In der Revision der ISO 9001:2015 wird erstmals der systematische Umgang mit den Faktoren Wissen und Kompetenz gefordert. Eine Studie der GfWM und der DGQ legt offen, dass die Implementierung der Anforderungen mit gewissen Schwierigkeiten einhergeht. Christian Keller ist einer der Autoren dieser Studie. Er berät seit vielen Jahren Unternehmen im professionellen Umgang mit Wissen, verleiht jährlich in Kooperation den Award „Exzellente Wissensorganisation“ und steht Ihnen heute Rede und Antwort hinsichtlich dieser Schwierigkeiten, aber auch hinsichtlich der Chancen, die das Thema Wissensmanagement birgt.
Im Interview: Christian Keller (ck2 Wissensmanagement)
Die Studie zeigt, dass Instrumente des Wissensmanagements immer noch verhältnismäßig wenig genutzt werden. Welche Hürden erleben Sie in Unternehmen?
Aus meiner Erfahrung heraus lassen sich die Schwierigkeiten besonders in zwei Bereichen erkennen. Zum einen stellt es sich immer wieder als schwierig heraus, die richtigen Worte zu finden, um das Thema Wissensmanagement im Unternehmen zu kommunizieren. Es reicht nicht aus anzuführen, dass Wissen in der heutigen Arbeitswelt ein wichtiger Faktor ist. Das ist den meisten bewusst. Entscheidender ist es herauszuarbeiten, was Wissensmanagement konkret für das Unternehmen und vor allem auch für die einzelnen Mitarbeiter sowie Führungskräfte bedeutet und was es ihnen bringt. Diesen wertschöpfenden Charakter konkret zu vermitteln fällt vielen noch schwer und so kann Kommunikation zu einem nicht zu unterschätzendes Problem für die letztendliche Durchführung von Maßnahmen werden. Die zweite Hürde liegt in der Systematisierung. Ein Instrument ist dann besonders effektiv, wenn es den einzelnen Anforderungen zugewiesen und dadurch mit einem konkreten Ziel verbunden wird. Instrumente werden zwar genutzt, aber häufig nicht im Kontext der Anforderungen betrachtet, was sie trivial erscheinen lässt.
In einigen Fällen konnte die Studie zeigen, dass Instrumente zwar genutzt werden, diese aber nicht wirkungsvoll sind. Woran scheitern einzelne Instrumente?
Nehmen wir das Beispiel der selbsterklärenden Ordnerstruktur. Ein sehr beliebtes Instrument, das aber häufig daran scheitert, dass es extreme Disziplin erfordert, eine vorgegebene Ordnerstruktur bzw. Logik zu erhalten. Es kommt hier immer wieder vor, dass die Ordnerstruktur verlassen wird und neue Zweige entstehen. Wachstum ist dabei nicht zwangsläufig als Problem zu betrachten, aber genau wie man eine Hecke von Zeit zu Zeit beschneiden muss, damit sie ihre Form behält, muss man auch bei der Ordnerstruktur vorgehen. Es ist eine gewisse Kontrolle und Systematik notwendig, um dieses Instrument erfolgreich zu etablieren.
Ein anderes Beispiel ist das firmeninterne Wiki. Die Technologie bzw. Software zu implementieren ist keine Herausforderung mehr. Um ein firmeninternes Wiki effizient zu nutzen, müssen jedoch konkrete Ziele formuliert werden, muss eine Priorisierung von Wissen vorgenommen und das Wiki vorstrukturiert werden. In diesem zweiten Schritt scheitern viele Unternehmen und eine sinnvolle Nutzung wird beinahe unmöglich.
Die Studie zeigt, dass Instrumente des Wissenstransfers bereits viel genutzt werden und insgesamt 20% der Unternehmen planen diese einzusetzen. Woher kommt dieser Trend?
Es gibt den Mega-Trend Demographie, der branchenübergreifend ein zentrales Thema darstellt. Wissenstransfer ist eine Methode, die auf den gesellschaftlichen Wandel reagiert, der heute besonders in der Altersstruktur liegt. Mitarbeiter scheiden altersbedingt aus und mit ihnen geht auch spezifisches und erfolgskritisches Wissen. Es werden zwar häufig Übergabegespräche geführt, aber in nur wenigen Fällen wird das Wissen sauber und zweckmäßig dokumentiert. Selten wird weitergedacht und exploriert, denn nicht jedes relevante Wissen ist den Mitarbeitern immer präsent. Instrumente des Wissenstransfers sind hier von großer Bedeutung, um wertvolles Wissen im Unternehmen zu halten. In Zukunft wird diese Methode auch nicht nur bei altersbedingt ausscheidenden Mitarbeitern wichtig sein. Ein Fachkräftemangel macht sich nämlich auch in der Weise bemerkbar, dass Unternehmen neue Mitarbeiter stärker umwerben und auch von anderen Unternehmen abwerben. Und auch wenn diese wertvollen Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, muss ein präziser Transfer unternehmensrelevanten Wissens erfolgen.
An welcher Stelle sollte man bei der Planung der Umsetzung der Norm beginnen?
Auf der Umsetzungsebene ist „Wissen bestimmen“ um Produkt- und Dienstleistungskonformität zu gewährleisten meiner Einschätzung nach die dominierende und auch schwierigste Anforderung der Norm in Bezug auf Wissen und Kompetenz. Um ihr gerecht zu werden, sollte das Wissen des Unternehmens neben dem oben genannten Ansatz, kritisches Wissen zum Beispiel mithilfe von Wissenslandkarten zu identifizieren um Wissenstransfer und –sicherung zu realisieren, zunächst bilanziert werden. Bei der Komplexität dieser Aufgabe ist es nicht verwunderlich, dass diese Methode immer noch sehr wenig eingesetzt wird. Häufig ist bei der Wissensbilanzierung Unterstützung durch einen Moderator notwendig, um die Methode wertschöpfend zu nutzen. Die Kompetenz, Wissen zu bestimmen, ist jedoch in gewisser Weise die Grundlage für eine erfolgreiche Implementierung der Norm in der Organisation und eine Auseinandersetzung mit diesem Thema daher unbedingt ratsam.
Vielen Dank!
Weiterführend: Wissenstransfer im Unternehmen professionell umsetzen >>>