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Hallo zusammen
Wir sind momentan dabei diverse Q-Dokumente für die Beschaffung zu überarbeiten. Wir haben nun einen kleinen Disput betreffend Lieferantenfreigabe. Unsere Abt. QM bezieht sich auf die Norm, in welcher steht „Die Organisation muss dokumentierte Verfahren festlegen, die sicherstellen, dass die beschafften PRODUKTE die festgelegten Beschaffungsanforderungen erfüllen“.
Deshalb sind sie der Meinung, dass bereits in der generellen Lieferantenfreigabe zur Aufnahme in die Lieferantenliste das Produkt als Erstmuster Prototyp usw. beurteilt werden muss.
Ich bin aus der Beschaffung, habe aber auch schon einige Erfahrung im QM, und ich teile diese Meinung nicht. Ich denke man kann die Norm auch anders auslegen und sagen, wir stellen die Qualität der beschafften Produkte ja in der Wareneingangsprüfung sicher. Ich denke schon dass die Produktegruppen pro Lieferant freigegeben werden müssen, aber muss dies wirklich schon in der generellen Freigabe eines Lieferanten passieren?
Was habt Ihr hier für Erfahrungen?
Gruss
MarkusHallo Markus!
Lieferantenfreigabe und Teilefreigabe sind für mich zwei getrennte Dinge.
Bei der Lieferantenfreigabe geht es darum, ob der Lieferant prinzipiell aus Sicht des Einkaufs, der Qualitätssicherung, der Entwicklung usw. als Lieferant für meine Firma prinzipiell ok ist. Zu dem Zeitpunkt muß er noch kein einziges Teil geliefert haben. Mehr noch, er sollte keines geliefert haben, denn er war ja noch nicht freigegeben ;-)
Danach sollten prinzipiell nicht Produktgruppen, sondern alle einzelnen Teile per Erstmuster von diesem Lieferanten freigegeben werden. Ausnahme natürlich: Katalog- und Normteile und Toilettenpapier o.ä. Ich kann nur dringend davor warnen, das Erstmusterverfahren beiseite zu lassen, weil die Qualität im Wareneingang „ja sowieso geprüft wird“. Erstmuster werden sehr viel gründlicher geprüft als Serienteile, die man bei einem wirklich guten Lieferanten idealerweise überhaupt nicht mehr prüft. Ansonsten findet man mit tödlicher Sicherheit irgendwann eine Abweichung an einer Stelle, die man nicht im Wareneingang prüft und vom Lieferanten kommt die Aussage: „War doch immer schon so!“.Schöne Grüße
Frank Hergt
nur mal am rande
die norm spricht nur von lieferantenüberwachung, (neu)beurteilung und auswahl nicht von lieferantenfreigabe
besser als eine freigabe finde ich eine leiferanteneinteilung in a b c d oder sobei mir sind die „d“ lieferanten die ganz schlechten, die es fast nie auf die reihe bekommen oder mit dennen ich viel ärger hatte, aber im notfall würde ich auch auf diese zurückgreifen, nur würde ich deren Waren/Dienstleistung besonders streng überprüfen.
@Frank Hergt
Eben dieser Meinung bin ich auch, dass diese zwei Dinge getrennt gehören (bspw. kritische Prozesse müssen wir ja auch zusätzlich zur generellen Freigabe des Lieferanten verifizieren). Und die Erstmusterprüfung möchte ich dann eigentlich in die produktbezogene Freigabe einfliessen lassen.
@stephan 35
Ja schon, aber wenn es eine Beurteilung o.ä. gibt, muss es doch danach auch eine Freigabe geben um dies zu verifizieren. Das heisst dann, dass alle notwendigen Massnahmen ergriffen worden sind, der Lieferant unseren Anforderungen entspricht und wir ihn in unsere Lieferantenliste aufnehmen können. Die Klassierung die du ansprichst muss schon auch sein, nur dies geschieht im Zuge der Lieferantenbewertung und nicht im Vorfeld.
Freue mich auf weitere Beiträge!
Markus
Hallo Markus,
eins vorneweg zu Deinem Satz:
„Wir stellen die Qualität der beschafften Produkte ja in der Wareneingangsprüfung sicher“ — Die Qualität von Produkten und Dienstleistungen wird produziert und nicht kontrolliert!
Und schon gar nicht vom Kunden durch die WE-Prüfung !!! Da musst Du schon 100% prüfen um 100% sicher zu sein. Stichprobenpläne nach AQL geben Dir hierbei auch nicht die gesamthafte Gewährleistung.Zurück zu neuen, unbekannten Lieferanten:
1) Erstmusterteile werden fast durch jeden Zulieferer extrem betreut angefertigt (wie geschleckt !).
Will heisen, dass diese Teile wohl kaum den späteren, realistischen Prozessschwankungen der Serie unterliegen.
2) Es sollten in Euerem Unternehmen unbedingt Kriterien festgelegt werden, die bei der Auswahl von „frischen“ Lieferanten angewendet werden und per Lieferanten-selbstauskunft im Vorfeld, vor der Vertragsabgabe, abgefragt werden, z.B.:
– namhaftes Unternehmen mit entsprechenden Refferenzen
– zertifizierter Lieferant, der sich dann auch mit den Tools, wie FMEA, Produktions-lenkungsplan, MFU, PFU, Messmittelfähigkeit, SPC, EMPB usw. auskennt und wirksam anwendet
– Herstellung von ähnlichen, vergleichbaren Produkten, wo er nachweisen kann, dass o.g. Tools Anwendung finden
3. Im Vorfeld müssen auch Euere Bedingungen, Anforderungen und Erwartungen an das Produkt mittels Lastenheft und QSV definiert und vom Lieferant auch akzeptiert werden.Wir setzen „neue“ Lieferanten generell auf „Gelb“ – Farbe für Vorsicht- , auch wenn die EMPB-Teile i.O. waren.
