Versuchsplanung2007-08-14T14:00:09+01:00

QM-Forum Foren Qualitätsmanagement Versuchsplanung

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  • TB
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    Hallo an alle!
    Hallo Barbara! :-)

    Hab endlich die Analysen der Versuche erhalten (s. auch ‚Regressionsanalyse‘). Die sehen aber nicht besonders gut aus.. Wir hatten ja einen 2^5 Versuchsplan für eine unserer Legierungen, also insg. 32 Versuche. Jetzt habe ich die chem. Analysen und die gemessene Thermospannung (unsere Zielgröße) von 20 Versuchen erhalten (es fehlen also noch 12). Einige unterscheiden sich von den vereinbarten Soll’s sehr stark.

    Meine Frage: Kann ich diese Analysen verwenden oder sollte man Wiederholungsversuche machen? Wenn ja, ab welcher Abweichung vom ‚Soll‘ sollte man es tun? (z.B. Versuch 2 sollte laut Versuchsplan 1,48% Al haben, hat aber 1,85%, aus verschiedenen Gründen..) Und wenn ich diese 20 Versuche hab, angenommen die sind gut, kann ich schon mal Effekte berechnen und daraus Schlüsse ziehen oder lieber auf alle Versuche warten?

    Mit Dank im Voraus,
    TB

    Barbara
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    Hallo ***,

    mit einem 2^5-Plan (so genannter vollständiger 2^k-Plan) kannst Du herausfinden, welche Einflussgrößen und welche 2-fach Wechselwirkungen für das Ergebnis wichtig sind.

    Du bekommst als Ergebnis eine 5-dimensionale Fläche, die (wenn es wichtige Wechselwirkungen gibt) in sich verwunden ist. Wenn Du Dir im normalen Leben eine dünne Metallplatte vorstellst, bei der die Kanten gegeneinander verdreht sind, dann hast Du so ein Modell (allerdings nur für zwei Einflussgrößen auf der x- und y-Achse sowie der Zielgröße auf der z-Achse).

    Dieses (lineare) Modell reicht oft nicht aus, um eine Optimierungsrechnung wirklich gut machen zu können. Der Grund dafür ist, dass es keine Beobachtungen / Versuche in der Mitte des Wertebereichs gibt, sondern alle Versuche an den Endpunkten / Extremwerten des Wertebereichs jedes Merkmals durchgeführt wurden.

    Damit kannst Du ausschließlich verwundene Flächen modellieren (lineare Modelle), aber keine Kurven (quadratische Modelle). Um Kurven modellieren zu können, brauchst Du mindestens drei Punkte (zwei außen und einen in der Mitte), d. h. Du brauchst zusätzliche Versuche.

    Als erstes wäre es deshalb sinnvoll, einige (3-5) Versuche mit den mittleren Einstellungen aller Merkmale zu fahren und die Ergebnisse in den Versuchsplan zu schreiben (das sind die so genannten Centerpoints).

    Damit kannst Du in Minitab einen lack-of-fit-Test machen, der Dir sagt, ob ein lineares Modell (mit Wechselwirkungen) ausreicht oder ob Du ein Kurven-Modell brauchst.

    Bei jeder Versuchsplanung ist es wichtig, dass es eine echte Streuung bei den Werten gibt, denn nur dann kannst Du auch unterscheiden, welche der fünf Merkmale interessant sind und weiter beobachtet werden sollten.

    Nehmen wir mal an, dass Du feststellst, dass drei Merkmale M1, M2 und M3 (signifikant) wichtig für das Ergebnis sind und dass Du einen Kurven-Plan brauchst. Für die drei Merkmale bastelst Du dann einen neuen Versuchsplan, z. B. einen 3^k oder CCD-Plan (central composite design, zentral-zusammengesetzter Plan). Beide Pläne sind wie das BBD (Box Behnken Design) so genannte Response Surface-Pläne, mit denen Kurven modelliert werden können.

    In 3^k- und CCD-Plänen kannst Du Versuchs-Ergebnisse aus Deinen ersten Versuchen recyclen, d. h. Du musst nicht den kompletten Plan durchführen, sondern kannst die gemessenen Werte von den Versuchen aus dem 2^k-Plan noch mal verwenden. (Bei BBD geht das nicht.)

    Aber so weit bist Du ja noch gar nicht ;-)

    Warte einfach erstmal ab, wie die Ergebnisse der restlichen Versuche aussehen und schau dann, ob Du noch einige Centerpoint-Versuche machen kannst. Damit hast Du dann auch Aussagen, welche Deiner fünf Merkmale wichtig sind und welche Wechselwirkungen berücksichtigt werden müssen – entweder für weitere Versuche oder für den Prozess selbst.

