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Hallo Forum,
ich habe Fragen zu einem Quality-Gate (Q-Gate) (früher 100%-Prüfung), das eingesetzt wird, um einen Serienanlauf zu unterstützen, bis wirklich sicher ist, dass Null Fehler-Teile in die Versandbehälter gelangen.
Gibt es hier eine Vorgabe oder Standardgröße ab welchem Zeitraum oder Anzahl von geprüften i.O.-Teilen, das Q-Gate wieder abgebaut werden kann?
Wie geht ihr vor?
Gibt es hier einen statistischen Hinweis, der einem weiterhilft?Mir ist schon bewusst, dass es sicher von den Teilen und deren Komplexizität abhängt, wann ich ein Q-Gate abbaue, aber momentan hänge ich ziemlich in der Luft.
Gruß msb
wer die Wahrheit sucht, wird sie finden
Hallo msb,
es gibt einige statistische Verfahren zur Prozess-Absicherung. Allerdings gibt es – wie immer in der Statistik – keine absolute Sicherheit auf 0-Fehler-Lieferungen, weil immer eine kleine Rest-Wahrscheinlichkeit bzw. Rest-Risiko für ein n.i.O.-Teil bleibt.
Die Minimalforderung für einen akzeptablen Prozess ist das Erreichen von guten Werten bei der Kurzzeit- oder Maschinenfähigkeit (Cm, Cmk). Was „gut“ ist, hängt von den Anforderungen des Kunden ab, d. h. nicht nur von der Spezifikation sondern auch von dem Rest-Risiko für n.i.O.-Teile, die der Kunde akzeptiert.
Wenn z. B. ein Cm von 1,67 gefordert ist, sind unter bestimmten Bedingungen (s. u.) nur 0,5 ppm zu erwarten. Für Cm=1,67 darf die Streuung S (Standardabweichung) höchstens ein Zehntel der Toleranz betragen.
Diese Abschätzungen mit Fähigkeitsindizes funktionieren allerdings so einfach nur, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehören:
1) Prozess-Stabilität
Ohne Stabilität kannst Du die Qualitätsfähigkeit nicht vorhersagen, weil Du nie weißt, ob sich der Prozess nicht spontan verändert wenn er instabil ist. Instabil heißt, dass es z. B. Trends, Sprünge, nicht-zufällige Muster, usw. gibt. Auch wenn Du weißt, warum der Prozess so aussieht (z. B. Verschleiß, Material- oder Werkzeugwechsel), kannst Du bei einem instabilen Prozess eben nicht vorhersagen, wo Du morgen oder in einer Woche liegst.Überprüfung: Grafisch, z. B. mit Einzelwertkarte I-MR
2) Normalverteilte Werte
Wenn ein stabiler Prozess immer gleich läuft, liefert er am Ende Werte, die nur ein bisschen zufällig um einen mittleren Wert schwanken. Damit sind diese Werte normalverteilt.Überprüfung: Wahrscheinlichkeitsnetz / NQ-Plot, Test auf Normalverteilung (z. B. Anderson-Darling, Shapiro-Wilks, *nicht* Kolmogorov-Smirnov oder Lilliefors, da die zu schlecht sind)
3) Fähiges Mess-System / MSA
Um beurteilen zu können, ob Du Dich auf Deine Werte überhaupt verlassen kannst, brauchst Du eine Mess-System-Analyse (MSA), d. h. neben der Gage R&R auch eine Analyse der Linearität, der systematischen Abweichung / Bias sowie der zeitlichen Stabilität.Überprüfung: Vergleich zwischen Soll-/Referenz-Wert und gemessenem Wert, Gage R&R (bevorzugt ANOVA-Methode)
Im QM wird der Vergleich zwischen Referenzwert und gemessenem Wert oft über das so genannte Verfahren 1 gemacht. Da gibt es deutlich elegantere und informativere Methoden in der Statistik für (Stichwort: Statistische Prozessmodelle SPM für den Mess-Prozess).
4) Berechnung der Kurzzeit-Fähigkeit Cm, Cmk
Wenn der Prozess stabil ist (1), die Werte normalverteilt sind (2) und Dein Mess-Prozess zuverlässige Ergebnisse liefert (3), dann kannst Du die Fähigkeit des Prozesses im Bezug auf die Kundenforderungen mit den üblichen Formeln bestimmen und schauen, ob Ihr gut genug seid.Allgemein wird für die Prüfung von (1) und (2) sowie die Bestimmung der Fähigkeit (3) eine Mindestanzahl von 100 Messungen gefordert. Einige mehr sind natürlich besser, weniger sollten es nicht sein, um Abweichungen von den Voraussetzungen auch entdecken zu können.
