Die 0-Fehler-Kultur2006-06-14T17:09:06+01:00

QM-Forum Foren Qualitätsmanagement Die 0-Fehler-Kultur

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  • Anonym
    Gast
    Beitragsanzahl: 2122

    Hallo liebes Forum,

    so langsam beschleicht mich der Gedanke, dass uns der Normenwahn in eine fehlerfreie Unternehmenskultur drängt.

    Ein QM-Zertifikat ist mittlerweile das Synonym für absolute Fehlerfreiheit geworden.
    Wehe, es passiert ein Fehler, und sei er noch so klein – dann wird schon gelästert „Was ? Und ihr seid zertifiziert“ ?

    Der Drang zu Perfektionismus und Überorgansiation nimmt vielen Menschen den Mut, einen Fehler zuzugeben. Statt dessen: Ständige Angst vor Fehlern, Lügen, Ausreden, Schuldzuweisungen -> Der Nährboden für noch grössere Fehler.

    Wenn die Bereitschaft, Fehler zu machen schwindet, so entzieht man der Chance, neue Wege zu gehen, die Grundlage. Eine 0-Fehler-Kultur bedeutet Stillstand und wird auf Dauer unglaubwürdig, oder ?

    Eine Norm sollte deshalb immer den grössten Unsicherheitsfaktor mit einbeziehen: Den fehlerbehafteten Menschen (der nur deswegen creativ sein kann).

    In diesem Sinne ;-)

    Martin S

    evereve99
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 1038

    Hallo Martin S,

    ich stimme dir zu.

    0-Fehler ist ein Ziel, dass man nie erreichen kann. Und wie motivierend ist es für alle Beteiligten, Ziele zu verfolgen, die nie erreicht werden können.

    Ich bin auch der Meinung, dass Fehler passieren dürfen (allerdings nicht immmer wieder die gleichen bei den gleichen Leuten), und man anschliessend nach Wegen suchen sollte diese künftig zu vermeiden (also daraus zu lernen).

    Leider beobachte ich aber den Effekt: Der, der sich die „offene Kommunikation“, auch über Fehler, auf die Fahne schreibt, handelt in der Praxis oft anders.

    Die Folge: Verunsicherte und ängstliche MA, viele nur mit befristeten Verträgen, die sich dann aus berechtigtem Anlass eben leider nicht mehr offen trauen Fehler einzugestehen, weil sie ja in ihrem Umfeld mitbekommen wie darauf reagiert wird.

    Ansonsten scheint sich das Forum in den Feiertag verabschiedet zu haben, ich sage gleich auch: Schönes Wochenende!

    Gruß

    Evereve99

    Die eigene Einstellung zur Jagd hängt stark davon ab, auf welcher Seite des Gewehres man sich befindet !

    Rossy
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 368

    Hallo Martin, hallo evereve,
    ich stimme Euch zu, dass null Fehler wohl nicht zu erreichen sind.
    Ich halte es eher für ein Problem der Perspektive.
    Einen bereits bestehenden Fertigungsprozess in Richtung geringstmöglicher Fehlerquote zu optimieren ist zeit- und ressourcenfressend.
    Sobald ich aber weitergehe und potentielle zukünftige Fertigungen mit dem Wissen über Fehlerquellen der jetztigen Produktion von vornherein auf derzeit bekannte Schwachstellen hin abklopfe habe ich so etwas wie Fortschritt.
    Der Weg ist das Ziel, nicht die 0-Fehler-Utopie.
    Wir können uns doch auch in Richtung Norden bewegen ohne dass unser Ziel gleich der Nordpol sein muss.
    Ein potentielles 0-Fehlerziel wäre dann ohnehin nur über den perfekten Werker und somit über den perfekten Menschen zu erreichen.
    Das weiss ich genauso wie ich weiss, dass ich nicht perfekt bin.
    Deshalb kann man doch trotzdem im Rahmen seiner Möglichkeiten daran arbeiten.
    Es geht darum vor lauter Weg das Ziel nicht zu verlieren.

    Gruß

    Rossy

    > „Zukunft: die Zeit, von der man spricht, wenn man in der Gegenwart mit einem Problem nicht fertig wird.“
    Walter Hesselbach <

    HBH
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 73

    Hallo, @all,

    es scheinen sich ja alle einig zu sein, dass das Null-Fehler-Prinzip in praxi nicht umsetzbar ist. Könnte man aber nicht mal definieren, was unter Null-Fehler-Prinzip verstanden werden soll? Es besteht der Konsens, dass schon mal gemachte Fehler nicht wiederholt werden dürfen und dass Maßnahmen ergriffen werden sollen, die die Wiederholung dieser Fehler vermeiden. So weit, so gut. In dem Fall ist meines Erachtens das Null-Fehler-Prinzip erreicht, wenn die ergriffenen Maßnahmen auch Wirkung zeigen. Alles andere und darüber Hinausgehende sind Fehler, die man nicht vorhersehen konnte, die also passieren dürfen, weil wir dem nichts entgegenzusetzen haben.

    Ich stehe folglich auf dem Standpunkt, dass im Vorfeld überlegt werden muss, welche Fehler passieren können (dazu haben wir ja viele schöne Methoden), um deren Entstehen im Vorfeld schon zu vermeiden. Die Fehler, die dann doch noch gemacht werden, dürfen nur einmal gemacht werden. Das ist für mich Null-Fehler-Prinzip. Ich habe alles Menschenmögliche getan, damit keine weiteren Fehler auftreten. Wenn ich Gott wäre, könnte ich mehr tun. Bin ich aber nicht.

