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Hallo Forum,
ich habe mal 2 Fragen an alle die schon mal ein oder mehrere SS-Projekte durchgeführt haben:
1. war die Problem-Ursache (der Hebel für das Einsparpotential) vorher wirklich unbekannt?
2. ist die Einsparung die zuvor geschätzt worden ist später so eingetreten?und könnt Ihr das jeweilige Projekt mal kurz Umschreiben (Ausgangssituation, Verbesserung durch Maßnahme XYZ, geschätztes/“tatsächliches“ Einsparpotential)
Hintergrund ist das ich etwas unsicher bin bei der Auswahl für ein „geeignetes“ SS-Projekt, nicht das ich keine Einsparpotentiale sehe – ich frage mich nur welche sind am geeignetesten mit der SS-Methode zu erreichen/umzusetzen.
Hat jemand auch schonmal ein SS-Projekt umgesezt das nicht aus dem Fertigungbereich stammt z.B. eher aus dem Vertrieb- oder aus dem Entwicklungs(Prozess)-Umfeld und kann dies hier mal kurz beschreiben???
bin mal gespannt…
Grüße
pit
Hi, pit,
ich antworte als Projektsanierer und Entwickler der Kulturlogik, die das „Softe“ in den Soft Facts durch Fakten ersetzt.
Aus Deinen knappen Worten lese ich, Du möchtest ein Six-Sigma-Veränderungsprojekt durchziehen.
Aber nicht mit Blamage, sondern mit möglichst wenig Lackschäden zum Erfolg.Du: „1. war die Problem-Ursache (der Hebel für das Einsparpotential) vorher wirklich unbekannt?“
Vorab zu Ehren und zur Beruhigung Barbaras – SIX SIGMA als Sollwert für Verläßlichkeit, SIX SIGMA-Instrumentarium als Hilfe zum Erkennen und Bewerten von Symptomen für Qualitätsmängel und Diagnose technischer Ursachen – unbestritten ein Fortschritt.
Aus der Sache heraus ist zu lesen: In den seltensten Fällen.
Viele Schein-Einsparpotentiale ergeben sich als Folge, wenn man sich auf das eine fokussiert, alle Nebenwirkungen und Risiken ignoriert, um sie dem Nachfolger zu überlassen, und der Boss von der Sache selbst keine Ahnung hat.
Auf solchen Schein-Einsparpotenzialen muß man schneller Karriere machen, als das Gedröhn der einstürzenden Potemkinschen Dorffassaden einen einholen kann.Echte Einsparpotenziale waren immer und sind dort zu finden, wo sich niemand gefunden hat, das menschliche Problem hinter dem technischen Problem anzutasten.
Es fand sich halt kein Kind, das naiv genug war – oder mächtig – um des Kaisers neue Kleider aufzudecken.Hier ist, bitte verzeiht mir meinen Lustgewinn an der Formulierung, das SIX SIGMA-Instrumentarium hervorragend geeignet, das Ist der Lichtdichtigkeit der Kleider zu messen und mit dem Soll zu vergleichen und knallhart-physikalisch zu folgern: Da sind keine Kleider.
Die Überzeugungskraft guter SIX-SIGMA-Instrumente ist besser als die Naivität des Kindes.Jack Welch hat SIX SIGMA vorbildlich eingesetzt, versteinerte Strukturen zu zerschlagen.
Das aber kann nur ein Vorstandsvorsitzender mit dieser Macht, der sie auch so einsetzen will, und alle seine Black Belts, die unter seinem Schutz stehen und so machen dürfen.
Wer Strukturen zertrümmern will, dem ist der nachhaltige Nutzen aus Einsparpotenzial weniger wichtig. Dem kommt es auf das Krachen der Argumente an.Dem Veränderer im Einzelnen, dem SIX-SIGMA-Projektmanager, kommt es natürlich auf minimalen Schaden an Lack und Ruf an.
Da muß aufpassen, wer sich als Abrißbirne einsetzen läßt, wo er einen Trümmerruf hinterläßt oder gar seinen Ruf in Trümmern.
Frage 2 ist indirekt beantwortet.
Du: „und könnt Ihr das jeweilige Projekt mal kurz Umschreiben…“
Ich schicke Dir gern eine Analyse eines Six-Sigma-Veränderungsprojekts, das vorbildlich nach Jack Welch durchgeführt wurde und deshalb zum Erfolg erklärt werden mußte.