Das wäre der schöne Weg. Natürlich ist es gerade in komplexen Prozessen völlig normal, dass es Einflüsse auf den Prozess gibt, die zu einem instabilen Ergebnis (1) oder nicht-normalverteilten Werten (2) führen. Gerade bei komplexen Mess-Aufgaben ist die Forderung (3) manchmal schwer oder nicht erfüllbar.
Fangen wir mal hinten an:
Abweichungen bei 3):
Hier muss der Mess-Prozess verbessert werden, um zuverlässige Messergebnisse zu bekommen. Wenn sich der Mess-Prozess nicht verbessern lässt, z. B. weil es kein Messmittel gibt mit dem etwas besser vermessen werden könnte, ist die Messung als solches ziemlich überflüssig, weil darüber der Prozess nicht beurteilt werden kann.
Abweichungen bei 1) und 2):
Wenn keine stabilen und/oder normalverteilten Ergebnisse entstehen, gibt es dafür einen Grund. Irgend etwas beeinflusst den Prozess so stark, dass das Ergebnis mehr als nur Zufalls-Streuung ist (wie schon gesagt, das ist die normale Situation).
Damit brauche ich ein validiertes Modell, mit dem ich diese Einflüsse quantifizieren kann und den Prozess so einstellen kann, dass er anschließend normalverteilte Ergebnisse liefert oder ich zumindest vorhersagen kann, wo die Ergebnisse liegen werden und den Nachweis habe, das keine weiteren wichtigen Stellgrößen eine Rolle spielen. Diese Informationen liefert ein statistisches Prozess-Modell (SPM).
Dummerweise kann ich mit einem validierten Modell zwar nachweisen, dass ich den Prozess so weit verstanden habe, dass ich Prozess-Ergebnisse vorhersagen kann und damit meine grundsätzliche Qualitätsfähigkeit (hoffentlich) nachgewiesen habe. Was mir an dieser Stelle noch fehlt ist eine Aussage dazu, wie viele n.i.O.-Teile bei x Durchläufen voraussichtlich entstehen. Bei komplexen Prozessen sind die üblichen Fähigkeits-Formeln unbrauchbar. (Rechnen lässt sich das natürlich über die Formeln für Cm, Cmk bzw. Cp, Cpk, nur kann ich so keine haltbare Qualitätsabschätzung machen.)
An dieser Stelle hilft wieder das SPM, weil ich damit Durchläufe simulieren kann und hinterher sehe, wie viele n.i.O.-Teile nach 1.000.000 oder mehr produzierten Teilen zu erwarten sind. Eine Anwendung für diese Art von Simulationen aus dem Bereich der Messtechnik findet sich z. B. in der QZ 4/2008, S. 184ff. Das Vorgehen bei der Simulation ist auch für SPMs identisch.
Da die meisten Kunden heute (noch) nicht wissen, was ein guter Umgang mit nicht-normalverteilten Werten ist, wird sich Dein Kunde eventuell damit begnügen, wenn Du 100 Werte misst, die Fähigkeits-Indizes Cm und Cmk ausrechnest und seine Anforderungen an Cm, Cmk erfüllst.
Da Ihr allerdings im Automotive-Bereich seid, könnten die Anforderungen schon höher sein. Und ich kenne durchaus auch Firmen ausßerhalb des Automotive-Bereichs, in dem umfangreichere Forderungen für die Prozess-Validierung bestehen.
Also gilt wie immer im wahren Leben als erstes herauszufinden, wie viel Sicherheit bei der Prozess-Validierung Du brauchst und welche Anforderungen auf Kundenseite bestehen. Und im zweiten Schritt kannst Du dann das Umsetzen, was Du für den Abbau des Q-Gates brauchst.
Viele Grüße
Barbara
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Ich fühle, dass Kleinigkeiten die Summe des Lebens ausmachen.
(Charles Dickens, Schriftsteller)@ Barbara
vielen Dank für den ausführlichen Bericht zur statistischen Seite. Soweit so klar. Das Problem ist bei uns, dass wir uns mit der statistischen Prüfung schwer tun, da es vielfach um Oberflächenbetrachtung von Teilen handelt, die später im Innenraum eins PKW landen. D.h. oft hängt es vom guten Auge des Werkers an der Maschine ab, ob er aus Versehen ein n.i.O.-Teil einpackt. Dies statistisch zu „packen“, ist nicht so einfach.@ Q-Gateanwender,
kennt Ihr mein Problem? Wie handhabt Ihr diese Thematik?