    Viele Grüße

    Barbara

    _____________________________________

    Ich fühle, dass Kleinigkeiten die Summe des Lebens ausmachen.
    (Charles Dickens, Schriftsteller)

    geändert von – Barbara on 01/10/2007 21:30:14

    TB
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    Hallo Barbara,

    Du hast mich ja fast erschlagen mit der ganzen Information!.. ;-)

    Ich warte dann erstmal auf alle Ergebnisse. Und melde ich mich bestimmt wieder, mit vielen Fragen..

    Eine Frage noch: Wenn fast alle Versuche ‚dazwischen‘ sind, kein richtiger 2^5 Versuchsplan mehr, wie wertet man denn die Ergebnisse aus?!

    Gruß, TB

    Barbara
    Senior Moderator
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    Hallo ***,

    die Versuchsplanung ist deshalb so effizient, weil sie sehr systematisch aufgebaut ist. Bei einem 2^k-Plan entsprechen die Planpunkte einem fünf-dimensionalen Würfel, weil jeweils nur hohe (+1) und niedrige (-1) Niveaus verwendet werden. Die Planpunkte stehen insbesondere senkrecht (orthogonal) zueinander und ergeben damit einen Würfel. (Die Langform dazu gibt es z. b. hier .)

    Wenn Du jetzt wegen technischer Schwierigkeiten nur ungefähre Eckpunkte hast und die Abweichungen minimal sind, ist das zwar unschön, aber immer noch ein halbwegs funktionierender Versuchsplan.

    Wenn Du allerdings statt der Eckpunkte andere Punkte für die Versuche verwendest, dann hast Du keinen effizienten Versuchsplan mehr, sondern einfach „nur“ ein paar Beobachtungen.

    Die Auswertung erfolgt auch bei Versuchsplänen über ein GLM (general linear model), nur geben nicht-orthogonale Experimente weniger effiziente Ergebnisse.

    „Effizienz“ bezieht sich dabei auf die statistische Sicht. Die Ergebnisse aus nicht-orthogonalen Experimenten enthalten weniger gehaltvolle Informationen als die Experimente aus orthogonalen Versuchen, auch wenn die Anzahl Versuche gleich ist.

    Ein Beispiel ist da vielleicht etwas anschaulicher:
    Stell Dir vor, Du willst Mensch-ärger-Dich-nicht spielen und brauchst dafür einen Würfel. Du hast drei zur Auswahl:

    1. einen absolut fairen Würfel mit völlig senkrechten Kanten (der nahezu nicht erreichbare Idealzustand)

    2. einen annähernd fairen Würfel mit fast senkrechten Kanten; nicht-senkrechte Abweichungen sind nicht sichtbar aber vorhanden (das ist der normale Würfel in einem Brettspiel)

    3. Einen nicht-orthogonalen Würfel mit schiefen Kanten. Dieser Würfel ist nicht fair, d. h. bestimmte Zahlen kommen häufiger als andere.

    Wenn Du Experimente irgendwo im Versuchsraum machst, dann hast Du eine Situation wie unter 3. beschrieben. Die Frage ist nur, ob Du mit so einem Würfel wirklich spielen willst…

    Sprich: Auswerten kannst Du jedes Experiment. Maximalen Informationsgehalt und gute Schätzungen für die Zielgröße bekommst Du nur dann, wenn Du einen „fairen Würfel“ bzw. orthogonalen Versuchsplan hast. (Es gibt auch noch sphärische Versuchspläne, die ebenfalls gut sind. Da ergibt sich dann statt dem Würfel eine Kugel.)

    Viele Grüße

    Barbara

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    (Charles Dickens, Schriftsteller)

    geändert von – Barbara on 01/10/2007 21:30:30

    TB
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    Hallo Barbara,

    vielen Dank für die Erklärungen!

    Hab unglücklicherweise gerade den 3. Fall, den Du beschrieben hast.. Wenn es nach mir ginge, dann würde ich diese Ergebnisse einfach zu den anderen nehmen, also meine Datenbank vergrößern, aber keine Auswertung der Versuchsplanung machen, weil ich mit so einem Würfen nicht spielen möchte – der ist leider seeehr schief. Aber von mir werden Ergebnisse erwartet und ich höre immer wieder: ‚vielleicht kannst du dir noch was dazu überlegen?!‘.. Ja, klar, aber leider nichts vernünftiges..