    Im Übrigen glaube ich, dass viele Leute Angst haben, ihre Fehler einzugestehen oder dass es auch Leute gibt, bei denen die Schwelle zu „Fünfe gerade sein zu lassen“ etwas niedriger ausgeprägt ist als bei anderen. Aber das Unbehagen, bei Fehlern erwischt zu werden, wurde uns ja jahrelang in der Schule eingetrichtert, so dass wir auf dem Gebiet niemals Erfolg haben können. Wer Fehler macht, ist schlecht. Wer keine Fehler macht, ist gut. Oder ist früher einer von euch zum Lehrer gegangen und hat sich darüber beklagt, dass der zu wenige Fehler angestrichen hat?

    Mein Fazit ist frei nach Curt Goetz, dass man die Dinge so nehmen sollte, wie sie kommen, aber dass man dafür sorgen sollte, dass die Dinge so kommen, wie man sie nehmen möchte.

    Grüße aus dem sonnigen Norden

    Heike

    IsoMan
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 421

    Hallo @all,

    Utopien sind manchmal auch demotivierend! Ich sehe jedenfalls die 0-Fehler Utopie in diesem Kontext.
    Wenn ein Unternehmen sich auf die Fahne schreibt, 0-Fehler zu erreichen, dann wird das mit der Zeit für die Mitarbeiter zu einer Motivationsfalle. Sie können sich noch so anstrengen, die 0-Fehler Zielsetzung erreichen sie nie!
    Daher ist diese Forderung in unserem QM-System nicht anzutreffen. Wir definieren eine Fehlervermeidungskultur und versuchen jedes Jahr besser zu werden oder den bestehenden Status zumindest zu halten. Selbstverständlich kann man die Definition eines Fehlers auch so gestalten, dass nicht alle Abweichungen erfasst werden (die fallen dann durch das Definitionsraster). Jedoch ist das m. E. ein Selbstbetrug, der in keiner Weise zielführend ist.
    Ich sage den MA bei unseren QM-Schulungen immer, dass Menschen gerade eben auf Grund ihrer Fehlerhaftigkeit als einzelne Individuen erkannt werden und nicht eine uniforme Masse darstellen. Wie wäre denn so manche große Erfindung entstanden, wenn der Mensch nicht einen Fehler gemacht hätte, der ihm den richtigen Weg erst ermöglichte?!
    In diesem Sinn – Fehler machen ja, dazu stehen unbedingt und lernfähig sowie selbstkritisch bleiben. Dann geht das alles in eine vernünftige Richtung.

    IsoMan

    Anonym
    Gast
    Beitragsanzahl: 2122

    meine meinung:

    0 fehler soll das Ziel ausdrücken.
    Manche(wenige, nicht technische (meistens Bwler)) ignorieren gekonnt das es technisch nicht möglich ist und die verursachen ärger.

    _______
    Probleme sind maskierte Gelegenheiten

    geändert von – marcus lobe on 19/06/2006 10:02:39

    Anonym
    Gast
    Beitragsanzahl: 2122

    Hallo,

    danke für die Beiträge und Meinungen zu der 0-Fehler-Thematik.

    Danke @ Heike für das passende Zitat, dass man die Dinge so nehmen sollte, wie sie kommen, aber dass man dafür sorgen sollte, dass die Dinge so kommen, wie man sie nehmen möchte.

    Um es wissenschaftlich zu betrachten: 0 Fehler passieren nur in Systemen absoluter Ruhe, d.h. in Systemen maximaler Ordnung.

    Diese Systeme gibt es tatsächlich, und zwar bei – 273 °C (absoluter Nullpunkt). Der Preis dafür ist, dass diese 0-Fehler-Systeme absolut unbeweglich sind.

    Ander gesagt: Wer nicht arbeitet, produziert auch keine Fehler :-)

    Leider leben wir in einer Arbeitswelt, die sich von der Kultur des Fehler-machen-dürfen immer weiter entfernt, d.h. sich auf eine Art Lähmung & Mutlosigkeit zubewegt.

    Die 0-Fehler-Kultur wird mittlerweile schon Kindern in die Wiege gelegt, mittlereile gibt es schon Sendungen wie die „Supernannis“, wo Kinder auf eine genormte Welt gedrillt werden.

    Traurig eigentlich…

    Gruß

    Martin S

    Frank_Hergt
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 1530

    Hallo Martin!

    Ganz so kritisch wie Du sehe ich’s nicht. Bei uns steht „0 Fehler“ für: Kein Fehler darf einfach unter den Tisch gekehrt werden. Es gibt keinen Fehleranteil, bei dessen Unterschreitung man sagen kann „jetzt sehen wir’s mal eine Zeitlang lockerer“. Alle in Zahlen ausgedrückten Qualitätsziele sind aber trotzdem nicht Null. Und: Fehlerursachen nachgehen ist etwas ganz anderes, als Leute an den Pranger zu stellen. Giovannis Sohn bekommt auch keine roten Ohren, wenn die Pizza zu spät kommt, weil die ganze Stadt mit einem Autokorso verstopft war, weil Italien gewonnen hat.
    Ich erklär’s immer mit dem Unterschied zwischen Wegweiser und Kilometerstein.

    Schöne Grüße

    Frank Hergt

    „There’s no problem too great for running away from it!“ (Charlie Braun)

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