Gruß msb
wer die Wahrheit sucht, wird sie finden
Hallo msb,
ach so, es geht um atttributive Prozessergebnisse und Prüfungen!
Dazu fallen mir zwei Bereiche ein (die wie immer etwas mit Statistik zu tun haben):
1. attributive MSA
Auch bei attributiven Prüfungen kannst Du statistische Methoden anwenden, die Dir sagen, ob bzw. in wieweit die Prüfergebnisse untereinander und/oder mit einem Standard übereinstimmen (attributive MSA). Damit hast Du dann schon mal Anhaltspunkte dafür, wie gut die Augen der Prüfer sind.
2. Prozess-Absicherung mit SPMs
Am besten ist es natürlich, wenn überhaupt keine n.i.O.-Oberflächen entstehen (logisch). Neben den üblichen statistischen Prozess-Modellen (SPMs), bei denen eine variable Zielgröße wie Maße, usw. modelliert werden, gibt es auch Modelle, die als Zielgrößen i.O./n.i.O. oder ordinale Ergebnisse (Rangfolgen wie beispielsweise bei Schulnoten) verwenden.
Damit kannst Du in einem Prozess untersuchen, was das Auftreten von Fehlern begünstigt bzw. verhindert. Diese SPMs heißen binäre (für gut/schlecht) oder ordinale (für Rangzahlen) logistische Regressionsmodelle.
Angewandt werden diese Art von SPMs im Moment eher außerhalb des QMs, z. B. in der Medizin. Diesen Modellen verdanken wir Erkenntnisse wie „2 h Sport pro Woche senken das Risiko für einen Herzinfarkt um x %“. Übertragen auf Prozesse kann so ein SPM z. B. folgende Aussage liefern: „Eine Temperatur von 54 °C im Herstellungsprozess senkt das Risiko für Rissbildung (Oberflächenfehler) um 17 %.“
Wenn Du dann erstmal ein taugliches SPM für Dein Prozess-Ergebnis hast, wird der Kunde wahrscheinlich in Ehrfurcht erstarren und überhaupt nicht mehr an Q-Gates denken ;-) Immer vorausgesetzt natürlich, Du hast ein fähiges Mess-System, damit Du auch die n.i.O.-Teile findest.
Viele Grüße
Barbara
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Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker)Hallo Barbara,
das mit der MSA für attributive Merkmale muss ich gleich mal durchrechnen.
Das mit dem SPMs klingt sehr interessant. Hast du je gehört, dass es in einem Spritzgießprozess angewandt wurde? Klingt irgendwie nicht ganz so einfach. Und schon das Spritzgießen ist so eine Sache für sich. Also für mehr Info in dieser Thematik bin ich wirklich offen.
Danke für die Tipps.
Gruß msb
wer die Wahrheit sucht, wird sie finden
Hallo msb,
ich hab mal ein bisschen gesucht. In Deutschland ist das mit der Statistik ja sowieso so eine Sache, da muss es immer super-kompliziert sein.
Gefunden hab ich eine Studie vom Steinbeis-Zentrum mit gaaaanz viel statistischer Modellierung. Diese Studie ist allerdings selbst für mich ziemlich abschreckend da zu kompliziert und für keine Bardame erklärbar (s. meinen Footer).
Spannendere Sachen gibt es im Extrusions-Bereich, z. B. dieses hier (allerdings auf Englisch).
Viele Grüße
Barbara
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Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker)Hallo Barbara,
jetzt ist mir ganz algorhytmisch zumute. Wenn schon dir als Top-Statistikerin das Herz in die Hose gerutscht ist bei dem ersten Link, dann kannst du dir ja vorstellen, wo meines nun ist.
Und ob mich das englische Extrusionsteil richtig nach vorne bringt, muss sich erst erweisen. Vielen Dank mal für deine Recherche.
Höre meinen Chef schon sagen, immer dieser akademische KrimsKrams mit dem ich daherkomme.
Na dann forsche ich mal weiter.Gruß msb
wer die Wahrheit sucht, wird sie finden
Hallo msb,
wir haben sowohl Q-Gates zwischen den einzelnen Produktionssteps, als auch vor dem Versand. (Nicht zu verwechseln mit den Q-Gates in der Projektentwicklung)
Der Sinn dieser Q-Gates ist eigentlich Mitarbeiterschulung. Die übergebende Abteilung soll damit vertraut gemacht werden, welche Auswirkungen ihre Fehler in der übernehmenden Abteilung haben, auch mit Rückweisung und Nachbesserung.