    Hab schon versucht, einen 2^2 Versuchsplan aus den bereits vorliegenden Versuchen zu basteln, also halt solche Versuche zusammen zu fassen, die einem solchen Plan genügen. Hab dann auch Effekte manuell berechnet (ist ja nicht so viel Arbeit). Das Problem ist aber, dass man wirklich 2^5 Versuchsplan bräuchte oder zumindest 2^3, weil die Zusammenhänge wirklich sehr kompliziert sind und man diese mit einem 2^2 Versuchsplan leider nicht abdecken kann..

    Gruß, TB

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo ***,

    ich drück das mal politisch unkorrekt aus:

    Ohne Arme keine Kekse!

    Du kannst mit solchen Experimenten keine haltbaren Versuchsplanungs-Aussagen machen. Punkt.

    Wenn Deine Firma mehr will, muss sie mehr investieren. Punkt.

    Ansonsten nimm die Ergebnisse in Deine Datenbank auf, wie Du es geschrieben hast.

    Viele Grüße

    Barbara

    _____________________________________

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    geändert von – Barbara on 01/10/2007 21:30:47

    TB
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    :-) Danke für die moralische und fachliche Unterstützung, Barbara!
    Ich hoffe, die restlichen Versuche werden besser ausfallen!..

    Gruß, TB

    TB
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 32

    Hallo Barbara,

    eine kurze Frage:

    Wenn man einen 4^2 Versuchsplan machen und dann die Effekte etc. ausrechnen möchte, wie geht man da denn vor?! Ich meine, wie rechnet man die Effekte aus? Hab im Internet nur Informationen zu den 2^k und 3^k Versuchsplänen gefunden, aber nicht zu 4^k..

    Gruß, TB

    Barbara
    Senior Moderator
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    Hallo ***,

    naja, es gibt keinen 4^k-Versuchsplan ;-)

    Die 2 bzw. 3 gibt an, auf wie vielen Faktorstufen variiert wird (2: hoch/tief, 3: hoch/mitte/tief). Das k gibt an, wie viele Faktoren berücksichtigt werden.

    Wenn Du speziellere Pläne brauchst, wird es schwierig. Da kannst Du z. B. mit D-optimalen Plänen arbeiten, aber nach Deiner Beschreibung von Versuchen bisher denke ich nicht, dass das wirklich hilft, weil es einfach zu wenig System in den Versuchen gibt. Und einen Plan nachher an die bereits durchgeführten Planpunkte anzupassen, ist keine Versuchsplanung, sondern „so Pfusch ich mir Statistik zurecht.“ (Wobei ich glaube, dass es darum bei Dir gar nicht geht.)

    Viele Grüße

    Barbara

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    Ich fühle, dass Kleinigkeiten die Summe des Lebens ausmachen.
    (Charles Dickens, Schriftsteller)

    geändert von – Barbara on 01/10/2007 21:31:04

    TB
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    Hallo Barbara,

    :-) nein, Pfusch ist nicht mein Ziel!

    Die Frage bezog sich auf eine andere Versuchsplanung. Meine Kollegin hat halt sozusagen einen 4^2 Versuchsplan, also zwei Faktoren mit vier Stufen. Aber dann sollte man sich also auf einen 3^2 Versuchsplan festlegen – dann hat man die Eckpunkte mit mittleren Einstellungen. Wäre das idealste, oder?!

    Die obenbeschriebene Versuchsplanung wird wiederholt, und zwar in einem richtigen Versuchsofen, also hoffe ich auf wirklich gute Ergebnisse, die man auch gut auswerten kann.

    Gruß, TB

    Barbara
    Senior Moderator
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    Hallo ***,

    4^2 macht imho nur dann Sinn, wenn ich schon weiß, dass a) zwei Faktoren (ausschließlich) wichtig sind und b) eine kubische Zielfunktion adäquat ist. Aber so richtig geschickt finde ich das nicht, weil es mich wundern täte, wenn ein kubisches System tatsächlich nur von k=2 Faktoren abhängt.

    Wenn das Ziel eine Reduzierung der Faktoren wäre, wäre 2^2 sinnvoll. Ist allerdings Blödsinn, wenn ich nur 2 Faktoren habe. Deshalb ist es besser, einen 3^2 zu nehmen, um damit auch gleich eine Optimierung rechnen zu können (so das Modell denn funktioniert).

    Viele Grüße

    Barbara

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    Ich fühle, dass Kleinigkeiten die Summe des Lebens ausmachen.
    (Charles Dickens, Schriftsteller)

    geändert von – Barbara on 01/10/2007 21:31:23

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