Ich brauche dazu Deine Email. Meine: Wolfgang.Horn@AknF.deIch schicke Dir auch gern die Analyse des deutschen Erfolgsbeispiels Mettler-Toledo (Albstadt). Johann Tikart hat den Waagen-Hersteller bei nachhaltig roten Zahlen aus der Position des QMB heraus übernommen, Miteinander geschaffen, im Miteinander haben die Führungskräfte und Mitarbeite ihre eigene Firma umgekrempelt und wurden zu den Renditeträgern ihrer Untenehmensgruppe.
Das ist der Weg, der zur deutschen Arbeitskultur paßt (eben nicht tayloristisch, nicht hire and fire, nicht den Wegwerfmanager (wie die Einmalspritze nach Erfolg wegzuwerfen), sondern im Miteinander nachhaltig nachhaltige Erfolge erreichen.Du: „Hintergrund ist das ich etwas unsicher bin bei der Auswahl für ein „geeignetes“ SS-Projekt, nicht das ich keine Einsparpotentiale sehe – ich frage mich nur welche sind am geeignetesten mit der SS-Methode zu erreichen/umzusetzen.“
Was sind die Kriterien für „das erfolgversprechende SIX-SIGMA-Veränderungsprojekt“?
In unserer Arbeitskultur rate ich kategorisch vom Abrißbirnen-Management ab, wenn man im Miteinander nach der Methode Tikart mehr erreichen kann.
Manchmal sind keine anderen Wege mehr, aber generell halte ich den Verzicht auf die Methode Tikart, wenn sie machbar wäre, für das, was Ärzte als Kunstfehler in den Knast bringt.Wenn Du es trotzdem versuchen willst und noch eine lange Zukunft vor Dir hast, dann wären dies meine Kriterien für „das erfolgversprechende SIX-SIGMA-Abriß-Management“:
1. Eine Person ist bereits zum Symbol geworden für das menschliche Problem hinter dem technischen Problem.
2. Dein Projekt ist das Mittel, diese Person zu entmachten und unschädlich zu machen.
3. Du als „Kranführer der Abrißbirne“ hast die klare Unterstützung der höchsten Autorität (Vorsitzender des Aufsichtsrats). Also der Person, die Deinen Förderer und Beschützer überstimmen könnte.
4. Du hast eine Strategie, wie Du den Sündenbock überwältigst, und eine neue Ist-Situation herstellt, wo Du weithin Beifall bekommst – vom Hallenboden bis in den Aufsichtsrat.
5. Du hast den Nachfolgejob schon in der Tasche.Nachfolgejob wegen derselben Nebenwirkung, an der der Drachentöter Siegfried starb – und die wohl auch die Amtszeit des Johann Tikart beendete:
§1 Karriereknickgesetz (KarrKnG): „Mitarbeitern ist verboten, auf Dauer deutlich besser zu führen als ihr Vorgesetzter. Zuwiderhandlungen sind mit Karriereknick bedroht. Nur in Ausnahmefällen der Knick nach oben.“
Wenn Du eine echte Einsparung erreicht hast, dann ist das eine schallende Ohrfeige für denjenigen Manager, der dies Potential schon vorher hätte erschließen sollen.
Zugleich steht dessen Boss in der Kritik – wieso hat er diesen unfähigen Kerl so lange gehalten? Sucht der das falsche Personal aus?
Damit stehen auch alle Führungskräfte unter dem Blamierten in der Kritik – waren auch sie falsch ausgesucht?Wenn Du etwas bewirkt hast, was andere sich nicht trauten, wenn Dein Drache, Dein Sündenbock tot ist, dann bist Du der Held.
Der zugleich alle beschämt, die dieses nicht gewagt haben oder im Versuch gescheitert sind.Nach der Heldentat wirst du gefeiert und kannst nie zurück in Deine bisherige Arbeit. Du bist verdammt. Die Frage ist nur, welches Schicksal:
a) Nachfolger des Sündenbocks. Du hast das SIX-SIGMA-Instrumentatrium als Säge an seinem Thron versucht und warst erfolgreich. Dann hält man Dich für gerissen, tüchtig, und Förderer wollen, daß Du eher mit ihnen zusammen arbeitest als gegen sie.
b) Siegried-Schicksal. Kündigng wegen eines hergeholten Grundes. Um die Ursache für die alltägliche Beschämung loszuwerden.