Mit Q-Gates im Versand haben wir allerdings schon die Erfahrung gemacht, das diese einen Verantwortungverlust bei den Mitarbeitern herbeiführen, und das Verhaltensmuster: „Nicht so schlimm, wird ja nochmal durchgesehen“ zunimmt.
Dies konnten wir erst umgehen, in dem wir das Q-Gate für eine begrenzte Zeit beim Kunden eingerichtet haben, und die MA das nicht wussten. Und auch die MA mit zu den Fehlermeetings zum Kunden mitgenommen haben.
Nachdem sich dann die ppm Rate in einem vernünftigen Mass bewegte, haben wir das Q-Gate auch wieder abgebaut.
Statistische Hinweise? Nein, eher gefühlsmässige Entscheidung.Gruß
ma_este
Hallo ma este,
dein Beitrag klingt sehr vertraut.
Das mit dem Verantwortungsverlust kann ich auch völlig nachvollziehen. In solch einem Fall „menschelt“ es halt gewaltig.
Nun zu deinem entscheidenden Satz: > Nachdem sich dann die ppm Rate in einem vernünftigen Mass bewegte, haben wir das Q-Gate auch wieder abgebaut. <Was heißt für dich die ppm-Rate bewegt sich in einem vernünftigen Maß?
Was für Serienteile liefert ihr aus?
Welche Stückzahlen haben eure Serienlosgrößen?
Das mit den gefühlsmäßigen Entscheidungen in der Autoindustrie ist bei uns so eine Sache.Gruß msb
– wer die Wahrheit sucht, wird sie finden –
Hallo msb,
ich komme aus der Automobilzulieferindustrie, und wir stellen Zierteile her.
Tja, weisst Du, es ist in einer Sparte, in der 80% der Merkmale visuell beurteilt werden, sehr schwierig. (Aber wem sage ich das) Ich habe schon oft erlebt, das man bei einem Meeting übereingekommen ist, die Teile sehen doch recht gut aus, danach so ein Q-D… daherkommt, sagt: oh, das gefällt mir aber gar nicht, und alles zum Kippen bringt.
Wie will man so was messen.
Ist eben eine absolut individuelle Beurteilung.
Und genau so individuell ist der Maßstab, den der MA am Q-Gate anlegt. Und da helfen auch 1000 Grenzmuster nix, im Gegenteil, die verunsichern in so einem Fall nur.
Es ist uns auch schon des öfteren passiert, das wir ein Q-Gate ganz kurzfristig wieder aufgebaut haben, nachdem es schon längere Zeit abgebaut wurde. lach….hat auch was mit der aktuellen Verbaurate beim OEM zu zun, und wie dringend er deine Teile gerade braucht, bzw. hat der OEM grad mal nen neuen Q-Mann eingestellt.
Sei es wie es will, mein vernünftiges ppm Level liegt immer knapp unter der vereinbarten ppm Rate.Tja, vielleicht gäbe es ja eine Patentlösung, nur fällt sie mir aktuell nicht ein.
Es menschelt eben. Vielleicht sollte man die von einem Forumsmitstreiter immer so angepriesene Soft Fact FMEA anwenden?
lach…oder das Forumsorakel befragen…..Es grüßt
ma_este
Hallo msb,
Statistik in Prozessen wird halt nur angewandt, wenn die Verzweiflung groß genug ist ;-) Dein Chef scheint diesen Status noch nicht erreicht zu haben.
Viele Grüße
Barbara
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Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker)@ Barbara,
da magst du wohl recht haben.@ ma_este,
deine Beschreibung kommt mit irgendwie bekannt vor …
Doch nun wieder zu meiner Lieblingsfrage an dich:
Sei es wie es will, mein vernünftiges ppm Level liegt immer knapp unter der vereinbarten ppm Rate.
Diese Aussage begreife ich. Aber nehmen wir mal an du hast eine ppm Rate von 100. Nun hast du schon 2000 Teile geprüft im Q-Gate und alle waren i.O.
Hörst du nun auf oder nicht? Würdest du noch eines prüfen, nämlich das 2001-ste und dies wäre n.i.O., dann hast du nämlich 499,7 ppm! Oder hörst du das Q-Gate wirklich erst nach 10000 i.O.-Teilen auf?Gruß msb
– wer die Wahrheit sucht, wird sie finden –
Hallo zusammen,
nachdem hier gerade noch eine Frage zu Stichproben aufgeschlagen war, hab ich mal ein bisschen für Eure Situation gerechnet.
