Es gibt viele fleißige Ärzte – doch das Qualitätsmanagementsystem (QM-System) in ihrer Praxis wird nie fertig. Es gibt zahlreiche engagierte Qualitätsbeauftragte (QMB), die mit großem Einsatz und vielen Ideen unzählige Arbeitsstunden in das QM-System ihrer Praxis investieren – und doch nichts erreichen. Wie kann das sein? Was erarbeiten sie in all den Stunden? Oder liegt es an der Idee eines QM-Systems für Arztpraxen grundsätzlich – bietet es etwa doch keinen Mehrwert für Ärzte und ihre Teams? Aber warum wird das QM für niedergelassene Ärzte dann als so wichtig erachtet, dass es sogar gesetzlich festgeschrieben ist? In diesem Artikel richten wir einen Blick auf den Begriff der „Verantwortung für das QM-System“.
„Qualitätsmanagement ist eine Führungsaufgabe, die in der Verantwortung der Leitung liegt.“, heißt es in der QM-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), die für alle Kassenärzte schon seit 2005 verbindlich gilt (siehe Kapitel § 2 Grundlegende Methodik). Es ist davon auszugehen, dass der G-BA eine solche Anforderung mit einer klaren Absicht und nicht willkürlich formuliert. Was ist also gemeint?
Was bedeutet „Verantwortung übernehmen“?
In der Regel sind die Ärzte in einer Praxis die einzigen oder zumindest die obersten Führungskräfte. Sie können auch einen sogenannten Praxismanager als weitere Führungs- oder Leitungskraft einstellen. Diese sind den Ärzten aber zumeist hierarchisch unterstellt, sodass die Gesamtführung und somit auch die Gesamtverantwortung letztendlich doch bei den Ärzten liegt.
Bei größeren Praxen wird oft ein einzelner Arzt als Verantwortliche/r für das QM-System der Praxis benannt, um die Aufgaben im Ärzteteam klar zu trennen und die QM-Verantwortung festzulegen.
Hilfreich zu wissen: Die Norm für das Qualitätsmanagement, die DIN EN ISO 9001, unterscheidet zwischen den Begriffen „Führen“ und „Leiten“. So ist „Führen“ als strategisches, langfristiges Anführen des Unternehmens zu verstehen – im Idealfall ausgerichtet an einer Vision, an Zielen und davon abgeleiteten Maßnahmen. „Leiten“ dagegen ist auf operativer, alltäglicher Ebene das Organisieren, um die geplanten Maßnahmen umzusetzen.
Wie übernehmen Ärzte in ihrer Praxis Verantwortung?
Anders als Politiker können Ärzte in ihrer eigenen Praxis nicht einfach „die Verantwortung übernehmen“, indem sie zurücktreten, wenn ein Fehler passiert ist. Oft werden sie schlussendlich solche Fehler eher in Form von Zusatzkosten durch Dienstleister, neuem Arbeitsmaterial oder zusätzlich zu leistenden Arbeitsstunden bezahlen müssen. Im schlimmsten Fall müssten sie sich sogar vor Gericht verantworten – auch für Fehler ihrer Mitarbeitenden. Die Realität lautet häufig, dass die Chefs den finanziellen und versicherungstechnischen Kopf hinhalten.
Und nun sollen die Ärzte auch noch für das QM in Ihrer Praxis die Verantwortung übernehmen. Warum? – Weil ein QM-System ein wirksamer Schutzmechanismus vor solch teuren Fehlern sein kann.
Und wie sollen Ärzte die Verantwortung für das QM in ihrer Praxis übernehmen?
Generell sollen Ärzte sich um das QM in ihrer Praxis kümmern, aber sie müssen es nicht unbedingt selbst machen. „Häh?“, sagen Sie jetzt vielleicht, sind „kümmern“ und „machen“ nicht dasselbe? Und genau hier liegt das Problem: Für die meisten Ärzte ist es dasselbe – und deswegen wird das QM-System nie fertig oder es wird nach immensen Kraftanstrengungen des Arztes abgeschlossen und schläft dann wieder ein. „Kümmern“ und „machen“ sind eben nicht dasselbe.
„Kümmern“ kann man auch mit „anstoßen und nachhaken“ übersetzen. „Machen“ heißt, es selbst zu tun. Erkennen Sie nun den entscheidenden Unterschied? Kümmern“ oder auch „anstoßen und nachhaken“ bedeutet, die Verantwortung für das Qualitätsmanagement zu übernehmen. „Machen“ aber bedeutet, jedes Dokument selbst zu erstellen, was sehr viel Zeit frisst. Zeit, die der Arzt eigentlich besser mit seinen Patienten verbringen sollte.
Wie kann der Arzt die Verantwortung für das QM in seiner Praxis übernehmen, wenn er es nicht macht?
Entweder denken Ärzte, dass sie das QM-System für ihre Praxis selbst erarbeiten müssen – und brauchen dafür neben der Patientenbehandlung sehr lange. Oder aber sie entziehen sich auch einfach gänzlich dem QM, weil sie selbst nicht so genau wissen, was zu tun ist. Doch über dieses (Detail-)Wissen verfügen entweder die Praxismanager, ein/e ausgebildete/r Qualitätsbeauftragte/r (QMB) oder es kann als Dienstleistung durch ein Beratungsunternehmen erworben werden. Doch all das entbindet den Arzt / die Ärztin nicht von seiner / ihrer Verantwortung, denn als Führungskraft muss er / sie immer dann eine Entscheidung treffen, wenn weder Praxismanager/-in, noch QMB dazu befugt sind. Ein Berater kann ohnehin nur verschiedene Lösungen aufzeigen und Empfehlungen auszusprechen, aber selbst keine Entscheidung für die Praxis treffen.
Es geht bei der Verantwortung für das QM-System also weniger darum, selbst Dokumente zu erstellen oder die Mitarbeitenden zu schulen, sondern darum, den aktuellen Bearbeitungsstatus des QM-Systems zu kennen. Entscheidend ist dabei zu wissen, wo es Probleme gibt und was gut läuft. Hierfür ist es essenziell sich regelmäßig mit den Mitarbeitenden abzustimmen, die sich im Detail um das QM-System kümmern und auch selbst nachzuhaken, wenn sehr lange keine Rückmeldung zum Status Quo des QM-Systems kommt. Unter Umständen kann es hierbei notwendig sein Nachdruck zu erzeugen, wenn beauftragte Mitarbeitende einer dringenden Problematik nicht nachgehen.
Der Arzt ist also Entscheidungsträger, der, wenn auch nicht täglich – für das QM-System im wahrsten Sinne des Wortes eine entscheidende Funktion übernimmt. Die Abstimmungen, Aufgabenverteilungen, Einforderungen von Feedback und getroffene Entscheidungen des Arztes nehmen erheblichen Einfluss auf das positive oder negative Gesamtergebnis für das QM-System seiner Praxis.
Bildnachweise:
iStock.com/Wavebreakmedia