen gibt. Um eine Hop-Top-Entscheidung damit hinzukriegen, kannst Du z. B. die folgende Prüfvorschrift ausgeben:
„1-2-3: Los ablehnen“
„4-5-6: Los annehmen“Natürlich muss bei der Auswahl der Prüfer abgesichert werden, dass diese Zahlen erkennen und zuordnen können. Zusätzlich sollte der Prüfort über eine ausreichende Beleuchtung sowie ausreichend Platz zum Würfeln verfügen.
Okay, das wird Deine Vorgesetzten nicht unbedingt überzeugen. Vielleicht hilft es ja, wenn Du ihnen mal vorrechnest, was durch falsche Prüfentscheidungen an Kosten auf Euch zukommen (z. B. wenn zu schlechte Qualität zu Produktionsstillständen / -schwierigkeiten führt).
Viele Grüße
Barbara
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Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker)und genau deswegen warte ich gespannt wie ein flitzebogen auf barbaras buch ;)
frohes fest euch allen!„das ist ein walversprechen. das muß man nicht halten!“ käpt’n blaubär, der weiseste bär des universums
Hello Again,
also hab mir jetzt nochmal ne Woche wegen Durchschlupfwkt. u Signifikanz Niveau den Kopf über meinen alten Statistik Skripten zerbrochen.
Nennt mich einen naiven Laien, aber ist es nicht so, dass ich bei der Auswahl meiner Stichprobengrösse die Irrtumswkt(=Fehler 1.-2. Art) mitberücksichtigen kann?
Bei einem entsprechend hohen Wert liegt die Stichprobengrösse zwar zw. 90-30% bei Lieferungen bis 100 Teilen. Aber dafür liegt die Irrtumswkt. auch nurnoch bei 5%.
Wenn man also eigene Stichprobenfkt. anstatt der 2958 nimmt ist die Aussagekraft doch gegeben oder nicht?Nebenbei:
Ist es richtig, dass das Konfidenzniveau die Irrtumswkt im Sinne:Konfidenzniveau=1-Irrtumswkt
abbildet?
Dank u Gruss
Atlas
Es gibt nichts gutes, außer man tut es.
(Erich Kästner)Hallo Atlas,
Du hast *2* vollkommen verschiedene Möglichkeiten, einen Fehler zu begehen:
Fehler 1. Art / alpha / Irrtumswahrscheinlichkeit
Fehler 2. Art / betaEinen alpha-Fehler zu begehen heißt, dass eine Lieferung trotz guter Qualität zurückgewiesen wird.
Beim beta-Fehler merkst Du nicht, dass Du schlechte Qualität bekommen hast. Das ist meiner Meinung nach der viel fiesere Fehler in der Wareneingangsprüfung. (Es brennt und keiner merkts, bis der Dreck Schwierigkeiten in der Fertigung macht.)
Mit dem Vertrauensniveau / Konfidenzniveau siehst Du *ausschließlich* auf alpha. Beta kommt da schlicht nicht vor. Der Zusammenhang zwischen Vertrauensniveau und Irrtumswahrscheinlichkeit ist wie von Dir geschrieben:
Vertrauensniveau = 1 – alpha = 1 – IrrtumswahrscheinlichkeitDu kannst alpha und beta bei der Berechnung des Stichprobenumfangs frei wählen. Nur wirst Du *immer* bei attributiven Größen und kleinen alpha- und beta-Risiken einen sehr hohen Prüfaufwand haben. Das gilt insbesondere dann, wenn Deine Ausschussrate klein ist.
Viele Grüße
Barbara
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Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker)hai barbara,
vielen dank, das hilft mir sehr weiter. Dann war ich ja gar nicht so weit weg vom „grossen ganzen“.
Verstehe, was du mit dem Beta Fehler meinst. Aber wir müssen zunächst einmal einen grundsätzlichen Prüfplan Einführen, in Bezug auf Prüfsystematik starten wir leider fast bei 0. Deshalb muß ich dieses Risiko erstmal in Kauf nehmen, weil mir der Projektplan im Nacken sitzt.Gruß u Dank
Atlas
Es gibt nichts gutes, außer man tut es.
(Erich Kästner)Hallo Atlas,
ich versteh schon, dass ein Projektplan und die Einhaltung desselben wichtig ist. Was ich nicht verstehe ist, wieso bei jetzt *bekannten* Problemen die Priorität „Projektplan einhalten“ vor der Priorität „risikobegrenzte Wareneingangsprüfung“ liegt.
Wenn Du in dieser Situation einen Prüfplan aufsetzt, wirst Du zwangsläufig immer wieder in der Fertigung auf schlechte Qualität stoßen. Das wird zu Verdruss und Schwierigkeiten in der Fertigung führen. Die Fertigungsmitarbeiter sowie das Management wird dann – zu Recht! – die Sinnhaftigkeit und Effizienz der Wareneingangsprüfung in Frage stellen. (Das fällt vermutlich auf den Projektleiter beim Aufsetzen der WEP zurück, also auf Dich.)
Im nächsten Schritt werden dann neue Prüfpläne oder gänzlich andere Prüfmethoden aufgesetzt werden und zwar solche, die (hoffentlich besser) funktionieren. Vermutlich läuft es auf eine 100 %-Prüfung hinaus.
Diese zweite Umstellung der WEP erfordert dann einen erheblich größeren Kraftaufwand, denn zuerst muss erklärt werden, warum die erste Prüfplanung nicht funktioniert, anschließend müssen Ressourcen für ein geeignetes Prüfsystem freigegeben werden und es müssen die Prüfer ein zweites Mal geschult und informiert werden.
Es warten also unvorhersehbare Fertigungs-Schwierigkeiten durch schlechte Qualität und Dauer-Diskussionen mit den Prüfern, Werkern und der Leitung auf Dich.
Und das soll wirklich besser sein als es sofort richtig zu machen?
*Ironie an*
Wenn Ihr noch mehr Geld in den Kamin werfen wollt, gebe ich Euch gerne meine Kontonummer zur Abfall-freien Entsorgung.
*Ironie aus*Viele Grüße
Barbara
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