Wer ist in meinem Unternehmen für den Einkauf von Büromaterial zuständig? Wie sieht der Arbeitsvorgang in der Entwicklung aus? Wie ist der Freigabevorgang beim Auslösen von Bestellungen definiert? Und was genau macht eigentlich der QMB? Für eine strukturierte Übersicht über die eigenen Unternehmensprozesse kommen oft sogenannte Prozessmodelle zum Einsatz, die sämtliche komplexe Abläufe grafisch darstellen und beschreiben und dabei erste Potenziale zur Optimierung aufzeigen können. Mit Hilfe der Prozessmodellierung lässt sich demnach eine einheitliche, unternehmensweite Sprache etablieren – eine abstrakte Abbildung von Entscheidungen, Tätigkeiten und Zuständigkeiten innerhalb der unterschiedlichen Geschäfts- und Arbeitsprozesse. In diesem Blog-Beitrag wollen wir die historische Entwicklung sowie die Ziele und Methoden der Prozessmodellierung näher erläutern.
Historische Entwicklung
Die Abbildung und Darstellung von Unternehmensstrukturen und Geschäftsprozessen gehen auf eine lange Historie zurück und sind eng mit der Geschichte der Arbeitsteilung verknüpft. Im 18. Jahrhundert legte der schottische Ökonom und Philosoph Adam Smith mit seiner Veröffentlichung „Der Wohlstand der Nationen“ den Grundstein der heutigen modernen Aufgaben- und Arbeitsverteilung. Der Fokus lag hierbei auf der Analyse individueller Aufgaben unterschiedlicher Mitarbeiter in Zusammenhang mit der Koordination zwischen den Teilaufgaben. Henry Ford griff dieses Konzept 1913 bei der Einführung von Fließbändern auf und revolutionierte dadurch die Automobilindustrie: Die Werkstücke durchliefen verschiedene Montageschritte und wurden zur Bearbeitung von einem Mitarbeiter zum nächsten transportiert. Dadurch konnte Ford die Produktivität des Einzelschrittes mit der Effizienz des Gesamtprozesses verbinden und steigern.
Im deutschsprachigen Raum entwickelte sich nach dem Ersten Weltkrieg ein starkes Interesse an der Gestaltung und Steuerung von betrieblichen Strukturen. Fritz Nordsieck war mit seiner Unterscheidung zwischen Aufbau- und Prozessorganisation in den 1930er Jahren Vorreiter für die heutige betriebswirtschaftliche Organisationslehre. Dabei hat er verschiedene Typen von Workflow-Diagrammen beschrieben, darunter für die chronologische Abfolge von Aktivitäten oder für die Zuweisung von Aufgaben.
In den 1990er Jahren etablierten Michael Hammer und James Champy den Begriff Business Process Reengineering (BPR). Der Fokus des BPR lag auf der Neuorganisation von Prozessen: Geschäftsprozesse sollten einfach neustrukturiert werden, um die Durchlaufzeiten und Prozesskosten zu reduzieren sowie die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu verbessern.
Ziele der Prozessmodellierung
Das primäre Ziel der Prozessmodellierung ist die Analyse und Optimierung von betrieblichen Arbeitsabläufen. Dabei werden über eine entsprechende Prozessarchitektur meist verschiedene Hierachie- oder Beschreibungsebenen abgebildet: Führungs-, Kern- und Unterstützungsprozesse werden in der übergeordneten Prozesslandkarte beschrieben. Darunter gliedern sich weiter die Teil- oder Subprozesse sowie die dazugehörigen Aufgaben. Die Modelle bilden dadurch auch eine gute Grundlage für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP). Anhand der Analyse von Prozesskennzahlen können Schwachstellen entdeckt und die Qualität und Sicherheit verbessert werden. Auf operativer Ebene schaffen Prozessmodelle Transparenz und ein einheitliches Verständnis unter den Mitarbeitern über verschiedene Fachabteilungen hinweg. Zudem können die Prozesse normgerecht (z.B. nach ISO 9001) dokumentiert werden und Sie können präzise Arbeitsanweisungen erstellen – das erleichtert den Wissensaustausch und die Einarbeitung neuer Mitarbeiter.
Methoden der Prozessmodellierung
Prozessmodelle können grundsätzlich zwischen Ist- und Soll-Modelle unterschieden werden. Das Ist-Modell stellt dabei den Status Quo der Prozesslandschaft eines Unternehmens dar und dient als Grundlage zur Analyse der anschließenden Handlungsempfehlung zur Neustrukturierung und Reorganisation. Dabei können Unternehmen prozessbedingte Schwachstellen identifizieren und beheben sowie Schnittstellen visualisieren.
Das Soll-Modell bildet hingegen den gewünschten künftigen Zustand der Unternehmensprozesse ab. Aus der Differenz, die sich aus dem Ist- und dem Soll-Modell ergibt, lässt sich der Handlungsbedarf zur Erreichung des gewünschten Zustands bestimmen und konkrete Handlungsmaßnahmen ableiten.
Für die Modellierung können Unternehmen auf eine Vielzahl an Methoden zurückgreifen. Für die Umsetzung gibt es hierbei verschiedene Tools – vom Blatt Papier bis zur Modellierungs-Software. Zudem stehen, je nach Bedarf und Anforderung, unterschiedliche Modellierungssprachen (Notationen) zur Verfügung.
A) Tools zur Modellierung von Geschäftsprozessen
Für die Darstellung von Prozessen können verschiedene Formen verwendet werden. Darunter finden sich Checklisten, Prozessflüsse, Ablaufdiagramme, Vorranggraphen und Ablaufkarten – um nur einige zu nennen. Zur Umsetzung können sich Unternehmen verschiedenen Tools bedienen.
