Zu jedem Monatsende soll ein Vertriebsreport vorliegen. Nach der Fertigstellung einer Vorarbeit muss eine Pause von zwei Tagen eingelegt werden. Eine Tätigkeit soll oder muss innerhalb von zwei Stunden erledigt sein. All das sind Situationen, die wir in der Realität beobachten. Reale Geschäftsprozesse bilden wir mithilfe von Modellen ab. Die Modelle, die später beispielsweise in eine Prozessautomatisierung münden, sollten daher die Möglichkeiten haben, dass die geschilderten Situationen mit Zeitbezug abgebildet werden können.
Auch die mittlerweile für die Modellierung von Geschäftsprozessen zum Standard gewordene BPMN (Business Process Model and Notation) bietet vielfältige Formen, um zeitbezogene Ereignisse darzustellen. In diesem Beitrag werden diese Zeitereignisse (engl. Timer Events) als eine spezielle Form von Ereignissen vorgestellt und verschiedene Einsatzszenarien aufgezeigt.
Die BPMN unterscheidet grundsätzlich drei Arten von Ereignissen: Start-, Zwischen- und Endereignisse.
- Startereignisse sind der Auslöser einer Prozessinstanz (einer konkreten Ausführung des Geschäftsprozesses).
- Endereignisse bilden den Abschluss einer Prozessinstanz – typischerweise ein geschäftsrelevantes Resultat.
- Zwischenereignisse werden vielfältig innerhalb eines Geschäftsprozesses genutzt, um auf Vorkommnisse zu reagieren. Beispielsweise auf das Eintreffen einer Nachricht eines Geschäftspartners, das Auftreten eines Fehlers bei der Bearbeitung einer Aktivität oder den Ablauf einer Wartezeit oder Frist.
In der grafischen Darstellung sind alle Ereignisse als Kreis dargestellt, die durch unterschiedliche Symbole im Inneren des Kreises noch mehr Aussagekraft gewinnen. Start-, Zwischen- und Endereignisse unterscheiden sich leicht, wie Abbildung 1 zeigt. Zwischenereignisse haben immer zwei Kreise. Beim Zeit-Zwischenereignis kommt noch ein dritter Kreis hinzu, der lediglich durch das Uhrensymbol entsteht. Dies kann manchmal zur Verwirrung bei der Anwendung führen.
Die BPMN unterscheidet die Reaktion auf auftretende (catching) Ereignisse und während der Prozessausführung selbst ausgelösten (throwing) Ereignisse, auf die zum Beispiel andere Prozesse wiederum reagieren können. Zeitereignisse haben immer einen von außen einwirkenden Charakter. Dies liegt daran, dass die Prozessinstanz selbst den Zeitverlauf nicht steuern kann, also weder die Zeit anhalten noch verändern kann. Da Endereignisse (engl. End Events) naheliegenderweise nur einen auslösenden Charakter haben, gibt es hierfür auch kein Zeit-Endereignis.
Zeit-Startereignis
Es gibt Geschäftsprozesse, die regelmäßig durchgeführt werden müssen. Ein monatlich zu erstellender Vertriebsbericht oder eine täglich in der Kläranlage durchzuführende Untersuchung sind ideale Kandidaten für die Verwendung des Zeit-Startereignisses (engl. Timer Start Event). Die beiden Modelle zeigen Ihnen die Anwendung des Zeit-Startereignisses.
Zeit-Zwischenereignis
Bei der Verwendung des Zeit-Zwischenereignisses gibt es zwei mögliche Szenarien. Naheliegend ist, dass die Prozessausführung für eine bestimmte Zeit pausieren soll, z. B. weil bei der Produktion eine bestimmte Trockenzeit berücksichtigt werden muss. Die andere Variante deckt ab, dass bis zu einem bestimmten Zeitpunkt abgewartet wird. Je nach aktuellem Zeitpunkt kann die Wartezeit unterschiedlich lang sein.
Das folgende Beispiel zeigt, dass vor der Untersuchung einer vorbereiteten Wasserprobe eine Wartezeit von 30 Minuten erforderlich ist, um eine chemische Reaktion zu erwarten.
Angeheftete Ereignisse
Angeheftete Ereignisse (engl. Boundary Events) sind ein sehr mächtiges Konstrukt. Das angeheftete Zeit-Zwischenereignis wird an eine Aktivität geheftet und ist damit außerhalb des gewöhnlichen Ablaufes.
In diesem Beispiel wird ein Antrag geprüft. Kann die Antragsprüfung nicht innerhalb von zwei Wochen durchgeführt werden, so gilt der Antrag als genehmigt und die Antragsprüfung wird abgebrochen. Falls die Prüfung des Antrags innerhalb der Frist erfolgt, wird ein positives und negatives Prüfergebnis unterschiedlich behandelt.
Wenn ein angeheftetes Zeit-Zwischenereignis eintritt, also seit Beginn der Aktivität eine bestimmte Zeit verstrichen ist, wird die Aktivität entweder abgebrochen (abbrechendes Zeit-Zwischenereignis), oder es kann auf die modellierte Verzögerung reagiert werden, wobei die Aktivität selbst nicht abgebrochen wird (nicht abbrechendes Zwischenereignis, engl. non-interrupting). Mit einem angehefteten Zeit-Zwischenereignis kann beispielsweise eine SLA-Überwachung bzw. eine drohende SLA-Verletzung modelliert werden. Das Szenario ist im folgenden Modell mit einem nicht abbrechenden angehefteten Zwischenereignis – mit gestricheltem Rand – dargestellt.
Ein Beispielprozess
Zusammenfassend zeigen wir hier ein Modell, das die verschiedenen Möglichkeiten zum Einsatz eines Zeitereignisses aufzeigt. An jedem 15. eines Monats startet der Prozess zur Erstellung eines Vertriebsreports, der an den Vorstand übergeben wird. Der Report wird üblicherweise automatisch mithilfe des CRM-Systems erzeugt. Sollte die Erstellung nicht innerhalb eines Tages erfolgt sein, wird diese evtl. nicht funktionsfähige Generierung abgebrochen und auf eine manuelle Erstellung ausgewichen. Das XOR-Gateway führt die verschiedenen Abläufe wieder zusammen. Am 25. Tag des Monats wird der Vertriebsreport an den Vorstand übergeben, der Prozess ist somit abgeschlossen.
Sie haben Fragen zu BPMN? Gerne stehen wir Ihnen mit unserer Expertise zur Verfügung! Kontaktieren Sie uns.
Unser Gastautor Prof. Dr. Michael Gröschel, u. a. Trainer für BPMN, freut sich über Ihre Kommentare.
Über den Autor:
Michael Gröschel ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Mannheim. In Lehre und Forschung beschäftigt er sich mit Geschäftsprozessmanagement, insbesondere Prozessmodellierung in BPMN, Process Mining und Robotic Process Automation (RPA). Neben seiner Hochschultätigkeit ist er auch beratend tätig und gibt sein Wissen zu BPMN in Trainings weiter. Sie haben Fragen zu BPMN? Gerne steht Ihnen der Autor zur Verfügung. Kontaktaufnahme über https://www.taxxas.com.
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