c) Sockel-Schickal. Auf dem Sockel der Unerreichbarkeit endet die Karriere manches Siegfrieds. Er darf dann reisen, referieren, auch beraten und trainieren, aber er ist in Vergünstigen dermaßen eingepackt, daß er unter Kontrolle ist.Bei b) und c) bleibt die Tätigkeit als Unternehmensberater, die Abrißbirne zum Mieten. Kann äußerst einträglich sein, man braucht aber Bodyguards vor der Haustür.
d) Hinaussschieben eines Schicksals dieser Art ist immer möglich, indem Du als „innerbetriebliche Abrißbirne“ so lange Deinen Gönnern nützt, bis jemand einen Kurwechsel erzwingt.
Quintessenz: SIX-SIGMA-Veränderungsmanagement ist wie das Schwert Balmung – nur in der Hand eines Helden kann es richtig wirken. Und dieser Held hat nur dann eine gute Zukunft vor sich, wenn er auch das Glück der passenden Umstände hat.
Wo es geht, da ist die Veränderung im Miteinander (Methode Tikart) unbedingt vorzuziehen. Sie ist nicht so spektakulär und auch nicht so schnell wie die Sprengung eines Hochhauses, aber nachher hat man mehr Freunde.
ciao
Wolfgang Horngeändert von – Uhu on 21/08/2007 12:37:21
@Uhu: Pit hat diejenigen gefragt, die schon mal ein Six Sigma-Projekt durchgeführt haben. Ich wusste gar nicht, dass Du dazu gehörst?! *scnr*
Hallo Pit,
wenn Du nach Ideen für Projekte und die Vorgehensweise suchst, schau mal auf isixsigma.com mit dem Stichwort „case study“.
zu 1. Wenn die Ursache bekannt ist, brauchst Du keine Ursachen-Suche mehr durchzuführen. Damit ist schon die Hälfte des Six Sigma-Projekts geschafft, bevor das Projekt angefangen hat (was sinnlos ist, wenn Du ein Six Sigma-Projekt durchführen willst). Oft gibt es erste Ideen, warum das Problem auftritt. Was es noch nicht gibt, ist eine Absicherung mit ZDF dieser Ideen.
Beispiel für ein Six Sigma-Problem:
„Die Auftragsdaten werden unvollständig erfasst, so dass bei der Abwicklung wichtige Angaben fehlen.“
Daraus lässt sich ein Six Sigma-Projekt machen.Wenn Du allerdings die Vorgabe hast „Beseitige mal die fehlenden Angaben durch Implementierung einer Software.“ dann ist das kein Six Sigma-Projekt, sondern nur eine Umsetzung.
Als Ursache wird dabei schon festgelegt, dass die fehlende Software zu den lückenhaften Eingaben führt. (Es könnte allerdings auch schlicht die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter sein oder die Sauklaue desjenigen, der die Angaben beim Telefongespräch mitgeschrieben hat.)
zu 2. Manchmal mehr, manchmal weniger, im Großen und Ganzen schon.
Viele Grüße
Barbara
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Ich fühle, dass Kleinigkeiten die Summe des Lebens ausmachen.
(Charles Dickens, Schriftsteller)Hallo pit!
Vorsicht mit den bereits bekannten Ursachen. Es stimmt natürlich, oft sind die Probleme bekannt und ungelöst geblieben. Muß nicht unbedingt aus Wolfgangs Gründen sein. Manchmal müssen die Leute wirklich so viel sägen, daß fürs Schärfen der Säge keine Kraft bleibt. Andererseits ist gerade Six Sigma mit der Fokussierung auf Zahlen und Messungen ein hervorragendes Werkzeug, um zu überprüfen, ob das, was „eh‘ jeder weiß“, auch wirklich stimmt. Von daher würde ich auch auf trivial erscheinende Probleme den ganzen Werkzeugkasten loslassen. Und sei es zum Üben.
Sicherheitshalber @ Barbara: Nein, ich habe auch noch kein Six-Sigma-Projekt gefahren. Aber wenn ich nur über Dinge rede, mit denen ich mich wirklich auskenne, habe ich in meinem Beruf bald überhaupt nichts mehr zu sagen ;-(
Schöne Grüße
Frank
„There’s no problem too great for running away from it!“ (Charlie Braun)
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