Um sich einen ersten schnellen Überblick zu verschaffen, können einfache Hilfsmittel – beispielsweise ein loses Blatt Papier, ein Word oder ein Excel-Dokument – genutzt werden. In einem nächsten Schritt und zur systematischen Erstellung und Umsetzung von Prozessen, können spezielle Visualisierungsprogramme (z.B. MS Visio) und Software-Tools herangezogen werden.
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B) Modellierungssprachen
Mit Hilfe von Modellierungssprachen können Prozesse visualisiert werden. Ähnlich zur gesprochenen Sprache gibt es auch hier bestimmte Regeln, eine eigene Grammatik (Syntax) sowie jeweils eigene Symbole, die eine Struktur vorgeben und somit ein einheitliches Verständnis ermöglichen. Die Funktionalität ist dabei jedoch immer dieselbe: Eine einfache und verständliche Darstellung von Unternehmensprozessen, und -strukturen. Im Folgenden stellen wir kurz die gängigsten Modellierungssprachen vor:
BPMN (Business Process Model and Notation)
Der Fokus der BPMN liegt auf der grafischen Darstellung von Geschäftsprozessen. Sie wurde von IBM entwickelt und 2004 von der Business Process Management Initiative (BPMI) veröffentlicht. Seit 2011 gibt es eine neuere Version, die BPMN 2.0, die auf einem XML-Format basiert. Auch das Prozessmanagement-Tool roXtra Prozesse basiert auf dieser Modellierungssprache. Der Ablauf eines mit BPMN modellierten Prozesses erfolgt grundsätzlich horizontal von links nach rechts und somit analog zur Zeitachse bei physikalischen Diagrammen. Eine sogenannte Sequenzflussverbindung verdeutlicht eine Rückkehr an einen früheren Punkt in der Prozesskette, beispielsweise bei mehreren Freigabeschleifen, Wiederholungen oder Revisionen. Weitere Informationen zur Modellierung mit BPMN und zu deren grafischen Elementen finden Sie hier.
EPK und eEPK
Die EPK (Ereignisgesteuerte Prozesskette) ist eine international bekannte Modellierungssprache zur grafischen Darstellung von Geschäftsprozessen. Entwickelt wurde sie in den 1990er Jahren gemeinsam mit SAP. Noch heute wird sie in SAP-Systemen eingesetzt. EPKs setzen sich zusammen aus Ereignissen und dadurch ausgelösten Funktionen, die durch Operatoren miteinander in Beziehung gesetzt werden. EPKs sind somit einfach in ihrer Anwendbarkeit und Prozesse können leicht verständlich abgebildet werden.
Die eEPK (erweiterte ereignisgesteuerte Prozesskette) ist – wie der Name schon verrät – eine Erweiterung der EPK und beinhaltet in ihrer Darstellung noch weitere, zusätzliche Elemente. Beispielsweise können übergeordnete Einheiten, Zuständigkeiten und Informationsmaterial verknüpft werden.
UML (Unified Modeling Language)
Die Modellierungssprache UML stammt aus dem Bereich der Softwareentwicklung und wird dort für die Spezifikation, Konstruktion, Visualisierung (Architektur und Design) sowie die Dokumentation von Softwaresystemen verwendet. Diese standardisierte Softwarenotation ist zwar keine Programmiersprache, basiert jedoch auf der objektorientierten Programmierung: Sie definiert Begriffe, statische Strukturen und dynamische Abläufe und zeigt deren wechselseitiges Verhältnis auf. Die UML besteht dabei aus mehreren, verschiedenen Diagrammarten – darunter das Komponentendiagramm, das Objektdiagramm, das Implementierungsdiagramm u.v.m. Das am häufigsten verwendete UML-Diagramm ist das Klassendiagramm, eine Art Strukturdiagramm, das zur grafischen Darstellung von Klassen und Schnittstellen sowie deren Beziehungen verwendet wird. Auch wenn dies zwar kein typisches Prozessdiagramm darstellt, kommt das Klassendiagramm durchaus auch außerhalb der Softwareentwicklung für die Darstellung von Geschäftsprozessen zum Einsatz. Ein weiteres UML-Diagramm, das im Bereich der Prozessmodellierung eingesetzt wird, ist das Aktivitätsdiagramm. Dies kann Geschäfts- und Betriebsabläufe grafisch darstellen, um somit die verschiedenen Aktivitäten und Abläufe innerhalb eines Unternehmens verständlich zu visualisieren.
PAP (Programmablaufplan nach DIN 66001)
Der PAP nach der DIN 66001 ist ein Ablauf- oder auch Flussdiagramm für Computerprogramme und hat seinen Ursprung als Methode zur Visualisierung von logischen Programmabläufen – beispielsweise die Folgebeschreibung von Operationen zur Lösung einer Aufgabe anhand eines Algorithmus. Auch wenn zwar schon etwas in die Jahre gekommen – Programmablaufpläne gibt es bereits seit den frühen 1980er Jahren und wurden damals durch spezielle Zeichenschablonen manuell erstellt – wird der PAP heute zum Teil noch zur Darstellung von Geschäfts- und Arbeitsprozessen sowie Verfahrensschritten genutzt.
Automatisierte Prozesse
Möchten Sie Ihre Prozesse nicht nur malen und visualisieren, sondern auch direkt und automatisch ausführen? Dann ist unser Prozessmanagement-Tool roXtra Prozesse genau das Richtige für Ihr Unternehmen! Das Modul ermöglicht neben der Modellierung auf Basis von BPMN 2.0 auch die Verknüpfung und automatische, digitale Ausführung Ihrer Prozesse und Subprozesse.
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