Erst wenn folgende Punkte erfüllt werden:
– die werkzeugfallende Vor-Serie (ca. 500 Teile) incl. EMPB i.O. ist
– die PFU u. MFU i.O. ist
– SPC in Anwendung und i.O. ist
– das erste Prozessaudit vorort beim
Lieferanten zufriedenstellend warwird der Lieferant in die Liste „freigegebener Lieferant“ aufgenommen, nach dem die Fachbereiche Entwicklung, Produktion, Qualität und Einkauf das OK mittels Unterschrift gegeben haben.
Dann ist dies eine dokumentierte Team-Entscheidung, wo keiner dann flüchten kann ;-)Ab der Serienlieferung wird der Lieferant mittels einer Lieferantenbewertung 1/2 jährlich controlled, bzw. bei gravierenden Q-Problemen, einer „Intensivbehandlung“ unterzogen (mittels einer systematischen Lieferantenentwicklung), damit er wieder auf die Spur kommt.
Spruch des Tages:
Die Art, wie man eine Sache tut, ist oft wichtiger als die Sache selbst.
Lord Chesterfield
Gute Zeit!
Qualyman
@ qualyman
Dieser Spruch mit der WEP war natürlich auch ein wenig provokativ zu verstehen. Denn wir sind eigentlich gleicher Meinung. Genau dies mit der ‚geleckten‘ Erstbemusterung kenne ich eben auch und aus diesem Grunde darf das auch kein Kriterium für die generelle Lieferantenfreigabe sein. Wenn der Lieferant dann in der ‚gelben‘ Einführungsphase ist, werden seine Teile natürlich genau unter die Lupe genommen. Natürlich gehe ich auch mit dir einig, dass die Qualität des zu beschaffenden Produktes in der Beschaffung sicherzustellen ist (Prozessverantwortlich für die WEP ist auch die Beschaffung).
Meine provisorische Freigabe habe ich nun in 3 Teile (Dokumente) aufgeteilt:1. Selbstbeurteilung durch den Lieferanten
2. Freigabe des Lieferanten (Überprüfung der
Selbstauskunft und Aufnahme in die Lieferantenliste.
3. Spezifische Freigabe von kritischen Prozessen und/oder Produkten.
(Hier wird dann eben das Produkt auf den Lieferanten bezogen verifiziert.Was meint Ihr dazu?
Mir ist es halt immer ein Anliegen, da wir aufgrund der Branche eine sehr umfangreiche Q-Dokumentation haben, dass gerade solche Abläufe, die man nicht alltäglich braucht gut verständlich sind und für den user ein roter Faden ersichtlich ist und er weiss was er zu tun hat.
Ich möchte diese Möglichkeit die Prozesse überarbeiten zu können natürlich auch für uns nutzen, da ich überzeugt bin, dass jedes Q-Dokument uns irgendeinen Nutzen bringen kann. Ich wehre mich wehement gegen Alibidokumente, nur um die Zertifizierungsstelle zufriedenzustellen.Gruss Markus
Hallo Markus!
Noch ein Nebentip zur Selbstauskunft des Lieferanten und Übrprüfung derselben: Besucht ihn! Wenn’s irgendwie geht! Vororteindrücke sind durch kein Zertifikat zu ersetzen.
Wenn‘ ihr das ‚eh schon macht: Vergiß‘ diese Nachricht :-)Schöne Grüße
Frank Hergt
@ Frank Hergt
Danke für die Bestätigung. Bei uns ist ein erstes Audit des Lieferanten zwingend, wenn er Medizinprodukte einer bestimmten Klassifizierung liefert und/oder kritische Prozesse zur Anwendung kommen.
Gruss Markus
@ qualyman
noch eine Frage:
Was bedeutet PFU, MFU, SPC ???
Gruss Markus
Hallo,
ich bin zwar nicht qualyman, aber vielleicht kann ich dir auch helfen.
MFU bedeutet Maschinenfähigkeitsuntersuchung, PFU Prozessfähigkeitsuntersuchung und SPC ist die statistische Prozesskontrolle.
MFU und PFU sind statistische Verfahren mit denen versucht wird, die Fähigkeit einer Maschine / eines Prozesses festzustellen, Merkmale in festgelegten Toleranzen zu fertigen. Bei der MFU sollten sämtliche Einflüsse (Mensch, Maschine, Material, Methode, Mitwelt) ausser eben der Maschine ausgeschlossen werden, bei der PFU sind alle wieder dabei.
Mit SPC versucht man den Prüfaufwand während der Produktion so gering wie möglich zu halten und trotzdem rechtzeitig in den Prozess einzugreifen, wenn er aus dem Ruder läuft. Ein Werkzeug der SPC sind die Qualitätsregelkarten. Zur SPC gibt es auch ein Referenz-Handbuch der QS-9000.
So long,
Steve -
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