Gehen wir mal davon aus, dass Ihr 80 ppm (0,00008) schafft und der Kunde ab 120 ppm (0,00012) meckert. (Ein bisschen Luft nach oben sollte es immer geben.)
Ihr wollt Euch mit einer Stichprobenprüfung vor allem dahingehend absichern, dass die Prüfung zuverlässig eine Entscheidung über die Einhaltung der Kundenforderung liefert. Übersetzt in Statistik-Stichproben-Deutsch heißt das: Ihr braucht einen kleinen Fehler 2. Art beta (Risiko für „zu viele niO-Teile und keiner merkt es“ soll begrenzt sein). Ihr setzt also das Risiko auf maximal 10 % (5 %: alternativer Wert).
Euch ist es nicht ganz so wichtig, dass es einen „falschen Alarm“ gibt, d. h. dass die Stichprobenprüfung irrtümlich anzeigt, das etwas falsch ist. Übersetzt in Statistik-Stichproben-Deutsch heißt das: Das Risiko für einen Fehler 1. Art alpha (Fehlalarm) darf ein bisschen größer sein. Nehmen wir mal 20 % (für das Risiko der Testentscheidung, *nicht* für die Qualität der Teile selbst!)
Und mit diesen Angaben könnt Ihr dann ausrechnen, wie viele Teile Ihr prüfen müsst, bis Ihr diese Sicherheit erreicht habt. (Das funktioniert natürlich nur, wenn das Mess- bzw. Prüfsystem in Ordnung ist):
alpha = 20 % = 0,20
beta = 10 % (5 %) = 0,10 (0,05)
angenommene ppm: 80 = 0,00008
Grenzwert: 120 ppm = 0,00012Damit müsst Ihr „nur“ 281.967 Teile prüfen (beta = 10 %) oder wenn Ihr ein etwas kleineres Risiko erreichen möchtet 396.168 Teile (beta = 5 %). Ich glaub das ist nicht so wirklich realistisch ;-)
Nehmen wir mal den anderen Weg: Ihr prüft 2.000 Teile und wollte wissen, wie hoch das beta-Risiko für „es brennt und keiner merkts“ ist.
alpha = 20 % = 0,20
angenommene ppm: 80 = 0,00008
Grenzwert: 120 ppm = 0,00012
geprüfte Teile: N=2000Damit ergibt sich ein beta-Risiko von 79 %, d. h. in 79 % dieser Entscheidungs-Situationen würdet Ihr nicht merken, wenn es schlechter läuft als geplant.
Wer das Nachrechnen möchte findet bei der Heinrich-Heine-Uni ein wirklich nettes Freeware-Tool GPower (ist allerdings auf Englsich).
Fazit:
Mit ppm’s attributive Stichproben-Sichtprüfungen zu machen ist Kokolores: Sieht nett aus und bringt keine wirkliche Risikoverkleinerung.
Welche statistischen Verfahren tatsächlich etwas bringen (und lange zwar bevor man 200.000 Teile geprüft hat) hab ich ja schon beschrieben.
Viele Grüße von Eurer
Gräfin von Zahl
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Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein.
(Ernest Rutherford, Physiker)Hallo Gräfin,
vielen Dank für den kleinen Exkurs in die Welt der Statistik.
Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann kann es sein, dass ich 2000 Teile in Folge prüfe, diese alle i.O. sind und mich danach das n.i.O.-Schicksal ereilt mit einer Wahrscheinlichkeit von 79 % dass ich es nicht merke?
O Jammer!
Gruß msb
– wer die Wahrheit sucht, wird sie finden –
Hallo msb!
Ist doch eigentlich plausibel, oder? Wie willst Du eine Fehlerquote, die sich auf Millionen gelieferte Stück bezieht, sicher ermitteln, wenn Du nicht wirklich Millionen prüfst? Von Deinen 2000 Teilen 1 schlechtes sind nun mal 500 ppm; und Du weißt nie, ob das jetzt Zufall war, daß das erste so früh aufgetaucht ist oder ob da noch welche nachkommen werden, da Vorhersagen bezüglich der Zukunft nun mal schwierig sind.
Aber ich habe zu ppm-Angaben und dem, was damit getrieben wird, ohnehin meine Privatmeinung….
Schöne Grüße
Frank
„There’s no problem too great for running away from it!“ (Charlie Braun)
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